Am 21. November 2015 wollen zum mittlerweile siebten Mal in Folge Neonazis aus ganz Deutschland in Remagen aufmarschieren. Diese sind dem seit Jahrzehnten organisierten Rechtsterrorismus zuzuordnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wollen wir unsere Solidarität mit allen Geflüchteten zum Ausdruck bringen und der widerwärtigen Hetze etwas entgegensetzen. Das antifaschistische Bündnis „NS-Verherrlichung Stoppen!“ ruft daher unter dem Motto „Solidarität mit allen Geflüchteten – Rechtsterrorismus bekämpfen“ für den 21.11 ab 11 Uhr zu einer überregionalen Demonstration auf.
Solidarität mit allen Geflüchteten
Es ist beeindruckend, wie Menschen, die in letzter Zeit wenig
Solidarität erfahren haben, diese ausgerechnet in Deutschland bekommen
und mit Blumen willkommen geheißen werden. Die große Bereitschaft, die
ankommenden Menschen in klarer Ablehnung der europäischen
Flüchtlingspolitik ernst zu nehmen, sind wichtig, setzen sie doch der
Hetze von PEGIDA und Co etwas entgegen.
Während die Versorgung der Geflüchteten von vielen freiwilligen
Helfer*innen – von der Politik weitgehend alleine gelassen – getragen
wird., rüstet die Bundesregierung auf und verschärft mit Unterstützung
der Grünen die Asylrechtsgebung. Seitens Politik und Medien wird die
Spaltung der Geflüchteten in „Gute“ und „Böse“ oder in „Verwertbare“ und
„Wirtschaftsflüchtlinge“ vorangetrieben. Zwar unterscheiden sich
SPD/Grüne und PEGIDA darin, dass erstere die Einwanderung nicht
grundsätzlich ablehnen, doch soll sie „der Wirtschaft dienen“. Kern
deutscher Willkommenskultur ist daher nicht das Grundrecht für
Schutzsuchende auf Asyl oder die gleichberechtigte gesellschaftliche
Partizipation eingewanderter Menschen. Im Gegenteil, das Asylrecht soll
endgültig zu einem Instrument einer an ökonomischen Kriterien
orientierten Bevölkerungspolitik gemacht werden. Ansonsten sind die von
Politiker*innen losgelassenen Ekelhaftigkeiten unerträglich – man kann
gar nicht so viel essen wie man kotzen möchte. Sie bedienen dabei auf
menschenverachtende Weise eine rassistische Klientel und stoßen auf
breite Zustimmung, denn Seehover’s Beliebtheit nimmt zu, während die von
Merkel tatsächlich abnimmt.
Auch kann die so noch nie da gewesene Solidarität nicht über den
alltäglichen und institutionellen Rassismus hinwegtäuschen. Es ist
verlogen, von Menschen irgendeine Integration zu verlangen, wenn sie
noch nach Generationen diskriminiert werden und keine Gleichstellung
erfahren. Ebenso werden die Festung Europa weiter ausgebaut und
Flüchtende weiter in den Tod getrieben. Alles ist vorbereitet: die
euphemistisch als Registrierungslager bezeichneten Internierungslager an
den Grenzen Europas, in denen Flüchtende wie Kriminelle eingesperrt und
so an der Einreise gehindert werden, oder die Zäune und Mauern, die
laut bayrischem Heimatminister Söder bald auch um Deutschland gebaut
werden sollen.
Die Fluchtgründe werden jedoch nicht beseitigt, auch wenn dies seitens
der Politik gerne verkündet wird. Rüstungsexporte, bei denen Deutschland
eine Spitzenposition einnimmt, bleiben ein Riesengeschäft und die
Zerstörung der Souveränität von Staaten, die eigene Machtinteressen
verfolgen, geht weiter. In einem allgemeinen Wirtschaftskrieg
konkurrieren EU-subventionierte Unternehmen die anderen nieder und
zerstören ihre Märkte und Existenzen. Gleichzeitig werden mit Repression
und militärischer Unterdrückung jegliche Versuche von Basisdemokratie
und Emanzipation bekämpft.
Es ist daher gefährlich, wenn Solidarität nicht weiter geht und den
gemeinsamen Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung anstrebt.
Solidarität muss den Konflikt mit dem Bestehenden im Kampf gegen
Verwertungslogik, Krieg, Diskriminierung und Verfolgung suchen, denn
sonst wird sie staatlicherseits dazu genutzt, sich aus der Verantwortung
zu ziehen oder gar zur eigenen Imagepflege instrumentalisiert.
