Leipzig: Fight Back – Rechte Strukturen zerschlagen

Demo Leipzig

Während am Montag 3500 beim Aufmarsch von LEGIDA/PEGIDA in der Leipziger Innenstadt rassistische Hetze verbreiteten und ca. 2000 Menschen dagegen auf die Straße gingen, nutzten ca. 250 Nazis und Rassist*innen die Situation aus und griffen im Leipziger Stadtteil Connewitz mehrere Ladengeschäfte, Kneipen, einen Imbiss, das Vereinslokal des antirassistischen Fußballvereins „Roter Stern Leipzig“ und mehrere Wohnungen an. Außerdem wurden mehrere Menschen verletzt, die sich nicht rechtzeitig in Schutz bringen konnten. Der Angriff erfolgte zu einer Zeit, als ein Großteil der antirassistischen und antifaschistischen Stadtteilbewohner*innen die Gegenproteste in der Innenstadt unterstützen.

 

Dabei rechneten die Nazis offensichtlich jedes Geschäft, Auto und jede Mülltonne in der Wolfgang-Heinze-Straße der antifaschistischen Szene zu und zerstörten wahnhaft alles, was auf ihrem Weg lag. Während die Ermittlungsbehörden den Kreis der Täter auf das Hooliganspektrum von LOK-Leipzig und des Halleschen FC reduzieren, wurde anhand von Autokennzeichen schnell deutlich, dass bundesweit zu der Aktion mobilisiert wurde, unter anderem aus dem Leipziger Umland, Dresden, Berlin, Dortmund sowie aus Österreich. Da der Autotreffpunkt der Nazis glücklicherweise recht schnell ausgemacht wurde, konnte deren „gute Heimreise“ zum Teil erfolgreich erschwert werden.


Dass die Polizei in Anbetracht der Umstände im Vorfeld nichts von dem Spektakel mitbekommen haben soll, ist wenig wahrscheinlich. Dass Zivilpolizisten im Umfeld des Aufmarsches durch Connewitz gesehen wurden, lässt schlimmeres vermuten. Nachdem der Mob einmal durch Connewitz gelaufen war und die Wolfgang-Heinze-Straße komplett verwüstete, scheiterte der erfolgreiche Abschluss an der Dummheit und Unentschlossenheit des Haufens Rassist*innen und dreißig Cops, die sie vor dem Polizeiposten einkesselten. Infolge dessen wurde 211 von ihnen ID-behandelt und Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs aufgenommen.


Als Antifaschist*innen aus der Innenstadt versuchten sich den Nazis entgegen zu stellen, ging die Polizei mit außerordentlicher Gewalt gegen diese vor. Es wurde massiv Tränengas eingesetzt und Beamte prügelten wild auf Antifaschist*innen ein. In Folge dessen kam es zu schweren Verletzungen durch die Schläge und Tritte der Polizei. Hinzu kamen willkürliche Personalkontrollen von Anwohner*innen während gleichzeitig die Autos der Nazis geschützt wurden. Die Polizeiarbeit endete schließlich bei der Absicherung der noch verbliebenen Nazi-Pkws und deren Abreise. Nach dem Abzug der Polizei und nachdem die Nazis in die Wache gebracht wurden, fanden Bewohner*innen des Stadtteils einige Beweismittel, die die Polizei wohl aus Versehen übersehen hat, unter anderem verschiedene Tatwerkzeuge: ein Messer, Sturmhauben und geworfene Steine.


Die rassistische Organisierung und Mobilisierung findet in Sachsen gegenwärtig ihren bundesweiten Höhepunkt. Seit knapp drei Jahren befinden sich rassistische Bewegungen wie PEGIDA/ LEGIDA, Nein zum Heim, AFD und ähnliche reaktionäre Organisationen großer Beliebtheit. Der liberale Diskurs um Willkommenskultur lenkt von den gesellschaftlichen Ursachen von Rassismus und Ausgrenzung ab. Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus und die zunehmende Verarmung der Menschen im europäischen und globalen Maßstab sowie der Konkurrenzkampf kapitalistischer Inwertsetzung reduziert das Individuum auf seine Funktion als Ware Arbeitskraft. Weltweit ist die erfolgreiche Alternative auf die Moderne dominiert durch regressive Bewegungen. Der Islamismus ist genauso wie der rassistische Roll-back in Europa eine dieser mit aller Vehemenz zu bekämpfenden regressiven Entwicklungen. Die radikale Linke muss sich als die emanzipatorische Gegenkraft zu dieser politischen Entwicklung organisieren und diese erfolgreich zerschlagen.


