Die Autonome Antifa Freiburg spricht über Enttarnungen von Neonazis mit den Mitteln des "social engineering".
Ein nicht alltäglicher Infoabend auf dem Grethergelände: Ein Moderator und zwei Männer mit lustigen Faschingsmasken und schwarzen Kapuzenpullis sitzen hinter einem Tisch, davor rund 60 Zuhörer und die Presse. Die Autonome Antifa hatte eingeladen: Es ging um Südbadens Neonazis und antifaschistische Aktivitäten der vergangenen Jahre in Freiburg und Umgebung.
Es erinnert ein bisschen an die einschlägigen Veranstaltungen baskischer oder korsischer Separatisten. Warum die Maskerade? "Zum Schutz unserer Anonymität", sagt der eine Antifaschist. Denn die Nazis würden Anti-Antifa betreiben, das heißt, in das private Leben des politischen Gegners eindringen und das erworbene Wissen gegen sie verwenden. Genauso, wie es die Freiburger Autonome Antifa seit etlichen Jahren praktiziert. Mit großem Erfolg. Und mit dem Bewusstsein, dass man damit die rechtsstaatlich garantierte Privatsphäre verletzt, die auch für Rechtsradikale gilt. Heiligt der Zweck die Mittel? "Beim Outen von Nazis stellt sich uns die Frage nicht. Vor allem dann, wenn dadurch Katastrophen wie der geplante Anschlag des Bombenbauers aus Weil verhindert werden", sagt der andere Kapuzenpulli.
Erst am Freitag wurde wieder ein junger Neonazi aus Bad Säckingen "enttarnt". Die Autonome Antifa weiß alles: Handynummer, das Kennzeichen seines Autos, den Wohnsitz bei der Mutter, die Arbeitsstelle in der Schweiz, den Musikgeschmack ("National Socialist Black Metal"). Alles. Und dass der junge Mann, äußerlich bürgerlich und unscheinbar, in den Nazi-Foren im Internet seine Kameraden mit einem "donnernden Sieg Heil" begrüßt.
In den Jahren und Monaten zuvor wurden bereits der NPD-Vorsitzende in Freiburg zum Aufgeben gezwungen, ein Journalist des Stadtkurier, der sich einen Hakenkreuzpulli im Internet bestellt hatte, um seinen Job gebracht, ein Laden mit Mode von und für Nazis benannt, so dass dieser dichtmachte, und etliche andere Neonazis in Südbaden eingeschüchtert und in die Paranoia getrieben. Vor allem die Enttarnung des Weiler Bombenbastlers im August 2009 – "ein Vielfaches an Sprengstoff verglichen mit dem durchgeführten Nazi-Attentat auf dem Oktoberfest", so die Antifaschisten – sorgte für Aufsehen. Hier wurden die Ermittler der Polizei links überholt und düpiert. "Selbst der Verfassungsschutz bedient sich unserer Recherchen, die im Netz zugänglich sind."
Wie geht das alles? "Wir nennen es social engineering", so die Antwort. Über gehackte E-Mail-Accounts wird die Identität eines Nazis angenommen und los geht es mit der Kommunikation. Oder man "teilt" sich mit einem Nazi einen Account. "Klappt nicht immer, aber wenn, dann bringt dies viel." So muss die Autonome Antifa sich der rechten Kommunikation anpassen und aufpassen, dass man den USB-Stick ebenso strammdeutsch "Datenzäpfchen" und das Internet "Weltnetz" nennt, bevor man sich mit "MKG" ("Mit Kameradschaftlichen Gruß") verabschiedet. Es funktioniert. "Die Nazis haben manchmal keinen Schimmer, was sie da im Netz tun."
Am Freitag sonnt sich die Autonome Antifa ein bisschen im Lichte dieser Bilanz, warnt aber zugleich. Freiburg steht seit dem verhinderten NPD-Aufmarsch 2002 für eine nazifreie, tolerante Stadt. Darauf dürfe man sich nicht ausruhen, das verführe zu Mythenbildung, so die Autonome Antifa: "Auch wenn es verglichen mit der Ostalb und dem Rems-Murr-Kreis nur wenige Nazis in Südbaden gibt, es gibt sie trotzdem." Die Erinnerung an die eigenen Erfolge verblasse schnell, und der verhinderte Weiler Attentäter, gegen den derzeit ermittelt wird, trete heute wieder offen auf. Auch das weiß die Autonome Antifa.