Polizeibeamter kann als einziger geladener Zeuge keine ausreichenden Beweise gegen die vier Tatverdächtigen vorlegen
Der 19. Februar 2011 dürfte der alternativen Szene in Dresden noch in Erinnerung sein: An diesem Tag marschierten nicht nur Neonazis zum alljährlichen »Trauermarsch« in Gedenken an die Bombardierung der Stadt durch die sächsische Elbmetropole. Etwa 100 Rechte überfielen auf ihrem Weg zum Aufmarsch auch das linke Wohn- und Kulturprojekt »Praxis« im Stadtteil Löbtau. Der rechtsradikale Übergriff auf den alternativen Szenetreff wurde damals sogar auf Video festgehalten: Aus dem Pulk der vorbeimarschierenden Nazis kam es wiederholt zu Steinwürfen auf das Haus. Scheiben gingen zu Bruch, als mehrere Rechtsradikale mit Stangen und Stöcken bewaffnet losstürmten. Die Neonazis konnten dem Video zufolge fast drei Minuten lang wüten, ehe Polizeibeamte den rechten Aufmarsch langsam zurückdrängten. Die Drohungen der Rechten gegen die Bewohner der »Praxis« fielen eindeutig aus: »Wir kriegen euch alle«, skandierte der Neonazimob. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich mehrere Menschen im Haus auf.
Erst fünf Jahre später standen nun vier mutmaßliche Angreifer vor dem Dresdner Amtsgericht. Die ihnen vorgeworfenen Anschuldigungen klingen eindeutig: Zwei Männer sollen die Gruppe lautstark angestachelt haben, ein weiterer Täter wurde beschuldigt, Steine auf das Haus geworfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft erhob deshalb Anklage wegen Landfriedensbruch sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung. Schließlich sei den Neonazis klar gewesen, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs Menschen im Gebäude aufhielten.
Das Dresdner Amtsgericht verließen die vier Angeklagten allerdings nach der Verhandlung in Freiheit. Es spreche vieles dafür, doch nachweisen könne man die Taten letztlich nicht, musste die Staatsanwaltschaft einräumen. Am Ende hieß es deshalb für alle vier Beschuldigten: Freispruch.
19 02 2011 dresden löbtau wernerstraße ca 1400 uhr angriff vermummter neonazis
Wie es dazu kam, wirft Fragen auf: So lud das Amtsgericht als einzigen Zeugen lediglich den einen Beamten des Landeskriminalamtes, der sämtliche Beweise zusammengetragen haben soll. Dazu zählten neben dem auf Youtube zu findenden Video auch eigenes Material der Polizei. Die mutmaßlichen Täter waren allesamt mit einer Gruppe in zwei Reisebussen aus dem Rheinland nach Dresden zum Aufmarsch angereist. Kurz vor Dresden kontrollierte die Polizei alle Insassen, nahm ihre Daten auf und filmte diese. Dadurch, so der Beamte vor Gericht, ließen sich die mutmaßlichen Täter letztlich identifizieren.
Vor Gericht machte der Polizeibeamte allerdings keine allzu gute Figur, wie die »Sächsische Zeitung« berichtet. Nicht nur bereitete es dem LKA-Mitarbeiter Schwierigkeiten, die vier Beschuldigten auf dem Video zu identifizieren, auch konnte er einige Fragen des Richters nicht beantworten. Den wohl endgültigen Todesstoß für die Anklage bedeutet dann wohl die ungeklärte Frage, warum der Naziaufmarsch überhaupt an der »Praxis« vorbeizog. Erneut keine klare Antwort des Beamten, zumal einer der Angeklagten behauptete, der Gruppe sei überhaupt nicht klar gewesen, dass sich an besagter Stelle in Löbtau ein alternatives Zentrum befinde.