Stasi-Vorwürfe gegen AfD-Mann Spangenberg

Erstveröffentlicht: 
07.01.2016
Abgeordneter soll bei NVA Kameraden bespitzelt haben

VON JÜRGEN KOCHINKE

 

Dresden. Er ist bereits 71 und damit der älteste Abgeordnete in Sachsens Landtag. Detlev Spangenberg sitzt seit Herbst 2014 für die AfD im Parlament – und hat jetzt ein akutes Problem. Trotz gegenteiliger Aussage soll der Radebeuler während seiner Armeezeit für die Stasi gespitzelt haben. Das zumindest belegen interne Akten, die laut der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse im sogenannten Bewertungsausschuss des Parlamentes aufgetaucht sind. Demnach soll Spangenberg unter dem Decknamen „Bruno“ drei Jahre lang, von 1964 bis 1967, Berichte über seine NVA-Kameraden abgeliefert haben – als sogenannter Geheimer Informator (GI), wie die IM in den sechziger Jahren hießen. Am Abend bestätigte die AfD-Fraktion die Vorwürfe.

 

Auch Spangenberg selbst bestätigte gestern gegenüber der Leipziger Volkszeitung die Existenz entsprechender Akten. Er könne sich aber nicht mehr daran erinnern. Schließlich lägen jene Vorfälle, die ihm jetzt zur Last gelegt werden, rund 50 Jahre zurück. Darüber hinaus verwies er darauf, dass es dabei um seine Jahre bei der Armee gehe, und dort hätte eine klare militärische Hierarchie geherrscht. Entsprechend hätten „keine konspirativen Treffen in irgendwelchen Hinterzimmern“ stattgefunden. Überhaupt seien die Vorwürfe laut Aktenlagen marginal, auch gebe es wechselnde Schriftbilder.

 

Gleichzeitig kritisierte Spangenberg die Tatsache, dass brisante Interna aus dem zehnköpfigen Bewertungsausschuss an die Öffentlichkeit lanciert worden seien. Das sei laut Spangenberg ein „Vertrauensbruch“ mit dem ganz offensichtlichen Ziel, ihm und der AfD zu schaden. Bereits am 20. Januar wird sich das Geheimgremium erneut mit dem Fall beschäftigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Debatte um die konkreten Akteninhalte. Bisher saß Spangenberg selbst in dem Ausschuss, nach einer Sitzung der AfD-Landtagsfraktion gestern Vormittag trat er umgehend zurück.

 

Pikant an der neuen Aktenlage ist, dass der in Chemnitz geborene Spangenberg bisher stets als glasklares Stasi-Opfer gehandelt wurde. Und in der Tat war er nach einem ersten, im Jahr 1969 gescheiterten Fluchtversuch aus der DDR inhaftiert worden, um es 1980 erneut zu versuchen – diesmal mit Erfolg. So war es kein Zufall, dass genau er für die AfDzum schwarz-roten Antrag zum Thema „25 Jahre Stasi-Unterlagenbehörde“ den Redebeitrag hielt. Entsprechend unangenehm sind jetzt die Vorwürfe über eine mögliche Spitzeltätigkeit.

 

Langer Weg bis zum Mandatsentzug

 

Laut Sachsens Landesverfassung kann die Stasi-Tätigkeit eines Parlamentsabgeordneten zum Entzug des Mandats führen. Das allerdings ist ein langer Weg. Erst muss sich der Bewertungsausschuss mit einer Zweidrittelmehrheit dafür aussprechen, eine sogenannte Abgordnetenanklage beim Verfassungsgericht zu stellen. Diese aber ist bisher in allen Fällen gescheitert. Das eigentliche Problem für Spangenberg aber liegt nicht auf juristischem, sondern politisch-moralischem Gebiet: So hat er im Vorfeld parteiintern erklärt, nicht für die Stasi gespitzelt zu haben – was ihm jetzt auf die Füße fallen könnte. Zumindest gab es gestern in der AfD-Fraktion bereits Stimmen, die dies als „Lüge“ interpretieren, Konsequenzen nicht ausgeschlossen.