Sandesneben/Leipzig. Ingrid Kröger kommt sogleich ins Schwärmen, wenn sie von dem schwulen Pfarrerspaar aus Sachsen spricht. „Die beiden sind ganz toll, jung und dynamisch“, sprudelt es aus der Vizechefin des evangelischen Kirchengemeinderates im schleswig-holsteinischen Sandesneben heraus. Am 1. April werden die beiden Pastoren Stephan Rost (38) und Ciprian Matefy (33) gemeinsam ihren Dienst in dem 1800-Einwohner-Ort auf halber Stecke zwischen Hamburg und Lübeck antreten, wo bis dahin ein Vertreter agiert. „Wir bedauern es sehr, dass wir sie nicht schon vorher haben können. Wir haben Flüchtlinge, einen Kindergarten, die Seniorenarbeit – die können sich hier voll entfalten“, sagt Kröger und schätzt ein, dass die beiden für die Arbeit in dem kleinen Ort eigentlich überqualifiziert seien.
Dass die Männer, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, Sachsen den Rücken kehren, liegt an Vorbehalten. Rost erhielt 2011 seine erste Stelle in Börln bei Dahlen (Nordsachsen). Dort beschwerten sich sogleich einige Gemeindemitglieder, dass sie nicht vorab über dessen Homosexualität informiert worden waren. „Wie kann es sein, dass ein bekennend homosexuell lebender Mensch in ein geistliches Amt ordiniert wird, der wissentlich in einer Lebensweise verharrt, die in der Heiligen Schrift mit den Worten ,Greuel’, ,Verirrung’ und ,Unzucht’ bezeichnet wird“, hieß es in einem Brief an den damaligen Landes-bischof Jochen Bohl, der sich jedoch hinter Rost stellte. Matefy wirkt in der Dresdner Johannesgemeinde. Doch eine Chance, gemeinsam eine Gemeinde zu führen, sahen die beiden in Sachsen nicht.
So bewarben sie sich in Schleswig-Holstein und fanden dort ein anderes Klima vor. Als sie sich am 4. Advent in Sandesneben vorstellten, war das Gotteshaus so voll wie sonst nur zu Weihnachten.
Sie berichteten, dass sie sich beim Studium in Leipzig kennenlernten und seit Sommer 2014 verheiratet sind. In Sachsen sei es jedoch ein Problem, wenn ein schwules Paar im Pastorat zusammenlebenwolle.
In der liberaleren Nordkirche hingegen können homosexuelle Pastorenpaare seit 2014 im Pfarrhaus eine Ehe führen wie jedes andere Paar auch. Das hatte die Nordkirche auf ihrer Landessynode beschlossen. In Sachsen ist man noch nicht so weit, homosexuellen Pastoren diese Freiheit grundsätzlich zu gewähren. „Ich bin kein Freund von Einzelfalllösungen“, sagt Rost. Als homosexuelles Paar ein Pastorenamt in Sachsen zu bekleiden, sei zwar möglich, aber „nicht so leicht“, ergänzt Ciprian Matefy.
Im Norden erhält das Paar auch Rückenwind von Pröpstin Frauke Eiben. „Sie bringen Weitblick mit und die Liebe zu einem ländlichen Bezirk.“ Ihre Lebensweise sei in der Kirche kein Thema. „Wichtig ist, dass sie fachlich super sind“, so Eiben. „Ihre Bewerbung war hervorragend.“
Nach dem Gottesdienst luden Rost und Matefy zum „Meet and Greet“ in das Pfarrhaus. Die Gespräche drehten sich um Jugend-, Senioren- und Verwaltungsarbeit. „Die Seelsorge liegt uns am Herzen“, betonten beide. In Sandesneben, so wurden die künftigen Pfarrer gewarnt, regne es sehr oft. „Man muss die Welt ein wenig heller sehen, als sie wirklich ist“, hält Stephan Rost dagegen. Kritik an ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung war nicht zu hören.
Ingid Kröger ist stolz auf die Atmosphäre in ihrer Kirchgemeinde. Die Probleme Sachsens bei diesem Thema kann sie nicht nachvollziehen. „Wir sind hier offener, moderner.“
Kurz vor Silvester entschied sich der Gemeindekirchenrat für die beiden Bewerber. Einstimmig.
Stephan Rost, Jahrgang 1977, ist in Leipzig aufgewachsen. Er hat dort, in Heidelberg und Rumänien Theologie studiert. Sein Vikariat hat der 38-Jährige in Chemnitz und Rom absolviert. Seit 2011 ist Stephan Rost Pfarrer in Börln, Nordsachsen.
Ciprian Matefy, Jahrgang 1982, ist in Brasov (ehemals Kronstadt) in Rumänien geboren. Vor acht Jahren kam er nach Deutschland, um in Leipzig Theologie zu studieren. Zuvor hatte er in Klausenburg und Hermannstadt (Rumänien) studiert. In Leipzig war er Stipendiat des Luthe-rischen Weltbundes. Sein Vikariat absolvierte der 33-Jährige im sächsischen Oschatz. Seit Dezember 2014 ist er Pfarrer in der Johanneskirchgemeinde in Dresden.