Fremdenfeindliche Übergriffe und Stimmungsmache – Sachsen ist seit Monaten in der Negativpresse. Die Initiative "Druck machen" will einen gesellschaftlichen Wandel anschieben. Wie und warum, das erklärt Monika Lazar. Die sächsische Bundestagsabgeordnete der Grünen ist eine der Erstunterzeichnerinnen.
Frage: Was hat Sie bewogen, diesen Aufruf jetzt zu starten?
Monika Lazar: Die vergangenen anderthalb Jahre haben in Sachsen negative Spuren hinterlassen, Pegida & Co. haben das politische Klima vergiftet. In Sachsen gab es im letzten Jahr auch besonders viele Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Spätestens nach den Ereignissen in Clausnitz war klar, dass wir die Kräfte für ein demokratisches Sachsen bündeln müssen.
Sie erklären, "wir brauchen eine
demokratische Offensive, die deutlich macht, dass Hassideologien in
einem demokratischen Staat nichts zu suchen haben", verweisen auf
alltäglichen Hass und Gewalt und fordern ein anderes Sachsen. Nun haben
ja andere Bundesländer ähnliche Probleme. Ähnliche Aufrufe werden aber
nicht bekannt. Schaden Sie damit dem Freistaat nicht?
Nur weil es auch in anderen Bundesländern Probleme mit Rassismus gibt,
kann es ja nicht bedeuten, dass man in Sachsen mit dem Finger auf andere
Regionen zeigt. Wir müssen uns in unserer Region, also in Sachsen,
engagieren. Da haben wir ausreichend zu tun. Das bedeutet nicht, dass
man sich nicht mit Initiativen aus anderen Regionen nicht vernetzt, das
bleibt selbstverständlich auf der Tagesordnung.
Den Ruf Sachsens
kann man nicht weiter beschädigen, in dem man die Probleme benennt. Es
ist ein Verdienst der sächsischen CDU, dass sie in all den Jahren dafür
gesorgt hat, dass bei rassistischen Vorkommnissen verharmlost und
weggeschaut wurde. Stattdessen wurden die zivilgesellschaftlich
Engagierten bedrängt. Das ist einmalig in Deutschland und so in keinem
anderen Bundesland zu beobachten.
Was kann ein solcher Aufruf im Netz überhaupt bewirken, wird es praktische Konsequenzen des Aufrufs geben?
Am 30. April gibt es eine Auftaktkonferenz in Leipzig, wo ein Forderungskatalog erarbeitet werden soll. Danach werden weitere UnterstützerInnen gewonnen und am 22. Juni soll es in Dresden eine Demonstration geben.
Sie kündigen auch ein Treffen der
Initiative an, und zwar genau an dem Tag, an dem die AfD sich ein neues
Parteiprogramm geben wird - haben Sie diesen Termin mit Absicht gewählt?
Nein, mit der AfD hat es nichts zu tun. Der Termin ist auch vom Zeitablauf so geplant, dass die Forderungen, die auf der Konferenz entwickelt werden, anschließend im Rahmen des Programms beim Konzert 'Leipzig. Courage. Zeigen' präsentiert werden.
Sie sind Erstunterzeichnerin des Aufrufs, und Sie
waren auch Erstunterzeichnerin des Aufrufs "Leipzig nimmt Platz".
Damals, im Januar 2015, saßen Sie gemeinsam mit Juliane Nagel, Bernd
Kruppa und einem Studenten an einem Tisch. Inzwischen hat die
Linken-Politikerin ihre politische Immunität als Landtagsabgeordnete
verloren, darf die Staatsanwaltschaft gegen Nagel ermitteln. Gehört dies
zu den Zuständen, die Sie kritisieren?
Auch meine Immunität wurde 2015 aufgehoben und gegen mich wurde staatsanwaltlich ermittelt. Dass die Staatsanwaltschaft ausgerechnet gegen die beiden Politikerinnen der Pressekonferenz im Januar 2015 Ermittlungen eingeleitet und weiter verfolgt hat, gehört genau zu den sächsischen Verhältnissen, die wir kritisieren.
Unter den Erstunterzeichnern befinden sich
vor allem Politiker von Bündnis 90/Die Grünen und nur zwei
Linken-Politiker. Konnten Sie nicht mehr Linke für den Aufruf gewinnen
und warum ist kein SPD- und kein CDU-Politiker darunter?
Die ErstunterzeichnerInnen wurden sehr kurzfristig kurz vor Ostern gefragt. Wir Grünen waren wahrscheinlich besonders schnell bei den Rückmeldungen. Wer konkret alles gefragt wurde, kann ich nicht beurteilen. Es werden aber in den nächsten Wochen sowieso noch weitere UnterstützerInnen gesucht, dann können alle PolitikerInnen, Engagierten und Strukturen, die den Aufruf und die Forderungen unterstützen, mitzeichnen.
Was konkret möchten Sie verändern, wo ansetzen?
Wir wollen ein Sachsen, das für Antirassismus, Weltoffenheit und Toleranz steht. Seit Jahren wird zivilgesellschaftliches Engagement kriminalisiert. Pegida & Co. wurde zu lange verharmlost und geduldet. Dem wollen wir was entgegensetzen: Wir brauchen einen gemeinsamen Aufbruch Richtung Zivilcourage und Demokratie. Die sächsischen Probleme mit Rassismus müssen erkannt und benannt werden, vor allem von der sächsischen Staatsregierung, besonders von der CDU. Rechtsmotivierte Straftaten müssen besser verfolgt, Opfer besser geschützt werden.
Wir wollen mehr Perspektiven für Geflüchtete, menschenwürdige Unterkünfte und einen Aktionsplan Integration. Die politische Bildung in Sachsen ist seit 25 Jahren vernachlässigt worden, das rächt sich nun. Deshalb benötigen wir auf allen Bildungsebenen einen Ausbau der politischen Bildung und mehr Mitbestimmungsrechte von der Kita bis zur Hochschule.