54 Milliarden Dollar für AKW - Obama empört Umweltschützer

Erstveröffentlicht: 
02.02.2010

US-Präsident Obama will den Bau von Atomkraftwerken mit 54 Milliarden Dollar fördern – die Krönung einer dauerhaften Lobbyarbeit der Atomindustrie.

 

Bei ihren Kampagnen für die Wiederbelebung der Atomenergie setzen sie auf drei Leitmotive: "patriotisch", "grün" und "klimafreundlich". Jetzt zeigt sich, dass sich die Anstrengungen der Lobbyisten gelohnt haben. "Ich begrüße die Absicht des Präsidenten außerordentlich", jubelt Marvin Fertel, der Chefvorsitzende der Washingtoner Lobbyorganisation "Nuclear Energie", nach Obamas Rede.

 

Die Eiszeit für die Atomindustrie in den USA ist beendet. So zumindest sieht es aus. Nach mehr als drei Jahrzehnten, während deren kein einziges neues AKW in Auftrag gegangen ist, hat jetzt ein US-Präsident neue Perspektiven für die Branche eröffnet. In seinem Haushalt will Barack Obama die staatlichen Garantien für Atomkraftwerke verdreifachen. 54 Milliarden US-Dollar will er bereitstellen, um "eine neue Generation von sicheren, sauberen Atomkraftwerken in diesem Land" zu bauen.

 

Für seine Ankündigung hat der Präsident exakt jene Stichwörter gewählt, die die LobbyistInnen der Atomindustrie benutzen. Seit zehn Jahren haben sie ihre Einflussnahme auf die MeinungsführerInnen in Washington verstärkt. Sie haben dabei Millionen für Reklame, für die Unterstützung der Wahlkampagnen von PolitikerInnen (davon 60 Prozent für demokratische KandidatInnen) und für Studien ausgegeben.

 

Es war nicht unbedingt absehbar, dass Obama derjenige Präsident werden würde, der das Rufen der Atomindustrie nach einer neuen Generation erfüllen würde. Seit sein Amtsvorgänger George W. Bush die Atomenergie als "Pfeiler der Energiepolitik" der USA bezeichnet hatte, war in der Branche neue Hoffnung aufgekommen. Ab 2007 stellte sie insgesamt 17 Anträge auf Baugenehmigungen für neue Reaktoren.

 

Doch der atomsichere Kandidat für die Präsidentschaft der USA schien der Republikaner McCain zu sein. Denn der hatte in seinem Wahlkampf den Bau von 45 neuen AKWs bis zum Jahr 2030 angekündigt: um die Abhängigkeit von ausländischem Öl sowie die Emission von Treibhausgasen zu senken, während der Demokrat Obama sich skeptisch gab. Er warf McCain unter anderem vor, keinen Plan für den Atommüll zu haben.

 

Nun haben Rezession und Arbeitslosigkeit einerseits, die Klimakonferenz von Kopenhagen andererseits, dem Präsidenten Obama neue Argumente geliefert. Der Demokrat aus dem Bundesstaat Illinois, wo besonders viele Atombetreiber ansässig sind, wird jetzt von UmweltschützerInnen in seinem eigenen Lager kritisiert. Aber Oppositionspolitiker beglückwünschen ihn. Der republikanische Senator Lindsay Graham aus South Carolina jubelt: "Wir haben eine einmalige Gelegenheit". Lisa Murkowski, republikanische Senatorin aus Alaska, lobt: "Ein guter erster Schritt in Richtung Ausbau der Atomenergie."

 

Im Hintergrund steht für Obama unter anderem das Klimagesetz. Dieses durchzubringen ist schwieriger geworden, denn seit dem Verlust des Wahlkreises von Kennedy in Massachusetts verfügen die Demokraten im Senat nicht mehr über die 60-Prozent-Mehrheit, die Gesetzesprozesse deutlich beschleunigen kann.

 

Die USA sind mit 104 in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken der weltweit größte Produzent von Atomenergie. 69 davon sind Druckwasserreaktoren, die meisten anderen Siedewasserreaktoren. Hinzu kommen 16 stillgelegte AKWs aus der ersten Generation. Die Energieproduktion aus diesen AKWs ist auch in den Jahrzehnten der Eiszeit weiter gestiegen. Das lag vor allem daran, dass einige bereits Anfang der 70er-Jahre beschlossene AKWs erst in den 80er-Jahren an die Leitung ging. Damals war, infolge des Unfalls im AKW von Three Mile Island im März 1979, das Atomprogramm in den USA bereits gestoppt.

 

Doch trotz der gestiegenen Produktion decken AKWs heute in den USA nur knapp 20 Prozent des Energiekonsums. Im Verhältnis zu Deutschland (mehr als 25 Prozent) und dem hoch atomstromabhängigen Frankreich (mehr als 75 Prozent) ist das nicht viel. Die Branche will mehr. Sie will nicht nur die Laufzeit der alten AKWs verlängern, sondern ihren Park modernisieren und ihren Anteil an der Stromproduktion erhöhen. Interessiert an dem Milliardengeschäft in den USA ist auch die deutsch-französische Atomindustrie. Der European Pressurized Reactor, EPR, den Areva zusamen mit der deutschen Siemens entwickelt hat, ist für mehrere Standorte in den USA im Gespräch.

 

Die US-amerikanische Anti-AKW-Bewegung, die in den 70er-Jahren stark war und weltweit ausstrahlte, hat zuletzt viel von ihrer Militanz eingebüßt. Seit Präsident Obama seine atomaren Absichten angekündigt hat, haben tausende AtomkritikerInnen in die Tasten getippt, um Protestmails an das Weiße Haus zu schicken. Vielleicht ist auch das ein neuer Anfang.