Dresden - Die PEGIDA-Bewegung bleibt ein Fall für die Wissenschaft. Nun haben Politikwissenschaftler der TU Dresden die nach eigenen Angaben erste systematische Analyse von PEGIDA auf Basis vorliegender Studien vorgelegt.
Die These von Professor Hans Vorländer (61), Dr. Steven Schäller (39)
und Maik Herold (34): PEGIDA ist eine rechtspopulistische
Empörungsbewegung, die fremdenfeindliche und islamkritische Vorurteile
artikuliere. Sie hetze zudem gegen die politische und mediale Elite.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- PEGIDA ist keine einheitliche Bewegung. PEGIDA Dresden sei etwas
anderes als deren Ableger. „Diese sind vielerorts durch rechtsextreme
oder neonazistische Trägergruppen gekennzeichnet“, so Vorländer.
- Emotionalität, Konfrontationsgestus und inszenierte Entrüstung seien
ähnlich zu anderen, linken Bewegungen wie „Occupy Wallstreet“. Es gehe
darum, die Macht auf prominenten Plätzen zu erringen, Bilder mit
Symbolwert wie vor der Semperoper zu produzieren.
- PEGIDA als Ritual: „Es geht um Schaffung von Gemeinschaft. Wir
wissen von Teilnehmern, dass es für sie wie eine Wallfahrt ist“, so
Vorländer. Einsamkeit und gefühlte Ohnmacht könne dort im Kreis
Gleichgesinnter kompensiert werden. Viele Teilnehmer hörten Rednern gar
nicht zu, sondern würden sich vor allem untereinander austauschen.
- Hochburg Sachsen: Im Freistaat werde ein "Ethnozentrismus" gepflegt, also die Vorstellung vom Vorrecht für Einheimische. Dazu käme die Abwertung des Fremden.
Vorländer: „Es ist schwierig, in Dresden anerkannt zu werden, auch wenn man schon 25 Jahre hier lebt.“
So
fänden sich bei PEGIDA kaum Westdeutsche. Bei den Gegenprotesten dafür
viele Zugezogene. Hinzu käme ein sächsischer Chauvinismus: Die
großartige Vergangenheit Sachsens sei auch nach der Wende von der
hiesigen Politik betont worden. Das setze sich fest.
„Dresden
ist eine sehr, sehr konservative Großstadt und ist ein ganz besonderes
politisches Biotop“, so Vorländer weiter. Dresden sei mehr Mythos als
wirklich Stadt, selbstzufrieden und -verliebt.
Zum Erfolg von
PEGIDA trage zudem die große "Reserviertheit gegenüber dem westdeutschen
politischen System und den westdeutschen Medien“ bei.
Die Zukunft von PEGIDA
Zuletzt
habe es deutliche Veränderungen gegeben: Eine Radikalisierung der
Rhetorik durch offenen Rassismus bei Rednern, Verrohung auf der Straße,
Gewalt am Rande. „Die Metapher des Ausmistens lässt sich durchaus als
Aufruf zum Systemumsturz verstehen“, so Vorländer.
PEGIDA sei
durch die Flüchtlingskrise ein zweites Leben eingehaucht worden und sei
jetzt klar eine Anti-Flüchtlingsprotestbewegung. Die Krise scheine
PEGIDA eine Berechtigung zu geben. Solange sie anhalte, werde PEGIDA
bleiben. „Langfristige strategische Ziele sind nicht zu erkennen“, so
Schäller.
Aber: „Das politische Feld ist schon bestellt, da ist
kein Platz für eine PEGIDA-Partei“, so Vorländer. Zuletzt suchte PEGIDA
offen die Nähe zur AfD. Das Problem der Bewegung: „Sie hat sich durch
Reden selbst in die rechtspopulistische, teils rassistische Ecke
gestellt. Damit ist sie im öffentlichen Raum nicht satisfaktionsfähig.“
Heißt konkret: PEGIDA hat sich als Gesprächspartner disqualifiziert.
Das Buch „PEGIDA. Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung“ kostet 24,99 Euro. Es ist bereits vergriffen und wird derzeit nachgedruckt.