Auch wenn der gestrige Angriff auf die Wolfang-Heinze-Straße ein deutliches Warnsignal für die radikale Linke und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen sein sollte, nützt es nicht, in Kiezromantik und Bewahrung des Mythos Connewitz zu verfallen. Die Aktion des Nazis und Rassist*innen hatte das Ziel, diesen Mythos zu brechen und dies um den Preis der eigenen Unversehrtheit und dem Leben der Bewohner*innen des Stadtteils. Trotz dessen ist ein Angriff auf „uns“ nur ein Kollateralschaden im Vergleich zu der anhaltenden hohen Zahl von rassistischen Übergriffen und Brandschlägen der letzten Jahre. Sich in der aktuellen Situation auf die Verteidigung des eigenen Kiezes und damit der eigenen Privilegien zu beschränken, würde den Nazis nachträglich zu mehr Erfolg verhelfen als deren kopflose Aktion jemals entfalten könnte.


Eine solidarische linksradikale Antwort muss den rassistischen Konsens brechen und in Kauf nehmen, dass sie dafür zum Ziel der gesellschaftlichen Reaktion macht. Wenn nun Bürgermeister Jung und CDU-Kudla vor Gewaltspiralen warnen, dann zeugt dies nicht nur von völligem Unverständnis der Geschehnisse und einem naiven Festhalten an längst suspendierten bürgerlichen Standards „gewaltfreier Kommunikation“. An der Verabschiedung dieser Ideologie haben von Vertreter*innen der hiesigen Landesregierung über Hetzer im bürgerlichen Gewand bis hin zu PEGIDA & CO einen nicht allzu geringen Anteil. Das nun einer der wenigen Orte in Sachsen, der sich dieser Entwicklung kollektiv und solidarisch entgegen stellt, zum Ziel der Angriffe wird, liegt auch in der Verantwortung jener, die mit Extremismusideologie seit Jahren gegen den Stadtteil Connewitz und seine Bewohner*innen hetzen. Unsere Antwort heißt darum nicht nur: Solidarität mit jenen, die aufgrund von alltäglichem Rassismus von Mob und Staat um ihr Leben fürchten müssen, sondern auch: Konsequenter Antifaschismus gegen jene, die versuchen diese Solidarität anzugreifen, in den Dreck zu ziehen und kriminalisieren.

 

Fight Back – Rechte Strukturen zerschlagen

20 Uhr Leipzig-Connewitz; Herderpark (Wolfgang-Heinze-Straße Ecke Herdestraße)

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Ich habe Klärungsbedarf und erhoffe mir an dieser (oder anderer) Stelle ein paar Antworten. Zunächst, ich bin seit 15 Jahren in Connewitz zuhause und habe vorher in der brandenburgischen Provinz gelebt. Ich bin also von klein auf an rechtes Gesocks gewöhnt und habe mich immer im linken Spektrum bewegt und offen meine Meinung vertreten.  Nun gibt es im (speziell) letzten Jahr ( ich weiß, das Thema war nie weg) genug Anlass Gesicht zu zeigen. Dass das WIE dabei derart diskutiert wird, innerhalb einer grundgedanklich nahen Gruppe, das verstehe ich nicht. Die Präsenz der Antifa und ihre Aktivitäten haben sicher entscheidend dazu beigetragen,  dass unser Kiez ( und andere)  No go - Area für Nazis ist, ja. Gut so. Aber welche Dynamik steht dahinter? Die kommen deshalb nicht ( oder nur mit so Weicheimethoden wie Montag, warten, bis alle weg sind, schnell durchflitzen und sich dann husch von den Bullen schützen lassen) nach Connewitz,  weil h sie Schiss haben. Aber ist es nicht ein ähnliches Prinzip,  wenn  patriarchaische Eltern die Hand gegen ihre Kinder erheben, damit sie sich so/ oder so nicht verhalten?  Ist tatsächlich schon einmal ein Nazi davon schlauer geworden,  dass er auf die Mütze bekommen hat? Wie gesagt,  ich verurteile diese Art des antifaschistischen Handelns nicht, sehe aber auch keinen richtigen Lösungsansatz darin. Vielleicht werden ein paar Mäuler gestopft und die Rechten ziehen sich ein Stück zurück, aber die braune Suppe in deren Köpfen blubbert weiter. 