Rechtsterrorismus bekämpfen
Ebenso wird die Bedrohung der Geflüchteten durch gewalttätige
Rassisten, welche nicht nur in Heidenau euphemistisch als „Asylkritiker“
bezeichnet werden, konsequent verharmlost. Hinter den systematischen
Brandstiftungen auf Unterkünfte für Geflüchtete stehen meist keine
Einzelpersonen sondern rechtsradikale, organisierte Gruppen, die sich
als die Vollstrecker eines rassistischen „Volkswillens“ verstehen. Aber
für beide Varianten gilt ganz klar: Flüchtlingsunterkünfte angreifen
ist Rechtsterrorismus! Der NSU hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass es
rechtsterroristische Strukturen in Deutschland gibt und dass wir das
Wissen darum ernst nehmen müssen.
In Remagen marschiert alljährlich das gesamte Spektrum der seit
Jahrzehnten organisierten Rechtsterroristen, vom hohlen Hooligan bis
zum nationalsozialistischen Kader. Der letzte regelmäßig stattfindende
Naziaufmarsch in Rheinland-Pfalz zieht die gewalttätige Naziszene an wie
die Motten das Licht: 100 Jahre Knast auf 20 Metern.
Mit dabei ist Michael Brück, Neonazi-Funktionär aus Dortmund. Brück
betreibt einen Internetversand für rechtes Propagandamaterial und dem
Zubehör für das rassistische Pogrom: Präzisionsschleudern und
Stahlkugeln, Pfefferspray und Sturmhauben sind fester Bestandteil des
Sortiments und Inhalt eines „Heidenau-Rabatt“-Pakets. Seit dem Verbot
des „Nationalen Widerstand Dortmund“, dessen Vorstand Brück angehörte,
ist er mit seinen Dortmunder Kameraden in der Partei „Die Rechte“
organisiert, für die er auch im Stadtrat sitzt. Dort nutzt er sein
Rederecht, um z.B. Anfragen nach Zahlen über Homosexuelle oder Juden in
Dortmund zu stellen.
Einer der älteren aktiven Neonazis und mit federführend an der
Organisation des „Trauermarsches“ in Remagen beteiligt ist Ralph
Tegethoff. Er ist seit Jahrzehnten eine Führungsfigur der militanten
Neonazis in Deutschland und Chef der Kameradschaft Sturm 08/12 aus dem
Raum Bonn/Siegburg. Tegethoff, der in nahezu allen (inzwischen
verbotenen) rechtsterroristischen Organisationen der 1990er Jahre zu
finden war, verfügt über gute Kontakte zu Kameraden aus seiner
Generation. Als Beispiel wäre hier Thorsten Heise zu nennen, der
nachweisbar über Kontakte zur Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“
verfügte, dem Ursprung der inzwischen aufgedeckten Nazistruktur NSU.
Tegethoff ist außerdem eine Schnittstelle zu den immer wieder
nachwachsenden Generationen von Nazis. Fotos aus dem Jahr 2013 zeigen
die Ausbildung des AB Mittelrhein auf seinem Grundstück in Bad Honnef
Aegdienberg. Interessanterweise hatte diese Fotos beim Prozess gegen
den AB Mittelrhein keine Konsequenz, denn er wurde nicht als Zeuge
vorgeladen.
Tegethoff verkauft in seinem Online-Shop neben diversen Militaria
Devotionalien und Erster Weltkrieg Erinnerungsnippes auch sog
Dekowaffen. In der “Monitor”-Sendung vom 18.10.2012 wird gezeigt, wie
leicht Waffen, die in Deutschland als „Dekoration“ verkauft werden,
wieder schussfähig gemacht werden können. Während also inzwischen für
jede Gaspistole ein Waffenschein benötigt wird, verkaufen gewalttätige
Nazis wie Ralph Tegethoff und Meinolf Schönborn Maschinenpistolen, die
sich mit etwas Fachwissen zu Killerwaffen umbauen lassen und dann unter
das Kriegswaffenkontrolgesetz fallen. Solch umgebaute Waffen fanden sich
z.B. bei Hausdurchsuchungen bei Peter Schulz in Bad Oeynhausen im Jahr
2010. Der Chef einer Wehrsportgruppe wurde nach eigenen Angaben 1990 als
V-Mann vom Verfassungsschutz angeworben – und trotz des gefundenen
Maschinengewehrs 2012 freigesprochen. Nazis können sich also legal
Kriegswaffen beim braunen Kameraden kaufen. Ein Schmuggel aus dem
Ausland ist nicht mehr notwendig, um ihrer menschenverachtenden
Ideologie auch entsprechende Taten folgen zu lassen.
