Nach den Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz steht Sachsens Verfassungsschutz weiter in der Diskussion: Die Sozialdemokraten haben sich mit dem Verfassungsschutzpräsidenten Gordian Meyer-Plath getroffen, um künftig Fehleinschätzungen zu vermeiden. Vorher hatte die CDU als Koalitionspartner entsprechende Vorwürfe zurückgewiesen. So verteidigte Innenminister Markus Ulbig die Arbeit der Behörde, die ihm zufolge "keine Glaskugel" habe.
Bei einer Fraktionssitzung am Donnerstag hat die SPD den Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, zu den jüngsten Ereignissen in Leipzig-Connewitz befragt. Die Büroleiterin des Fraktionschefs, Christiane Kless, sagte angesprochen auf Gesprächsergebnisse: "Wir möchten darüber nicht weiter Auskunft geben. Nur soviel: Es besteht weiterer Gesprächsbedarf." Ein weiterer Termin mit Meyer-Plath sei aber noch nicht vereinbart.
Pallas: Keine ausreichenden Hinweise
Im Vorfeld des ersten Treffens hatte der innenpolitische Sprecher der SPD, Albrecht Pallas, MDR SACHSEN gesagt: "Es geht darum, in Zukunft konkretere Informationen und bessere Einschätzungen des Verfassungsschutzes zu bekommen." Pallas bezog sich dabei auf die letzten Ausschreitungen in Leipzig Connewitz. Am Montag hatten 211 Hooligans randaliert. "Im Internet konnte man im Vorfeld gut nachlesen, dass sich die rechte Szene mobilisiert", so Pallas. Allerdings habe die Behörde nur konkrete Hinweise für Attacken aus der linken Szene geliefert. Der SPD-Politiker gab sich dennoch konstruktiv: "Wir möchten bei dem Treffen am Donnerstag offensiv das Gespräch suchen, wie solche Fehleinschätzungen in Zukunft vermieden werden können."
Im Internet konnte man im Vorfeld gut nachlesen, dass sich die rechte Szene mobilisierte. Der Verfassungsschutz hat aber nur konkrete Hinweise für Attacken aus der linken Szene geliefert.
Albrecht Pallas, Innenpolitischer Sprecher der SPD
Ulbig: "Verfassungsschutz hat keine Glaskugel"
Innenminister Markus Ulbig zeigte sich hingegen zufrieden mit der Arbeit
des Verfassungsschutzes. Im MDR SACHSENSPIEGEL sagte er am Dienstag:
"Der Verfassungsschutz hat keine Glaskugel. Er kann nicht ganz konkret
bestimmen, an welchem Ort und in welcher Dimension etwas passiert." Es
habe aber durchaus die Information gegeben, dass es eine Mobilisierung
in der Hooligan-Szene gebe. Die Polizei sei entsprechend vorbereitet
gewesen und habe konsequent gehandelt.
Der Sprecher des
Landesamtes für Verfassungsschutz, Martin Döring, teilte dem MDR am
Dienstag auf Anfrage mit, es seien am 7. und 8. Januar Lagebilder
erstellt worden. "Die Analyse des LfV Sachsen ging davon aus, dass mit
der Teilnahme von zahlreichen Rechtsextremisten, insbesondere aus dem
subkulturellen, gewaltbereiten Milieu und der Hooligan-Szene zu rechnen
sein wird, wobei die Teilnahme von Personen aus der subkulturellen
Hooligan-Szene zu einer erheblichen Steigerung des gewaltbereiten
Personenpotenzials in Leipzig beitragen werde", so Döring.
Grüne fordern Rücktritt von Meyer-Plath
Die sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe hatte dem sächsischen Verfassungsschutz am Dienstag Versagen vorgeworfen: "Wie kann es sein, dass ein Mob von 250 gewaltbereiten Nazis Connewitz zerstört, ohne dass der Verfassungsschutz vor dieser rechten Gefahr warnt?" Eine öffentliche Debatte sei nötig. Die Grünen-Fraktion im Landtag hatte am Dienstag bereits den Rücktritt von Meyer-Plath gefordert. Es sei nicht das erste Mal, dass der Verfassungsschutz von nichts gewusst habe oder sich in massiven Fehleinschätzungen ergehe, so Innenexperte Valentin Lippmann.
Jung: Fünf Minuten Internetrecherche reichen
Schon nach den autonomen Krawallen vom 12. Dezember 2015 in Leipzig hatte es Kritik am Verfassungsschutz gegeben. Damals hatte der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung gesagt, die Lageeinschätzung, die die Behörde vorab an die Stadtverwaltung gegeben hatte, hätte jeder in fünf Minuten im Netz recherchieren können. Auch um diese Vorfälle sollte es Pallas zufolge gehen.
Leipziger Polizei rechnet mit weiterer Gewalt
Die Leipziger Polizei rechnet nach den rechten Ausschreitungen im Stadtteil Connewitz mit weiterer Gewalt, will die Streifenpräsenz aber nicht erhöhen. Das habe bei solchen Gewaltexzessen von Rechts- oder Linksextremisten keinen Sinn, sagte Polizeisprecher Andreas Loepki am Mittwoch. "Wir brauchen vor allem eines: Eine bessere Informationsgewinnung und Informationserhebung, um solche Brennpunkte zu erkennen und zeitnah in der Nähe zu sein." Die Polizei setzt auf Hinweise des Verfassungsschutzes. Zudem durchforsten Experten des Staatsschutzes der Leipziger Polizei das Internet.