Deutlicher Anstieg von Neonazi-Übergriffen in Sachsen

Erstveröffentlicht: 
20.01.2016

Die Zahl der rechtsextremen Straftaten hat in Sachsen deutlich zugenommen. Das geht aus der internen Bilanz des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) für 2015 hervor, die LVZ.de vorliegt. Verantwortlich für den Anstieg sind insbesondere Anschläge auf Asylunterkünfte sowie Drohungen und Übergriffe gegen Politiker und Behördenmitarbeiter.

 

Leipzig. Das Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei (OAZ) muss immer mehr Fälle bearbeiten: Im Vergleich zu 2014 sind die Ermittlungsverfahren wegen politisch motivierter Kriminalität um mehr als ein Drittel auf 242 Fälle gestiegen – verantwortlich ist vor allem eine starke Zunahme von Straftaten durch Neonazis. Gegen Rechtsextremisten wurden 208 Ermittlungsverfahren (2014: 159) eingeleitet. Die Zahl der linksradikalen Fälle stieg von 18 auf 34. Insgesamt ermittelte die Spezialeinheit im vergangenen Jahr in 330 Verfahren (2014: 292), wobei sich politisch motivierte Straftaten bei einem Teil nicht nachweisen ließen, sagt OAZ-Chef Bernd Merbitz, zugleich Leipziger Polizeipräsiden.

 

Die Aufklärungsquote der Merbitz-Truppe liegt deutlich über dem sächsischen Durchschnitt: Wird im Freistaat beispielsweise nur jeder vierte Autodieb und jeder fünfte Einbrecher geschnappt, sind es bei Neonazis und Linksautonomen immerhin knapp zwei Drittel der Täter. „Dabei sind die Ermittlungen häufig kompliziert, umfangreich und langwierig“, so der OAZ-Chef.

 

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) lobt: „Das Operative Abwehrzentrum leistet ausgezeichnete Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit. Insbesondere bei Angriffen auf Asylunterkünfte sowie auf Amts- und Mandatsträger, die im vergangenen Jahr verstärkt zu verzeichnen waren, hat es sich bewährt, Kompetenzen zentral zu bündeln.“ Allein zwischen Januar und September 2015 – aktuellere Daten will das Ministerium erst später veröffentlichen – wurden 66 Angriffe auf Asylunterkünfte registriert. Im gesamten Jahr 2014 waren es 27.

 

„Fremdenfeindliche und neonazistische Straftaten sind sachsenweit das weitaus größere Problem“, stellt Merbitz klar, „der Rechtsextremismus hat sich flächendeckend ausgebreitet, während sich die Linken im Wesentlichen auf Leipzig konzentrieren.“ Neonazis würden jede Gelegenheit nutzen, um die Stimmung gegen Fremde zu verschlechtern, warnt der OAZ-Chef. Daneben sei bei den Linksextremen eine Verschiebung festzustellen: „Gewalt erscheint wieder vermehrt als legitime Protestform. Insbesondere Polizisten sind immer wieder eine Zielscheibe.“ Das Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt: Die Neonazi-Szene erlebe einen Zulauf wie seit vielen Jahren nicht mehr, so Behördenchef Gordian Meyer-Plath – „beim Rechtsextremismus ist gegenwärtig kein weißer Fleck auf der sächsischen Landkarte erkennbar. Die Straftaten aus diesem Bereich nehmen deutlich zu.“

 

Für das Operative Abwehrzentrum, das bundesweit einzigartig ist und unter anderem als Konsequenz aus den NSU-Ermittlungspannen gegründet wurde, arbeiten rund 120 Spezialisten an fünf Standorten. Auf deren Konto gehen unter anderem das Verbot der Nationalen Sozialisten Döbeln, der Schlag gegen das Deutsche Polizei Hilfswerk sowie die Festnahmen führender Neonazis. OAZ-Chef Merbitz legt allerdings Wert darauf, dass seine Gruppe nicht nur auf diese großen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen fokussiert ist: „Wir müssen die Strukturen durchschauen. Und wir müssen gewährleisten, dass auf jede extremistische Straftat eine polizeiliche Reaktion erfolgt.“

 

Von Andreas Debski