In der Gewaltspirale

Erstveröffentlicht: 
24.01.2016

Wie Naziverbindungen der Polizei, eine langsame Justiz und CDU-Politiker politische Gewalt verschärfen

 

Nun sind sie also doch durch Connewitz gelaufen: Schon im Dezember kündigte die rechtsextreme Hooligangruppe »Brigade Halle« einen Sturm auf den linken Stadtteil an. Am 11. Januar machten 300 offenbar gut organisierte Neonazis diese Drohung wahr. Gemeinsam randalierten sie auf einem Teil der Wolfgang-Heinze-Straße.

 

Noch ist über ihre Identität kaum Belastbares bekannt. Das wird sich erst ändern, wenn die Prozesse wegen schwerem Landfriedensbruch und Sachbeschädigung eröffnet werden. Weil die sächsischen Gerichte chronisch überlastet sind, kann das allerdings dauern. Die teilweise jahrelange Verzögerung rechtsstaatlicher Aufklärung trägt selbst zur Verschärfung politisch motivierter Gewalt bei. Statt sich auf den Rechtsstaat zu verlassen, setzen einige auf Selbstjustiz.

 

Noch schwerer wiegt der stetige Vertrauensverlust in die Leipziger Polizei. Ständig tauchen neue Hinweise auf, dass einige der Beamten freundschaftliche Beziehungen zu gewalttätigen Neonazis unterhalten. Schon vor Monaten wurde die Verbindung zwischen Bereitschaftspolizist Fernando Vergara und dem Rechtsextremen Alexander Kurth bekannt. Damals hatte ein linkes Rollkommando Kurth überfallen und sein Handy gestohlen. Darauf fanden sich Chatprotokolle zwischen dem Polizisten und dem Nazi, die später im Internet veröffentlicht wurden. Am Montag des Überfalls von Connewitz gab offenbar einer der Beamten vertrauliche Informationen über ein kontrolliertes Auto linker Demonstranten samt aufgenommenen Personalien an Nazistrukturen weiter. Diesmal stellte die Leipziger NPD den Beweis ins Netz.

 

Die Konsequenz für Antifagruppen ist klar: Man kann sich nur selbst wirksam schützen und muss handgreiflich gegen Neonazis vorgehen, lautet grob zusammengefasst die Botschaft der auf einer Antifa-nahen Internetseite veröffentlichten Analysen. Fraglos wird der nächste Überfall auf einen NPD-Politiker oder Naziaktivisten dann auch die Rechtsextremen wieder zu konzertierten Aktionen provozieren. Beide Seiten müssen regelmäßig ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen, um weiter für ihre Anhängerschaft attraktiv zu bleiben. Das ist die Logik der Militanz.

 

Wirklich tragisch ist, dass Teile der sächsischen CDU diese Eskalationsspirale ständig weiter antreiben. Etwa die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla lehnte die symbolische Lichterkette am 11. Januar ab und kritisierte deren Ziele. Leipziger Prominenz und Stadtspitze wollten mit den Kerzen ein Zeichen setzen, unter anderem für ein Europa der offenen (inneren) Grenzen – einem Kernanliegen Helmut Kohls – und für eine demokratische Streitkultur. Nach dem Naziüberfall geißelte Kudla dann zuerst militante Linke. Das ist ein klares Signal: Wer nicht rechts ist, den greift Kudla an. Eine politische Führungsfigur, die derart polarisiert, bekämpft das Fundament für eine demokratische Debatte und sollte sich über die nächste Gewalttat nicht wundern.