Sascha Lange hat oppositionelle Jugendbewegungen während der NS-Zeit erforscht. Am Montag wurde auch er von der eskalierenden rechten Gewalt im Szene-Viertel Connewitz überrascht. LVZ.de sprach mit dem Leipziger über die Ereignisse.
Der Historiker Sascha Lange (44) hat oppositionelle Jugendbewegungen während der NS-Zeit erforscht. In seinem Buch über die sogenannten Leipziger Meuten beschreibt er deren Widerstand gegen die Hitlerjugend in der Messestadt. Am Montag wurde auch Lange von der eskalierenden rechten Gewalt im Szene-Viertel Connewitz überrascht. LVZ.de sprach mit dem Leipziger über die Ereignisse.
In Connewitz hat am Montagabend der rechtsradikale Mob gewütet. Das gab es in dieser Form lange nicht.
Sascha Lange: Überfälle durch Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche, Wohngemeinschaften und Kulturhäuser gab es zu Beginn der 1990er Jahre in Leipzig leider wöchentlich. Das selbsterklärte Ziel war die Schaffung einer „national befreiten Zone“. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Überfall auf die Stockartstraße am 27. Oktober 1990 durch etwa 100 Rechtsradikale, wo Fenster zerstört und Brandsätze geworfen wurden. In dem Ausmaß, wie es sich allerdings an diesem Montag abgespielt hat, ist mir aus dieser Zeit jedoch keiner bekannt. Wir müssen darum davon ausgehen, dass es der massivste Überfall von Rechtsradikalen auf Geschäfte und Wohnhäuser in Leipzig seit dem Novemberpogrom 1938 war.
Müssen wir fürchten, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen um Connewitz der 1990er Jahre zurückkehren?
Sascha Lange: Der rechte Überfall stellt in jedem Fall eine weitere Eskalation dar. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass jetzt wieder wöchentliche Überfälle auf nicht-rechte Jugendliche und Haus- und Kulturprojekte zu befürchten sind. Und ich hoffe es vor allem. Die Polizei hat es immerhin geschafft, mehr als 200 der Angreifer festzusetzen. Damit ist mutmaßlich ein Großteil des mobilisierbaren rechten Gewalttäterklientel aus der Region zumindest aktenkundig und das nicht zum ersten Mal. Die Justiz muss nun zeigen, wie ernst sie solche rechtsradikalen Überfälle nimmt, die ja eine elementare Gefährdung des Rechtsstaates darstellen.
Sie haben zu Jugendopposition in der NS-Diktatur geforscht. Wie sollte Leipzig jetzt auf die Gewalt von Rechts reagieren?
Sascha Lange: Indem die Verantwortlichen in Stadt und Land das Problem mit Rechtsradikalismus endlich mal zur Kenntnis nehmen und nicht kleinreden, schon gar nicht mit der relativierenden und fachlich ungenauen Extremismustheorie. Wenn unser Oberbürgermeister Burkhard Jung den Überfall vom Montag treffend als „Straßenterror“ bezeichnet, muss er auch erkennen, dass der Angriff durchaus politisch motiviert war und ihn entsprechend verurteilen. Gefragt sind auch die vielfältigen politischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte in Leipzig und da helfen nicht nur Lichterketten. Der Überfall in Connewitz war keine Auseinandersetzung von rivalisierenden Fußballfans, sondern ein politisch motivierter, rechtsradikaler Angriff. Und letztlich stellt sich natürlich auch wieder einmal die Frage, ob der sächsische Verfassungsschutz überhaupt noch arbeitsfähig ist, wenn er solch eine im Vorfeld umfangreich geplante Aktion nicht verhindern kann.