Überlastung durch Demonstrationen und Fußballspiele - Sachsen stoppt Stellenabbau bei der Polizei

Erstveröffentlicht: 
26.10.2015

25.250 Überstunden haben Sachsens Bereitschaftspolizisten zwischen Januar und August geschoben. Damit haben sie ihre Belastungsgrenzen längst überschritten. Das Innenministerium sieht sich nun gezwungen, den geplanten Stellenabbau zu stoppen. Erste Zahlen sollen im Dezember vorliegen. Parteiübergreifend wird der Stopp des Stellenabbaus als längst überfällig begrüßt.

 

Das sächsische Innenministerium will im Dezember Zahlen vorlegen, wie hoch der künftige Personalbedarf bei der Polizei ist. Derzeit sei die dafür eingesetzte Fachkommission damit beschäftigt, die aktuelle Situation in die Planungen einzubeziehen, heißt es aus dem Ministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN. "Die Bedingungen sind heute andere als zu Beginn der Reform", erklärt Innenminister Markus Ulbig. "Versammlungen in diesen Größenordnungen sowie Flüchtlingsströme nach Deutschland waren so nicht vorhersehbar."

 

25.250 Überstunden zwischen Januar und August

 

Angesichts solcher Entwicklungen müssten die richtigen Schlüsse gezogen und Entscheidungen überdacht werden. "Ein 'weiter so' wird es nicht geben", betont Innenminister Markus Ulbig. Zumal sich die Lage auf absehbare Zeit nicht ändern werde.

Allein bei der Bereitschaftspolizei haben sich die Überstunden nach Angaben des Innenministeriums zwischen Januar und August auf 25.250 summiert. Die Zahl der Krankenmeldungen bei den Vollzugsbeamten ist leicht zurückgegangen - zwischen Januar und September 2014 lagen sie bei acht Prozent, im gleichen Zeitraum des laufenden Jahres waren es 7,6 Prozent.

 

579 weniger Vollzugsbeamte als 2010


Der in der Polizeireform 2020 vorgesehen Stellenabbau ist laut Ulbig erst einmal vom Tisch. Ursprünglich war vorgesehen, die Planstellen bis 2025 um etwa 1.000 auf 12.000 zu reduzieren. Derzeit sind bei der sächsischen Polizei insgesamt 13.005 Männer und Frauen angestellt, darunter 10.820 im Vollzugsdienst. Seit 2010 ist die Zahl der Vollzugsbeamten laut Innenministerium um 579 zurückgegangen. Dabei handele es sich ausschließlich um Stellen, die durch "Altersabgänge" frei und nicht mehr neu besetzt wurden.

 

"Die zahlreichen Versammlungen im Freistaat, die Einsätze bei Fußballspielen in der dritten Liga und die vermehrten Einsätze im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen sorgen dafür, dass sich die sächsischen Polizisten seit mindestens einem Jahr gewissermaßen im Dauereinsatz befinden. Ziel sind dauerhaft mehr Polizeibeamte als bisher im Freistaat."

Sachsens Innenminister Markus Ulbig

 

CDU will Sondereinstellungsprogramm für Bereitschaftspolizei


Der Stopp beim Personalabbau wird parteiübergreifend begrüßt. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Christian Hartmann sagte, die Stärkung der sächsischen Polizei sei seiner Fraktion ein "wichtiges Anliegen". Er regte ein Sondereinstellungsprogramm zur Stärkung der Bereitschaftspolizei an. "Wenn wir im März 2016 damit beginnen, haben wir die Beamten im September 2019 fertig ausgebildet auf der Straße", so Hartmann. Bis dahin könne die geplante Wachpolizei den Übergang personell absichern und gleichzeitig als Rekrutierungsinstrument für angehende Polizisten dienen.

 

Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion begrüßte ebenfalls die Entscheidung des Innenministers, den Stellenabbau zu stoppen. "Die Forderung nach einem Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei war eines der zentralen SPD-Themen schon in den Koalitionsverhandlungen."

 

AfD sieht im "Asylchaos" Grund für Richtungswechsel


Die Linke forderte, den Einstellungskorridor von Polizeianwärtern auf 600 auszuweiten, da sich der Kurswechsel wegen der Ausbildungsdauer ohnehin erst in vier Jahren auswirke. Die Grünen forderten umgehend ein Konzept das Innenministeriums, das dem Landtag vorgelegt werden soll. An den vom Landtag beschlossenen Stellenstreichungen komme der Innenminister ebenso wenig vorbei wie an den auch von ihm beschlossenen Einstellungskorridoren, hieß es. Die AfD warf Innenminister Markus Ulbig vor, viel zu spät zu reagieren. "Es ist wohl dem nicht abreißenden Asylchaos geschuldet, dass der Innenminister nun die Reißleine zu ziehen bereit ist", sagte der sicherheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Sebastian Wippel.