Linke Landtagsabgeordnete klagen ihre Rechte ein

Erstveröffentlicht: 
05.12.2015
Sächsischer Verfassungsgerichtshof will bis Ende Januar entscheiden / Oppositionspolitiker zuversichtlich
VON WINFRIED MAHR

 

Leipzig. Dass ein Platz auf den Bänken der Opposition im Sächsischen Landtag alles andere als vergnügungssteuerpflichtig ist, hat nicht das Zeug zum Staatsgeheimnis. Im Laufe der letzten Jahrzehnte mussten sich nicht zuletzt die Linken ein dickes Fell zulegen. Aber wenn nicht mal mehr die Kleinen Anfragen in vereinbarter Weise beantwortet werden, wie in diesem Jahr mehrfach geschehen, dann kann das Fass ruckzuck überlaufen.

 

Kein Privatvergnügen

 

Die Parlamentarier Kerstin Köditz, Juliane Nagel und André Schollbach von der Linksfraktion zogen vereint vor den Sächsischen Verfassungsgerichtshof, weil sie ihre Abgeordnetenrechte durch das Innenministerium verletzt sahen. Gestern verhandelten die Richter unter dem Vorsitz von Birgit Munz in Leipzig insgesamt vier Klagen. Die Parlamentarier bemängeln, dass Innenminister Markus Ulbig (CDU) ihnen Kleine Anfragen zu Pegida, Rechtsextremismus und Flüchtlingen nicht vollständig beantwortet habe.

 

Schollbach wollte von Ulbig wissen, wo sich der Innenminister Anfang des Jahres mit Pegida-Vertretern getroffen hat und mit wem genau. Darüber sei Stillschweigen vereinbart worden, antwortete das Ministerium. Das wollte Schollbach, der sich und seine Fraktionskollegen vertrat, nicht hinnehmen. „Es kann nicht angehen, dass ein Staatsminister mit Dritten Stillschweigen vereinbart“, so Schollbach. Schließlich sei Ulbig nicht privat, sondern in seiner amtlichen Eigenschaft verabredet gewesen. „Den Abgeordneten die Auskunft über solche Regierungsvorgänge zu verweigern, ist verfassungswidrig!“, so der Dresdner. Wenn der Minister sich letztlich bei seiner Antwort auf einen lapidaren Internetlink zur Pressemitteilung beschränke, der zu allem Überfluss noch in eine Fehlermeldung münde, sei das ein klarer Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Landtages. Dort sei geregelt, dass Abgeordnetenanfragen in gedruckter Form und mit Signatur des Antwortenden auszufertigen sind. Das Internet sei ein zu flüchtiges Medium, so der Anwalt in eigener Sache. „Der Antragsteller muss sich darauf verlassen können, dass die Antwort auch gilt.“

 

Die Abgeordnete Köditz hatte im Frühjahr nach rechtsextremen Umtrieben in Sachsen gefragt. Das Ministerium verwies auf den später erscheinenden Verfassungsschutzbericht. Nagel fragte nach Kosten für die Flüchtlingsunterbringung. Das könne wegen vergaberechtlicher Aspekte nicht beantwortet werden, beschied das Innenministerium. Was wiederum bei den Verfassungsrichtern gestern in Leipzig für Kopfschütteln sorgte. Auf Nachfrage berief sich Jens Weiche vom Justizministerium auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Anbieter von Flüchtlingsunterkünften, räumte aber ein, dass dadurch wohl kaum Abgeordnetenrechte eingeschränkt werden dürften.

 

Die sächsische Verfassung schreibt in Paragraf 51 vor, dass die Staatsregierung Fragen von Abgeordneten „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ beantworten muss. Wird eine Beantwortung abgelehnt – etwa wegen Geheimhaltungspflichten oder Rechten Dritter – muss das für die Abgeordneten nachvollziehbar begründet werden. Weiche gab zu bedenken, dass die Staatsregierung bei rund 2000 Anfragen pro Jahr in ihrer Arbeitsbelastung an Grenzen stoße, was letztlich wohl auch zu qualitativen Abstrichen bei der Beantwortung führen könne.

 

Kläger optimistisch

 

Die Richter wollen ihre Entscheidung am 28. Januar 2016 verkünden. Der Anwalt und Abgeordnete Schollbach war nach der mündlichen Verhandlung zuversichtlich: „Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine gute Entscheidung bekommen und dazu beitragen, dass Oppositionsrechte künftig gewahrt werden“, sagte er.

 

Az.: Vf. 63-I-15, Vf. 67-I-15, Vf. 68-I-15, Vf. 81-I-15