Vorfälle in Clausnitz: Polizeipräsident kündigt Ermittlungen gegen Flüchtlinge an

Erstveröffentlicht: 
20.02.2016

Anwohner grölen, Flüchtlinge weinen: Im sächsischen Clausnitz hat die Polizei hart durchgegriffen - nicht gegen Ausländerfeinde, sondern gegen Schutzsuchende. Jetzt drohen sogar Ermittlungen.

 

Die Polizei hat ihr Vorgehen im sächsischen Clausnitz verteidigt. Dort hatten am Donnerstagabend mehr als hundert Menschen laut schreiend einen Bus mit Flüchtlingen an der Fahrt zu einer Unterkunft gehindert.

Zwei Videos kursieren von den Vorfällen. Einer der Clips zeigt, wie die Polizei die Flüchtlinge aus dem Bus zerrt. Ein Beamter packt dabei einen sichtlich verängstigten Jungen im Nacken und zerrt ihn unter dem Gegröle der umstehenden Ausländerfeinde in die Unterkunft.

In einer Pressekonferenz in Chemnitz hat nun der zuständige Polizeipräsident Uwe Reißmann seine Beamten in Schutz genommen. An der Eskalation gab er Businsassen eine Mitschuld und kündigte Ermittlungen gegen einzelne Flüchtlinge an. "Was wir sicherlich ausweiten werden, sind Ermittlungen gegen den ein oder anderen Insassen des Busses."

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz, dass es bisher aber keine Anzeige gegen Asylbewerber gebe.

Reißmann sagte, bei drei Flüchtlingen sei der Einsatz von "einfachem unmittelbaren Zwang" notwendig gewesen - dies sei "absolut notwendig und verhältnismäßig" gewesen. Sie hätten aus dem Bus heraus gefilmt und mit Gesten wie dem Stinkefinger die davorstehenden Demonstranten provoziert.

Ausdrücklich verteidigte der Polizeipräsident das Vorgehen gegen den jungen Flüchtling, der den Bus nicht verlassen wollte. "Es war zum Schutz des Kindes, weil wir davon ausgegangen sind, dass das Gebäude wesentlich sicherer ist." Die Beamten hätten befürchtet, dass der Bus angegriffen werden könnte und beispielsweise Scheiben eingeschlagen werden.

Video zeigt Vorgehen der Polizei

 

Ein gravierendes Fehlverhalten von Seiten der Polizei will der Polizeipräsident nicht erkennen. "Aus meiner Sicht gibt es für das Vorgehen der Polizei keinerlei Konsequenzen."

Reißmann räumte allerdings ein, dass die Polizei Probleme hatte, der Situation in dem kleinen Erzgebirgsort Herr zu werden. "Wir hatten vor Ort zu wenig Personal." Hätte man Vorerkenntnisse gehabt, wäre man mit genug Kräften vor Ort gewesen, doch es habe keine Hinweise auf eine solche Störung gegeben.

Gegen Ausländerfeinde liegen laut Polizeipräsident derzeit 14 Anzeigen vor: drei gegen Fahrzeughalter, deren Autos die Zufahrt versperrten, und elf gegen Protestierer.

Bei den Ermittlungen zu den vorliegenden Anzeigen geht es laut Reißmann um mögliche Verstöße gegen das Versammlungsrecht und mögliche Nötigung. Auch der Straftatsbestand des Landfriedensbruchs werde geprüft. "Die Ermittlungen führt das Dezernat Staatschutz."

Die Polizisten hätten zwar Platzverweise erteilt, doch die etwa hundert versammelten Protestierer seien diesen nicht nachgekommen. Zudem hätten drei Fahrzeuge die Zufahrt versperrt. Die Polizei habe die Halter aufgefordert, den Weg freizugeben. "Die drei Herrschaften haben ihre Fahrzeuge dann entfernt", sagte Reißmann.