Der Dresdner Jurist Frank Hannig half der Stasi und Pegida. Als Christdemokrat verklagte er die Kanzlerin. Und jetzt hilft er dem Fernsehmann Peter Escher.
Von Marta Orosz*, David Schraven* und Ulrich Wolf
Sein Büro liegt inmitten der historischen Innenstadt Dresdens. Es ist überaus funktional eingerichtet. Sogar auf den Tischen liegen Stifte und Blöcke im rechten Winkel zueinander. Aus dem Fenster blickt Rechtsanwalt Frank Hannig auf die filigrane Frauenkirche, vor der sich seit anderthalb Jahren Tausende Pegida-Anhänger versammeln, wenn der Theaterplatz belegt ist.
Der 45 Jahre alte Jurist kennt sich mit der Bewegung aus. Er war es, der Pegida wieder auf die Beine half, nachdem sich das Organisationsteam Anfang 2015 im Streit getrennt hatte. Der Neustart manifestierte sich in der Gründung des Pegida-Fördervereins; er ist inzwischen zu einer wichtigen Stütze der Bewegung geworden.
Es ist der 5. März 2015, ein Donnerstag, als sieben Personen am frühen Nachmittag in der Töpferstraße 2 zusammenkommen. Es ist die Kanzleiadresse von Rechtsanwalt Hannig. Zu den sieben Leuten zählt auch das heutige Pegida-Führungstrio: Gründer Lutz Bachmann, sein Vertreter Siegfried Däbritz und die spätere Dresdner Oberbürgermeisterkandidatin Tatjana Festerling. Doch keiner von ihnen leitet die Gründungsversammlung, diesen Part übernimmt Hannig. Er führt auch Protokoll.
Der in Dresdner Gesellschafts- und Wirtschaftskreisen gut vernetzte Anwalt eröffnet um Punkt 14 Uhr die Versammlung. Er erläutert den Zweck der Zusammenkunft: die Gründung eines Fördervereins zur Akquise von Mitgliedern sowie zur Förderung politischer Bildung. Der neue Verein wird damit auch zu einer potenziellen Finanzierungsquelle.
Hannig tritt dem Verein nicht bei. Es könnte seinem Image schaden. So posiert er auf seiner Facebook-Seite staatstragend in schwarzer Robe. Seine Homepage ziert ein männlich-herb wirkendes Porträt von ihm im Halbschatten. Selbstbewusst verkündet der 1970 in Halle an der Saale geborene Mann: „Frank Hannig = Persönlichkeit + Strategie + Erfolg.“
Zu seinen Mandanten zählen etwa Defa-Star und Old-Shatterhand-Darsteller Jürgen Polzin oder Waldmensch Öff-Öff. Aber auch Dresdner Rotlichtgrößen sind darunter, Junkies, Messerstecher, Hooligans der verbotenen Gruppierung „Elbflorenz“. Hannig berät Existenzgründer und gestandene Firmenchefs. Mitunter greift er seinen Mandanten kräftig unter die Arme. So gründete er für den wirtschaftlich gescheiterten Dresdner Flughafengastronomen Roland Hess die Onlinefirma Die Canapémanufaktur GmbH in Radebeul.
Hannig ist sein Leben lang umtriebig. In dem Jahr, in dem die DDR zusammenbricht, ist er 19 Jahre. Trotz seiner Jugend hat er zu dieser Zeit bereits eine ansehnliche Stasi-Vergangenheit. Seine Akte umfasst 120 Seiten. Demnach hat Hannig schon als Schüler unter dem Decknamen „Starter“ eifrig Mitschüler und Freunde bespitzelt. Über das private Bekenntnis eines Bekannten, der sich gerade von seiner Freundin getrennt hat, teilt Hannig mit: „Er hatte fast ständig Tränen in den Augen und erzählte, dass er sehr viel getrunken hat.“ Er berichtet über eine Kirchengruppe, weil er deren Mitglieder verdächtigt, in der „Opposition“ zu sein, denunziert mehrere Schüler als „aktive Christen“. Offiziell leitet Hannig ein „Agitatorenkollektiv“. Er absolviert Vorbereitungskurse für die Einstellung als hauptamtlicher Stasi-Mann.
Im März 1989, so steht es in der Akte, lobt sein Stasi-Anwerber: „In Diskussionen kommt ein klarer Klassenstandpunkt zum Ausdruck. Er steht hinter der Politik unseres Staates. Er vertritt offen sein Berufsziel als Offizier und bereitet sich selbst intensiv darauf vor.“ Am 1. September 1989, wenige Wochen vor dem Mauerfall, tritt Hannig als Offiziersschüler in die Stasi ein. Er wird der Hauptabteilung „Kader und Schulungen“ zugeordnet, Dienststelle „Ermittlungen“. Hannig soll Kriminalistik lernen.
Der Zusammenbruch der DDR bereitet den Plänen ein Ende, dem Hang zum Kriminalistischen aber bleibt er auch in den neuen Verhältnissen treu. Hannig studiert Jura, wird Rechtsanwalt, gründet in Dresden eine Kanzlei. Er tritt der CDU bei und engagiert sich: als Präsident des Handballclubs Dresden, als Sprecher der Gewerbetreibenden in Heidenau, als Vorsitzender der Bürgerinitiative „Mügeln ohne Müll und Lärm“. In der nordsächsischen Kleinstadt tritt er sogar als Bürgermeisterkandidat an, scheitert aber. Hannig zeigt sich auf den großen gesellschaftlichen Partys Dresdens, posiert mit Models wie Gina Lisa Lohfink, heiratet im Sommer 2014 auf Schloss Wackerbarth eine 19 Jahre jüngere Frau. Bei den Dresdner Filmnächten wirbt er für seine Kanzlei mit einem Spot, in dem eine blutverschmierte Frau mit einer Kettensäge durch die Gegend stapft. „Darf ein Anwalt das?“, fragt die Bild-Zeitung.
