Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ hatte am 15. und 16. Januar zu einer Strategiekonferenz in die Räumlichkeiten der Technischen Universität (TU) geladen, um einerseits die Vernetzung zwischen politischen Akteurinnen und Akteuren sowie das Entwickeln von Gegenstrategien zu PEGIDA und den aktuellen Rechtstrend voranzutreiben. „Anders als in Aktionsformen einzelner Bündnisse ist es erst auf einer breit angelegten Konferenz möglich, längerfristige Strategien zu entwickeln, die auf mehreren Ebenen und parallel zueinander von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen initiiert und getragen werden“, so der Einladungstext. Zur Konferenz selbst hatten sich über 200 Menschen angemeldet, um gemeinsam in einer der 13 Untergruppen Programmpunkte zu erarbeiten, sich auszutauschen und kennenzulernen.
Schon das Eingangsreferat von Jennifer Stange, einer Journalistin aus Leipzig, barg Zündstoff. Sie beleuchtete in ihrem Vortrag die mediale Außenwirkung der Proteste gegen PEGIDA, denen sie bis auf wenige Ausnahmen bescheinigte, marginal zu sein und in der überregionalen Presse so gut wie nicht vorzukommen. Auch attestierte sie weiten Teilen der Presselandschaft, dem Druck einer rechten Gegenöffentlichkeit in Teilen nachgegeben zu haben, indem die politische Rechte immer öfter zum Stichwortgeber für Debatten und Artikel geworden ist, bis schließlich mit den Vorfällen zu Silvester in Köln eine ganze Reihe journalistischer Standards fallen gelassen wurden. Auch an den Gegenprotesten sparte Stange nicht mit Kritik.
Aus der Erkenntnis heraus, dass PEGIDA nicht nur ein Dresdner Phänomen ist, sondern zum Ausdruck einer bundesweiten Bewegung wurde, fehlt es den Gegenprotesten noch immer an einer konkreten Analyse. Wortcontainer wie „Wir sind bunt“ dienten oftmals mehr der Selbstvergewisserung und Täuschung, als dass sie tatsächlich wichtigen Boden in der Debatte besetzen würden; auch ein Adressat des Gegenprotestes sei ihrer Ansicht nach nicht auszumachen. Stattdessen werden auf Seiten der Gegendemos teilweise auch fragwürde Bilder wie das der „Säuberung“ während der Kehraktionen bemüht, die fast direkt aus der NS-Zeit stammen könnten.
Auch der Ethnologe Felix Riedel, der den zweiten Einführungsvortrag hielt, ging mit der Dresdner Stadtgesellschaft hart ins Gericht. So ist es für ihn symptomatisch, dass sich aus einer „pseudoaufklärerischen Haltung heraus“ mit empirischen Methoden von Seiten Dresdner Politikwissenschaftler PEGIDA gewidmet wird, statt die Frage nach Ideologie und gesellschaftlichen Kontinuitäten zu stellen oder gar selbst einen politischen Standpunkt zu vertreten. PEGIDA ist für ihn eine konformistische Revolte, die ihren Anhängerinnen und Anhängern in einer ritualhaften Kontinuität Selbstvergewisserung und Zugehörigkeit bietet. Für Felix Riedel ist es nur folgerichtig, dass die Dehumanisierung von Geflüchteten bei PEGIDA und ihren Gesinnungsgenossen nur die Konsequenz einer deutschen Politik ist, die durch Abschottung und Grenzsicherung das massenhafte Sterben von Menschen an Europas Außengrenzen aktiv unterstützt.
Für den Samstag waren dann die Workshops angesetzt, an denen etwa 150 Personen teilnahmen. Zu den durchaus spannenden Themen gehörten unter anderem „Der Autoritäre Charakter – Wie wird man zum Nationalisten?“, „Versagen gesellschaftliche Selbstregulierungsprozesse?“, Analysen zum Sprachgebrauch, „Umgang der Medien mit Pegida“ und viele mehr. Die Workshops waren zweigeteilt. So gab es zu Beginn eines jeden Workshops ein Eingangsreferat einer Person, zumeist aus dem Wissenschafts-, Kultur- oder Politikbetrieb, daran schloß sich der Teil Problemanalyse an, um dann später am Samstagnachmittag gemeinsam Lösungsansätze zu diskutieren.
In einem kurzen und ersten Fazit berichtet das veranstaltende Bündnis von den Ergebnissen der Workshops und kommenden Aufgaben. Dafür sollen künftig eigene politische Inhalte mehr in den Fokus rücken. Zudem müssen die gesellschaftlichen Zustände aus denen PEGIDA hervorgegangen ist, von den Gegeninitiativen stärker thematisiert und kritisiert werden. Ein anderes wichtiges Ziel ist es, eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit der Initiativen gegen PEGIDA zu entwickeln, um als Stimme im medialen Protestgeschehen lauter zu werden.
Letztlich kann es nicht darum gehen, den „Ruf“ von Dresden retten zu wollen oder aus linker Sicht eine Imagekampagne zu initialisieren, sondern die städtischen Realitäten knallhart mitzugestalten. Dabei macht es keinen Sinn, von der vermeintlich eigenen Gewaltfreiheit zu reden, während zugleich die PEGIDA-Proteste und gesellschaftlichen Realitäten gewaltvoll sind und auch immer wieder zu physischer Gewalt führen.
Für viele der Teilnehmenden steht auch immer noch die ungeklärte These im Raum, ob auch innerhalb von PEGIDA und den Gegenprotesten die Kontinuität eines ungebrochenen Dresdner Opfermythos vorherrscht. Deswegen ist es für die Gegenproteste umso wichtiger, sich der eigenen Rhetorik zu vergewissern und nicht den Fehler zu machen, sich oder die Stadt Dresden als Opfer der PEGIDA-Bewegung zu wähnen. Das Bündnis zog insgesamt ein gemischtes Fazit, denn „insbesondere Sportvereine, Hilfsorganisationen oder Lobbyvereine sind unserer Einladung nicht gefolgt“, weshalb es in puncto Mobilisierung und Vernetzung durchaus noch Potential gibt. Dennoch wurde nach Meinung vieler inhaltlich ein Schritt nach vorn getan und erstmals wurden auch Problemstellungen und konkrete Zwischenziele benannt. Um diese jedoch zu erreichen, werden „Dresden-Nazifrei“ und die teilnehmenden Bündnisse und Gruppen auf die Hilfe aller solidarischen Menschen in Dresden angewiesen sein.
Weiterer Bericht zur Konferenz: Keine „Zauberformel“ gegen Pegida