An das Stadtplanungsamt Projektgruppe Integrierte Stadtentwicklung Kaiser-Joseph-Strasse 198-200 79098 Freiburg 26.1.2006
Mit dem Flächennutzungsplan 2020 werden die Weichen für die städtische Entwicklung Freiburgs für die kommenden zwei Jahrzehnte gestellt. Schon in der Präambel zu den Leitzielen dieser Planung wird auf eine nachhaltige Stadtentwicklung in ökologischer und sozialer Dimension Wert gelegt, wobei bei den Zielkonflikten die unterschiedlichen Interessen und Lebensentwürfe aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen sind. Besondere Betonung findet §1 Abs. 2 des BauGB, nachdem „mit Grund und Boden sparsam umgegangen werden soll ;“„ dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen, sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Mit der Verabschiedung der Freiburger Agenda 21 am 29.11.1999 wurden wesentliche Ziele für die Entwicklung der Stadt für die weitere Zukunft festgelegt. Soziale, ökologische sowie ökonomische Kriterien sollen hierbei gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei wird fest auf die Zusammenarbeit mit Initiativen und Gruppen gesetzt, die selbständig und eigenverantwortlich Aufgaben im Gemeinwesen übernehmen. Es wird darauf Wert gelegt, „dass alle Menschen an der ständigen Suche nach Werten und Strukturen sowie der Gestaltung der Regeln für das Zusammenleben beteiligt sind“ und „eine Kultur der Zusammenarbeit bei der Suche nach Lösungen praktiziert wird .“„ Wohneigentum soll für eine breite Bevölkerungsschicht erreichbar sein“, genossenschaftliches, spekulationsfreies sowie gemeinschaftliches Wohnen gefördert werdeb. Des weiteren soll„ sowohl Raum für experimentelles Wohnen als auch Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des jeweiligen Wohnraumes existieren .
In den vergangenen 15 Jahren hat sich in der Bundesrepublik eine neue Wohnkultur etabliert, die von den konventionellen Normen der Stadtplanung abweicht. Das Leben im Wagen versteht sich als Versuch, in einer modernen Gesellschaft auf experimentelle Weise neuen Formen des Zusammenlebens sowie einen anderen Umgang mit Ressourcen zu erproben und zu entwickeln und Lösungen für neu entstandene Problemen in der Gesellschaft zu finden. Dabei kommen verschiedene soziale, kulturelle und ökologische Aspekte zum Tragen.
Leben im Wagen bedeutet Leben im selbstverwalteten Kollektiv. Durch die Möglichkeit, sich in einer größeren Gruppe zu organisieren und zu leben, werden soziale Ungerechtigkeiten kompensiert. Stärken und Schwächen des Einzelnen können so besser ausbalanciert werden, demokratische Denkweise durch basisdemokratische Entscheidungsprozesse in der Gruppe und durch Dialogbereitschaft nach Außen neu erlernt werden.
Bei Problemen wie hohe Mieten - besonders in Freiburg - sowie dem geringen Entscheidungsspielraum über die Gestaltung des Wohnraumes/ der Mietwohnung bietet das Leben im Wagen neue Lösungsanätze, diesen Konflikten auf konstruktive Weise entgegenzutreten. Planerischer Aufwand sowie anfängliche Investitionen sind bei dem Leben im Wagen im Vergleich zum konventionellem Hausbau sehr gering und können auch von Einkommensschwachen realisiert und mitgetragen werden. Die zu bewohnenden Wagen stellen letztendlich Eigentumswohnungen da, die nach eigenen Vorstellungen eingerichtet und gestaltet werden können.
In der heutigen Gesellschaft wird gerade von jungen Leuten verlangt, beruflich flexibel und mobil zu sein. Die Suche nach einem geeigneten Job beschränkt sich nicht mehr nur auf die Region. Die Möglichkeit, das eigene Zuhause für temporäre Arbeiten mitnehmen zu können und gleichzeitig die soziale Basis nicht zu verlieren, vergrößert die Chance, angemessene Arbeit zu finden und das finanzielle Einkommen zu sichern.
Des weiteren versteht sich Leben im Wagen als Wohnkultur, die auch für Dritte zugänglich sein soll - einem Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches. Sowohl kulturelle, nichtkommerzielle Veranstaltungen als auch Förderung von handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten können von einer großen Gruppe getragen und vorangetrieben werden.
Dem in der modernen Lebensweise häufig verschwenderischen Umgang mit Ressourcen und Verlust der Bezogenheit zur Natur wird durch das Leben im Wagen bewusst entgegen getreten. Die Nutzung regenerativer Energien wie Solarstrom und Energieholz, sparsamer Umgang mit Trinkwasser sowie Verwendung meist recycelten Baumaterials sind grundlegende Bestandteile dieser Wohnkultur. Durch die Bauweise„ ohne Fundament“ sind die Folgen auf das Stadtinnenklima sehr niedrig. Bodenversieglung ist für diese Art des Wohnens nicht notwendig, so dass weiterhin Wärmeaustausch zwischen Boden und Luft möglich ist. Auch werden Kaltluftströme, die für die Frischluftversorgung in urbanen Räumen extrem wichtig sind, durch die niedrige Bauweise nicht gestört.
Wir, die Antragsteller, sehen in Freiburg wachsenden Bedarf an Fläche für experimentelles Wohnen und regen an, einer Sonderfläche für experimentelles Wohnen auf planerischer Grundlage einzurichten. Die Grundidee einer solchen Nutzung deckt sich mit den Leitzielen des FNP und der Agenda 21 und sollte durch eine Erwähnung im neuen FNP gewürdigt werden. Den Antragstellern ist bewusst, das experimentelles Wohnen von Teilen der Bevölkerung kritisch beobachtet wird. Private Projekte auch in Freiburg, wie z.B. SUSI, zeigen jedoch, das ein gemeinsames Nebeneinander durchaus möglich ist. Zudem wird es erst durch Vergabe eines offiziellen Status sowie Möglichkeit des Anschlusses an die allgemeine Versorgung durch Wasser/Abwasser und dem Müllsystem möglich, bestehende Vorurteile von Seiten einiger Bevölkerungsteile abzubauen.
Unterzeichner :
- Schattenparker e.V.
- SUSI
- Vauban Quatier
- Miethäuser Syndikat
- Grether Ost
- Grether Süd
- Grether West
- Fabrik
- Arche
- Woge