Der sonst so selbstbewusst und selbstsicher auftretende Anwalt verliert die Contenance, wenn man ihn auf seine Stasi-Zeit anspricht. Sein Gesicht läuft rot an. Ist es Scham? Ist es Wut? „Ich war im Wachregiment Feliks Dzierzynski“, sagt Hannig. Deshalb habe er eine Stasi-Akte. „Die kriege ich nie wieder los, ja, mit 18 Jahren ist das halt so. Dieses Schicksal teile ich mit vielen jungen DDR-Bürgern.“
Anfang 2010 schafft es der Anwalt in die überregionale Presse. Der Grund ist seine Anzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen des Kaufs von Schweizer Steuer-CDs. Er, der seine Mitschüler bespitzelte, sieht darin eine „Aufforderung zum Denunziantentum“. Für die Bundesregierung sei das „moralisch ein Armutszeugnis“. Dass er zu dieser Zeit CDU-Mitglied ist, stört ihn nicht. Er erklärt mit Verweis auf die beiden deutschen Diktaturen: „Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“ Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hingegen reagiert seinerzeit gereizt. Er sieht in Hannigs Anzeige „ein gutes Stück Populismus“. Das Verfahren gegen Merkel wird später eingestellt, Hannig verließ die Christdemokraten.
Eine solche öffentliche Rolle hat der Jurist bei Pegida nie gespielt. Als Anwalt der Rechtspopulisten kommt er nur einmal wegen eines Urheberrechtstreits im Frühjahr vorigen Jahres in die Meldungsspalten. Die Macher der Pegida-Facebook-Seite hatten ein Bild eines Fotografen für eigene Werbezwecke ohne dessen Erlaubnis benutzt. Der Fauxpas kostete Pegida 3 000 Euro. Das Geld floss von einem Konto des Fördervereins bei der Volksbank Pirna. Es ist das Konto, das Hannig als Anwalt treuhänderisch für Pegida zu jener Zeit verwaltete. Monatelang waren darauf die Mitgliedsbeiträge gesammelt worden. Das offizielle Pegida-Konto ist bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden eingerichtet. Von da aus werden einmal mehr als 10 000 Euro auf das von Hannig verwaltete Treuhandkonto überwiesen. Warum? Wer oder was wird damit bezahlt? Hannig schweigt dazu. Anwaltsgeheimnis.
Im Oktober 2015 vertritt er eine Elterninitiative, die gegen eine Flüchtlingsunterkunft im Dresdner Stadtteil Prohlis protestiert. Die Notunterkunft könne die Sicherheit der Schulkinder gefährden, teilt er mit. Inzwischen aber, versichert Hannig, habe er sich von Pegida losgesagt und das Mandat für den Förderverein niedergelegt. Auch das Treuhandkonto führe er nicht mehr. Es ist nach Recherchen von SZ und Correctiv aufgelöst worden. Hannig sagt, er habe Pegida nur unter die Arme gegriffen, weil jeder einen Rechtsanwalt brauche. „Es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibt. Ohne Ansehen sowohl von Hautfarbe, von Religion, von Geschlecht, aber eben auch von politischer Überzeugung und Anschauung.“
Das Bewahren der Rechtsstaatlichkeit als Motiv? Warum schreibt er dann in sozialen Netzwerken: „Merkt Ihr es denn immer noch nicht??? Wir haben unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat bereits abgeschafft!“? Oder: „Ich denke: Was für Menschen mit Aufenthaltserlaubnis ein U-Haftgrund ist, muss für Asylbewerber ein Abschiebungsgrund sein! (…) Dringender Tatverdacht + Wiederholungs- oder Verdunklungsgefahr = RAUS!“
Stasi, CDU, Merkel, Pegida, Flüchtlinge – in jüngster Zeit hat sich Hannig zurückgehalten. Er hat ein neues interessantes Betätigungsfeld entdeckt und gemeinsam mit dem bekannten Fernsehmann Peter Escher die Firma Escher hilft GmbH gegründet. Das Unternehmen betreibt unter anderem Internetseiten „mit Inhalten zu allgemeinen Lebensfragen, dem Angebot allgemeiner Lebensberatung sowie der Produktion von internetbasierten Filmen“. Die Adresse der jungen Firma ist identisch mit der von Hannigs Kanzlei. Der 61-jährige Escher hat sein Büro gleich nebenan. Seit Ende November ist der neue Ratgeber online. Hannig führt das dort präsentierte juristische Expertenteam an, das mutmaßliche Fälle von Willkür jedweder Art untersucht, was Escher wiederum filmisch umsetzt.
Die Geschäftsidee scheint zu funktionieren. Zur Weihnachtsfeier kochte das zwölfköpfige Escher-Team mit dem Dresdner Nachtbar-, Werbe- und Gastronomie-Unternehmer Wolle Förster in dessen großer Sushi-Küche: Kürbissuppe, Schweinefilet und Vanille-Käse-Quark. Dazu gab’s Wein und viel Wodka. Und auf Facebook fragt Hannig: „Wer hat Lust, eine Woche mit uns zu segeln? Zwei Plätze auf meiner 18-Meter-Segeljacht in Kroatien sind frei!“
*Marta Orosz und David Schraven sind Mitarbeiter des Recherchezentrums Correctiv. Die Redaktion finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Correctiv gibt seine Recherchen grundsätzlich kostenlos an andere Medien ab, ist unabhängig und nicht gewinnorientiert.