CSU und Cameron sagen „Sozialmissbrauch“ den Kampf an

Erstveröffentlicht: 
08.01.2016
Gemeinsam werben die Christsozialen und der britische Premierminister für eine Reform der EU-Verträge – die auch Angela Merkel billigt

Von Dieter Wonka

 

Kreuth. Nur eine durch und durch reformierte Europäische Union ist eine Gemeinschaft mit Zukunft. Diese Auffassung verbindet Großbritanniens Premierminister David Cameron mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Cameron war prominenter Überraschungsgast bei der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Seehofer begrüßte den Briten mit Blick auf dessen Wahltriumph 2015 mit folgendem Lehrsatz: „Mit einem Kampf gegen Sozialmissbrauch in der EU gewinnt man absolute Mehrheiten.“ Das gelte für die britischen Konservativen ebenso wie für die Christsozialen in Bayern. Cameron wiederum sieht die CSU als ganz engen Verbündeten für seine europapolitischen Reformforderungen.

 

Der geplante Volksentscheid der Briten über den Verbleib in der EU werde ein gutes Ergebnis bringen, zeigte sich Cameron zuversichtlich. Allerdings müsse Europa seinen Bürgern „sichere Grenzen garantieren“, den Sozialmissbrauch durch Zuwanderer ausschließen und insgesamt wieder begreifen, „dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, ehe man es ausgeben kann“. Cameron war für diese Ausführungen von den CSU-Bundestagsabgeordneten mit stärkerem Beifall bedacht worden als am Vorabend die Bundeskanzlerin nach der Debatte um Flüchtlinge. Zuvor hatte Cameron den Zuhörern zugesichert: „Mein Ziel ist klar: Ich möchte die Zukunft Großbritanniens in einer reformierten Europäischen Union sichern.“

 

Merkel hatte dem Gast aus London vorher schon Entgegenkommen signalisiert – allerdings mit Einschränkungen. Reformen begrüße sie, aber die Prinzipien der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Anti-Diskriminierung dürften nicht aufgegeben werden. Die Regierung in Großbritannien fordert unter anderem, dass EU-Bürgern, die in Großbritannien arbeiten, vier Jahre lang der Zugang zu Sozialleistungen verwehrt werden kann. Dies liefe auf einen eindeutigen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in der Gemeinschaft hinaus. Allerdings gilt eine vorsichtige Korrektur der europäischen Verträge als nicht ausgeschlossen, da auch andere EU-Staaten, darunter auch Deutschland, bei dieser Gelegenheit nationale Interessen gleich mit durchsetzen könnten.

 

Vieles deutet nun darauf hin, dass sich der Premierminister Mitte Februar bei der entscheidenden EU-Reformrunde in Brüssel mit seinen zentralen Positionen durchsetzen könnte. Man wolle Cameron „helfen, sich seinen Landsleuten als Sieger zeigen zu können“, beschreiben maßgebliche deutsche Regierungsmitglieder die Lage vor dem EU-Großbritannien-Gipfel. Eine EU ohne Großbritannien wäre angesichts der momentanen Nationalismusdebatte auf dem Kontinent womöglich das Ende des vereinten Europas – und dieses Resultat will man vermeiden.