UHINGEN: Kontroverse Diskussionen zum Thema Flüchtlinge im Nassachtal

Erstveröffentlicht: 
28.10.2015

Bei einer Versammlung in Nassachmühle haben rund 300 Bewohner des Nassachtals über die geplante Unterbringung von 50 Flüchtlingen diskutiert. Der Uhinger Gemeinderat entscheidet kommende Woche.

 

DIRK HÜLSER | 28.10.2015

 

Die kleine Turnhalle der Grundschule im Nassachtal platzt aus allen Nähten, die bereitgestellten 200 Stühle reichen bei weitem nicht aus. Das Thema Flüchtlinge polarisiert, 50 Asylbewerber sollen im ehemaligen Gasthof Nassachmühle untergebracht werden, der Teilort hat 324 Einwohner. Insgesamt wohnen rund 1700 Menschen in Nassachmühle, Nassach, Baiereck und Diegelsberg. Ein Mann tritt ans Mikrofon, sagt, auch er habe ein Kind an der Grundschule, die sich direkt gegenüber des Gasthofs befindet. „Wir reden immer von anderen Kulturen“, ruft er zu Beginn der Diskussionsrunde in die Halle. „Aber unsere andere Kultur steht auch dort draußen.“ Nicht alle, aber doch sehr, sehr viele der Anwesenden applaudieren.

 

Dort draußen: Da stehen die Neonazis, unter anderem ein mehr als ein dutzendfach vorbestrafter und unlängst wieder vom Landgericht verurteilter Uhinger. Im Dunkel der Nacht skandieren sie ihre Parolen, haben Banner und Transparente mitgebracht, reden von Vergewaltigern und Volksverrätern. Die Polizei zeigt mit einer stattlichen Anzahl Beamter Präsenz, auch Pferde sind im Einsatz. Doch in die Halle kommen die Rechtsextremisten nicht, sie sind auch nicht willkommen. „Haut ab!“, ruft ein Mann ihnen zu. „Ich wohne hier, ihr nicht.“

 

Eigentlich hätte der Gemeinderat die Unterbringung der Flüchtlinge am 23. Oktober beschließen sollen. Über 173 Plätze in der Kernstadt herrschte Einigkeit, doch das Nassachtal wurde vorerst ausgeklammert, da noch Klärungsbedarf bestehe, wie Wittlinger am Dienstagabend betonte. Er habe sehr viele E-Mails erhalten, deshalb sei kurzfristig die Info-Veranstaltung anberaumt worden. Auch der Ortschaftsrat habe Gesprächsbedarf signalisiert.

 

Wittlinger stellte aber auch klar, dass „wir unsere Hausaufgaben machen müssen“. Und: „Eine Totalverweigerung in Uhingen ist keine Lösung, diesen Weg wird es mit mir nicht geben.“ Werde die Kommune nicht selbst aktiv, dann könne die Stadt die Unterbringung irgendwann auch nicht mehr selbst steuern. „Das ist richtig, was die Gemeinde macht: Wir müssen es regeln, sonst wird es geregelt“, meinte denn auch ein Bürger am Saalmikro – der neben Wittlinger auf dem Podium sitzende Sozialdezernent des Landkreises, Hans-Peter Gramlich, nickte zustimmend. Neben Unterstützern gab es aber auch zahlreiche Kritiker des Bürgermeisters.

So etwa der stellvertretende Ortsvorsteher Jochen Hofele, dessen Kind die Grundschule im Nassachtal besucht. „Staatsversagen“ glaubte er zu erkennen, die Flüchtlinge seien zudem „Wirtschaftsmigranten, denn sicher waren sie auch in Österreich und Slowenien“. An Wittlinger und Gramlich gerichtet, meinte er: „Ich fordere, dass dauerhaft eine Person da ist, die den Schulhof und auch die Bushaltestelle schützt. Das erwarte ich schlichtweg von Ihnen.“ Er fügte noch hinzu: „Sonst gehe ich davon aus, dass mein Kind diese Schule nicht mehr besuchen wird.“ Auch hier: Applaus.

 

Der Bürgermeister hielt dagegen. Es könne ja nicht sein, „dass die Bushaltestelle im Nassachtal von einem Menschen, den Sie nicht kennen, nicht benutzt werden darf“. Wittlinger konstatierte: „Wenn die Bushaltestelle tabu ist, dann haben wir versagt.“ Viel Applaus auch für den Rathauschef.

 

Immer wieder wurden Bedenken wegen der Sicherheit laut, etliche Redner befürchteten, dass hauptsächlich Männer in den Gasthof einziehen würden. Gegen Ende der Gesprächsrunde ergriff ein Italiener aus dem Nassachtal das Wort, der 1960 als Kind gekommen war. Er beendete seine kurzen Ausführungen sichtlich bewegt: „Es tut mir leid, dass wir überhaupt darüber diskutieren müssen.“

 

Das letzte Wort hat nun der Uhinger Gemeinderat am 6. November.