Ebenfalls in Remagen mit dabei ist die Neofaschistische Kleinstpartei
„Der III. Weg“, welche vom ehemaligen Vorsitzenden der NPD
Rheinland-Pfalz Klaus Armstroff angeführt wird. Anfang 2015
veröffentlichten die Nazis einen „Leitfaden: Kein Asylantenheim in
meiner Stadt“ in dem beschrieben wird, wie aus rassistischer Sicht gegen
Flüchtlinge vorgegangen werden soll. Zusammen mit der im Sommer 2015
veröffentlichten Karte mit Standorten und Adressen von Flüchtlingsheimen
hat man damit eine indirekte Anleitung für Anschläge auf Flüchtlinge.
Viele der dort aufgeführten Adressen wurden Ziel von Anschlägen.
In Bayern dient die Partei als Ersatzorganisation für das mittlerweile verbotene „Freie Netz Süd“. In der Region Ludwigshafen/Vorderpfalz tummeln sich die Neonazis des mittlerweile inaktiven „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ in den „Stützpunkte“ genannten Ortsgruppen. Der Stützpunkt Westerwald wird maßgeblich von Neonazis der verbotenen Kameradschaft Westerwald getragen. Auch hier handelt es sich also um ein Sammelbecken rechtsterroristischer Kader. Dass aus all diesen öffentlich zugänglichen Informationen von Politik und Justiz keine Konsequenzen gezogen werden, passt in den generellen skandalösen Umgang mit Rechtsterrorismus. Der Verlauf des NSU Prozesses führt uns dies tagtäglich vor Augen.
Mehr zu den Organisation und Personen findet Ihr auch bei den http://remagen.blogsport.de/hintergrund/
Unser Widerstand
Sowohl in Remagen, als auch in der Region Bad Neuenahr/Ahrweiler wird
das Problem Nazis gerne klein geredet und ignoriert. Erst wenn
Antifaschist*innen aktiv werden, wie am 24. März 2012 mit einer
Demonstration gegen den AB Mittelrhein und deren „Braunes Haus“, werden
die bürgerlichen Institutionen vor Ort aktiv – meist in Konkurrenz und
Abgrenzung zu antifaschistischen Aktivitäten. Nur durch die
antifaschistische Intervention wurden Polizei und Staatsanwaltschaft
gezwungen zu handeln, so dass bereits vor der Demonstration
Hausdurchsuchungen und Festnahmen gegen die Nazis des AB Mittelrhein
stattfanden.
Diese Abgrenzung bürgerlicher Institutionen zu unserem
antifaschistischen Protest zeigte sich auch in den letzten Jahren in
Remagen. Während den Nazis nie wirklich etwas entgegengesetzt wurde,
wurden die Kundgebungen antifaschistischer Initiativen auf dem
Marktplatz eingegittert und durch massive Repression seitens der Polizei
und der Staatsanwaltschaft versucht, jegliche ernsthafte Aktivität in
Remagen zu verhindern und zu bestrafen. Erst durch unsere Kampagne und
die zwei Demonstration in den letzten beiden Jahren, wurden überhaupt
mehr Antifaschist*innen als Nazis nach Remagen organisiert, die
Aufmarschstrecke der Nazis stark aus der Stadt raus verschoben und ihre
„Trauer“ massiv gestört – was sie verdammt anpisst. Ebenso wurden
Geschichtsrevisionismus und Opferdenken von Nazis wie bürgerlichen
Kreisen vor Ort durch unsere Veranstaltungen und inhaltlichen Beiträge
thematisiert und kritisiert, wobei wir für unser Engagement mittlerweile
auch vor Ort immer wieder großen Zuspruch erhalten. Das
Kräfteverhältnis ist schon mal eindeutig verschoben, aber das reicht uns
noch nicht:
In Remagen marschiert der Rechtsterrorismus. Es wird Zeit, dass wir dem ein Ende setzten!
Lasst uns unsere Solidarität mit den Kämpfen der Geflüchteten zeigen,
und gemeinsam gegen die Ursachen von Flucht und Unterdrückung kämpfen.
Kommt zur antifaschistischen Demo am 21. November um 11 Uhr am Bahnhof Remagen