Nun wird im Gegenzug über die "Lichterkettengutmenschen" gemeckert. Bringt nichts.  Peinlich. Albern. Werden vom Staat instrumentalisiert. Ich nehme an sowas teil, weil solche Aktionen ein Gegengewicht zur Masse der anderen Seite darstellt - in echt, jeder einzelne,  aber ganz klar auch in Zahlen. Und dass die Zahl der -gidioten immer kleiner wird, hängt meiner Meinung nach weniger damit zusammen,  dass die nicht winterfest sind, als mit dem Gefühl vieler "besorgter Bürger ",  dass man so rechts dann doch nicht sein mag. Die Dummheit Bachmanns & Co , die Hetzreden, die widerlichen Parolen und Forderungen.. Am effektivsten demontiert sich die -gidioten - Bewegung selbst. Aber dass es Leute gibt, die in der Familie,  auf der Arbeit,  im Freundeskreis,  in der Öffentlichkeit und auf der Straße sagen/ zeigen, dass sie Rassismus ablehnen,  leistet ganz bestimmt auch einen Beitrag. 

Warum also ist da nicht mehr gegenseitiger Respekt vorhanden? Warum ist Gewalt/Gegengewalt/Gegengegengewalt/.. die einzig wahre Lösung? Weil die keine andere Sprache verstehen? Das stimmt. Aber die Faust im Gesicht sagt letztlich auch nur "Bis hierhin und nicht weiter". 

Ich seh darin einfach nicht die Lösung,  Nazis wirklich und langfristig loszuwerden. Die ist ja auch alles andere als in Sicht, wenn man sich das Geschehen hier & weltweit anschaut.  

Welchen Sinn es nun hat, dass sich Menschen ähnlicher Gedankenfarbe ( nur in verschiedenen Nuancen)  auch noch in der Wolle haben müssen. Ich versteh es nicht. Für mich gibt es kein "besseres" Links.  Jede laute und leise, aber hörbare Stimme ist doch wichtig.

Da hast du schon recht, gleich mehrfach sogar... es gibt kein "besseres" links-sein, kein "richtigeren" Ansatz... im Gegenteil; linke oder auch linksradikale Ansätze können nur funktionieren, wenn sich auch pluralistisch sind und andere Strömungen nicht als Konkurenz (siehe Kapitalismus) sonderen als Ergänzung wahrnehmen...

Ja, ich finde man muss auf einen Naziaufmarsch nicht mit einer Lichterkette am anderen Ende der Stadt reagieren, da darf ruhig auch mal härterer Contra kommen. Aber das Gegengewalt gegen Nazistrukturen langfristig was bringt, daran glaubt hoffentlich auch keiner mehr und genau da greifen dann auch andere linke Konzepte, speziell aus dem AntiRA-Bereich, d.h. Bildungsarbeit, Aufklärungsabreit, Diskussion, politische Tätigkeit, Kapitalismusalternativen und -kritik, Kultur, Kunst etc etc...

Diese Tendenz des gegenseitigen Abgrenzens ist in linken Strukturen wirklich stark verbreitet... bist du Anarchist oder Kommunist? Bist du Öko oder Fairtrade? Bist du kritisch oder harmoniebedürftig? Bist du extrovertiert und versucht andere zum richtigen Handeln zu bewegen oder introvertiert und versuchst dein eigenen Scheiß auf die Reihe zu kriegen? Und wie kannst du das rechtferigen?!

Eigentlich eine soziologische, spannende Frage, warum ausgerechnet wir, als politisch linke Menschen, die vllt sogar noch Dogmatismus ablehnen, gleichzeitig so einen Hang hin zur Abgrenzung, ideologischen Grabengefechten und der Suche nach der "wahren" Ideologie haben... regelrecht paradox.

Aber gerade weil diese Szene so widersprüchlich ist, so selbstkritisch, so ineffizient dekonsturktiv muss man sich auch keine Sorgen machen, dass daraus etwas politisch Ekliges erwachsen könnte.

Fragend schreiten wir voran ;)

"scheiterte der erfolgreiche Abschluss an der Dummheit und Unentschlossenheit des Haufens Rassist*innen und dreißig Cops"

 

Es muss nicht Dummheit gewesen sein, in die schmale Gasse direkt auf den Polizeiposten zuzugehen, der den Faschos bekannt gewesen sein dürfte. Immerhin hat ihnen der Kessel eine sichere Abreise mittels Polizeieskorte verschafft. Einzelne Straftaten werden nicht konkreten Personen zuzuordnen sein, von daher sind Verfahrenseinstellungen wahrscheinlich.