Leipzig. Nach dem Angriff von rechtsradikalen Hooligans auf den linksalternativen Stadtteil Leipzig-Connewitz ermittelt die Polizei gegen 211 Tatverdächtige wegen schweren Landfriedensbruchs. Insgesamt registrierte die Polizei 57 Straftaten, unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungs-, Waffen-, Sprengstoff- und Betäubungsmittelgesetz. Die Angreifer, die zuschlugen während in Leipzigs Innenstadt eine Demo zum 1. Jahrestag der islamkritischen Legida-Bewegung stattfand, steckten Autos in Brand, zündeten Pyrotechnik und zerstörten Dutzende Schaufensterscheiben. Ersten Schätzungen zufolge entstand an rund 20 Geschäften und Lokalen ein Schaden in Höhe von mehreren Zehntausend Euro. Fünf Polizeibeamte wurden bei dem Einsatz verletzt.
Seit gestern früh befinden sich alle festgenommenen Randalierer wieder auf freiem Fuß. Ihre erkennungsdienstliche Behandlung, das Aufnehmen von Fingerabdrücken und Personalien habe die ganze Nacht gedauert, so die Polizei. Die Tatverdächtigen seien „zu einem nicht unerheblichen Teil“ als „rechtsmotiviert“ sowie „Gewalttäter Sport“ aktenkundig, berichtete Polizeisprecher Andreas Loepki. Nach Erkenntnissen der Ermittler handelte es sich um Anhänger vom Halleschen FC und von Lok Leipzig.
Der Fußball-Oberligist distanzierte sich gestern entschieden. „Wir verabscheuen diese Gewalttaten auf das Schärfste“, teilte der 1. FC Lok Leipzig mit. „Diese Kriminellen, die dort am Werk waren, sind keine Lok-Fans! Sie verkörpern nicht die Werte unseres Vereins – weder nach innen noch nach außen.“ Die Führung des Oberliga-Spitzenreiters kündigte an, dass Hausverbote gegen all diejenigen ausgesprochen würden, „die das Image unseres Vereins in aller Öffentlichkeit mit Dreck besudeln“.
Den Krawallen waren massive Gewaltaufrufe aus der rechtsradikalen Hooligan- und Kameradschaftsszene vorausgegangen. Deshalb steht der sächsische Verfassungsschutz in der Kritik. „Wie kann es sein, dass ein Mob von 250 gewaltbereiten Nazis Connewitz zerstört, ohne dass der Verfassungsschutz vor dieser rechten Gefahr warnt?“, fragte Sachsens SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe. Die Grünen-Fraktion forderte den Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wies die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Extremismusforscher Oliver Decker wertete die Hooligan-Krawalle als Versuch von Rechtsextremisten, Ängste in der Bevölkerung zu schüren. „Man sollte nicht unbedingt die Unterscheidung zwischen Hooligans und Rechtsextremisten treffen. Es gibt eine sehr hohe Überschneidung zwischen beiden Gruppen“, sagte der Experte von der Universität Leipzig. „Ich denke, das war der Versuch, an Orten, die bisher nicht als national befreite Zone oder Angstraum gelten, ein Gefühl der Bedrohung zu erzeugen.“
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bezeichnete die rechten Ausschreitungen als „offenen Straßenterror“. Er zähle darauf, dass der Rechtsstaat Konsequenzen folgen lasse. „Es gilt jetzt, ein Aufschaukeln der Situation zu verhindern.“ Laut Innenminister Markus Ulbig (CDU) sei es nur dem beherzten Eingreifen der Sicherheitskräfte zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist. „Es ist unerträglich und beschämend zugleich, dass es nicht einmal vier Wochen nach den letzten extremistischen Ausschreitungen erneut zu derartigen Gewaltexzessen in der Messestadt gekommen ist“, so Ulbig. „Fakt ist, dass der Extremismus von rechts und links insbesondere in Leipzig zunehmend ein Problem darstellt.“ Nach Ulbigs Angaben waren am Montag rund 3000 Polizisten aus zwölf Bundesländern in Leipzig im Einsatz.
Nachdem eine MDR-Info-Reporterin am Rande der Legida-Demonstration in Leipzigs Innenstadt ins Gesicht geschlagen worden ist, will der Radiosender seine Journalisten bei gefährlichen Einsätzen künftig von Sicherheitspersonal begleiten lassen. Gegen Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling ist bei der Leipziger Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gestellt worden. Festerling hatte am Montagabend auf der Demo aufgerufen, unter anderem „Eliten aus den Pressehäusern zu prügeln“.