20 000 bei Pegida-Jahrestag in Dresden – „Herz statt Hetze“ mobilisiert 15 000

Erstveröffentlicht: 
20.10.2015

De Maizière nennt Pegida-Spitze „harte Rechtsextremisten“ / Mehr als 1000 Polizisten im Einsatz

 

Dresden. Ein Jahr nach der Gründung des islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses haben sich gestern Abend in Dresden Zehntausende Anhänger und Gegendemonstranten gegenübergestanden. Die angespannte Situation entlud sich in Rangeleien, es flogen auch Böller. Bei Auseinandersetzungen ist ein Pegida-Anhänger schwer verletzt worden. Der Mann sei auf dem Weg zur Kundgebung angegriffen worden, sagte ein Polizeisprecher. Er machte zunächst keine Angaben zur Art der Verletzung.

 

Nach Schätzungen der Studentengruppe „Durchgezählt“ versammelten sich auf dem Theaterplatz bis zu 20 000 Pegida-Anhänger. Gründer Lutz Bachmann und rechtspopulistische Politiker aus europäischen Ländern machten in Redebeiträgen Stimmung gegen den Zuzug von Flüchtlingen.

 

Der Protest gegen Pegida war deutlich größer, als erwartet. Unter dem Motto „Herz statt Hetze“ hatte ein breites ­Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen und Initiativen dazu aufgerufen, sich dem Fremdenhass ­entgegenzustellen. Mindestens 15 000 Gegendemonstranten zogen nach Schätzungen von „Durchgezählt“ aus verschiedenen Richtungen sternförmig in die Altstadt. Allein bei einem Demonstrationszug, der von der Technischen Universität startete, waren nach Veranstalterangaben mehr als 5000 Menschen versammelt. Nach Schätzungen machte sich vom Neustädter Bahnhof ein Zug mit rund 7800 Gegendemonstranten auf den Weg. Darunter befanden sich viele Familien mit Kindern. An der Kathedrale in der Altstadt begegneten sich Pegida-Anhänger und Gegendemonstranten auf Sicht- und Hörweite.

 

Die sächsische Polizei war nach den Worten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) „mit mehr als 1000 Beamten im Einsatz.“ „Wir haben die Hilfe von sechs Bundesländern und der Bundespolizei“, sagte Ulbig. Die sächsische Staatsregierung hatte alle Demonstrationsteilnehmer zu Gewaltlosigkeit aufgerufen. Mehrere Mitglieder der Regierung beteiligten sich an den Gegenprotesten.

 

Die Semperoper empfing das Pegida-Bündnis mit einer elektronischen Leinwand. Im Wechsel hieß es dort: „Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass“ und „Wir sind keine Kulisse für In­toleranz“. Viele Mitarbeiter des Opernhauses reihten sich beim Anti-Pegida-Protest ein.

 

Aus Anlass des Pegida-Jahrestages hatten gestern Politiker und Verbände vor Hass und Hetze gewarnt. „Wer Galgen und Hitlerbärten hinterherläuft, für den gelten keine Ausreden mehr“, sagte ­Justizminister Heiko Maas (SPD) gestern in Berlin. „Pegida sät den Hass, der­dann zur Gewalt wird.“ Mit Blick auf Anti-Pegida twitterte Maas: „Bin mit dem Herzen dabei. Heute sind wir alle Dresdner.“

 

Grünen-Chefin Simone Peter rief bei der Demo zu „klarer Kante“ gegen ausländerfeindliche Hetze auf. „Wir demonstrieren heute für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft“, sagte sie. „Die Hassparolen von Pegida sind der Nährboden für rechte Gewalt, von brennenden Flüchtlingsunterkünften bis zu Mordanschlägen wie den auf Henriette Reker“, sagte Peter.

 

Innenminister Thomas de ­Maizière (CDU) hatte die Pegida-Organisatoren schon am Sonntagabend in der ARD als „Rattenfänger“ bezeichnet. „Inzwischen ist völlig eindeutig, diejenigen, die das organisieren, sind harte Rechtsextremisten“, sagte de Maizière. „Sie bezeichnen Asylbewerber pauschal als Verbrecher, alle Politiker als Hochverräter. Das ist fernab jedes demokratischen Konsenses.“ Nach Ansicht der Amadeu-Antonio-Stiftung beruht der Zulauf für Pegida auf „einer Mischung aus Rassismus, antisemitischen Verschwörungsideologien und Anti-Establishment-Rhetorik“. Das Internationale Auschwitz Komitee sprach von einer „verbalen Aufrüstung“ der Bewegung und nahm die Polizei in die Pflicht: „Sie symbolisiert die wehrhafte Demokratie und muss das Zeigen von Gewaltsymbolen, Mordaufrufen und Hass-parolen sofort unterbinden“, erklärte Komitee-Vizepräsident Christoph Heubner.