Bericht über die Situation an der Serbisch-Kroatische Grenze

Grenzübergang Berkasovo-Bapska 1

Bericht über die Situation an der Serbisch-Kroatische Grenze (Berkasovo [SRB] – Bapska [HR])

In den letzten Wochen waren mehrere Konvois, Gruppen oder Personen auf den verschiedenen Fluchtrouten in Südost-Europa unterwegs. Es wurden einige Berichte und Dokumentationen veröffentlicht. Wir waren Ende September/Anfang Oktober mit der Soli-Vokü „Ain't No Border High Enough“ an der kroatisch-serbischen Grenze unterwegs und wollen ergänzend zu den vorhandenen Berichten, unsere Erfahrungen und Eindrücke schildern.

 

Zuerst ein kurzer Abriss über die Etappen der „offiziellen“ Route von Mazedonien über Serbien nach Kroatien (...von dort weiter via Ungarn, Österreich etc.), den regierungs-organisierten sogenannten „Korridor“.

Es gibt viele Wege nach Europa. Eine Route führt über den offiziell geöffneten Grenzübergang zwischen Mazedonien und Serbien. In dem Grenzort Preševo auf serbischer Seite werden die dort ankommenden Refugees namentlich und mit Fingerabdruck registriert. Außerdem wird ihr Gepäck durchsucht und z.B. Messer als Waffen definiert weggenommen. Unseres Wissens nach müssen sich seit dem 1. Oktober alle Refugees in Serbien dort registrieren lassen. Wer ohne Registrierung kontrolliert wird, wird nach Preševo zurück geschickt. Diese Verschärfung scheint uns eine Folge der gerade dort begonnen Europol-Operation „Kostana 2015“ zu sein. Dabei werden mindestens Europol-Beamte, serbische und österreichische Bullen, sowie serbisches Militär eingesetzt. Tausende Menschen warten über Tage hinweg bei unzureichender Versorgung unter freiem Himmel vor der Registratur auf ihre Papiere zum Transit durch Serbien. (#Presevo)

Alle registrierten Refugees bekommen eine schriftliche Erlaubnis, sich 72 Stunden in Serbien aufzuhalten. Kein Aufenthalt, sondern ein Transit ist gewollt.

 

Von der mazedonisch-serbischen Grenze (Preševo) werden tausende Menschen von privat-wirtschaftlichen Busunternehmen direkt, zum Teil auch über Belgrad, an den Grenzübergang zu Kroatien gefahren (Fahrpreis p.P. ca. 50,-€). Anweisungen für den Zielort bekommen die Busfahrer_innen nach eigener Auskunft direkt von der Regierung. Der derzeit einzige für Refugees offiziell geöffnete Grenzübergang befindet sich zwischen dem serbischen Berkasovo und dem kroatischen Bapska (auf die Situation in Berkasovo gehen wir weiter unten ein). Dieser sonst geschlossene Übergang wurde nach dem Chaos und den Ereignissen an der Grenze zwischen Sid (Serbien) und Tovanik (Kroatien) extra hierfür geöffnet. (siehe Migrant crisis: Scuffles on Croatian border, BBC und #tovarnik)

Die Grenze müssen die Menschen zu Fuß passieren.

 

Auf Kroatischer Seite werden sie mit Bussen in ein riesiges Zeltlager bei Opatovac gebracht. Zwischendurch mussten auch Tausende die 18 km lange Strecke laufen. Opatovac ist ein sog. 'Hotspot', der von Militär, Polizei und Roten Kreuz betrieben und kontrolliert wird. An dieser Stelle verweisen wir auf Texte, die die Entwicklung und Situation in Opatovac darstellen ([Kroatien] PM zum Eingreifen des Militärs in Opatovac, Kurzbericht von der Serbisch-Kroatischen Grenze Tovarnik, Bapska, Opatovac).

 

Von diesem militärischen Lager aus werden die Leute per Bus und Bahn an die ungarische Grenze nach Botovo gefahren. Durch Ungarn hat die Regierung einen Transit nach Nickelsdorf (Österreich) eingerichtet. Siehe dazu z.B. „Fluchthilfe Ungarn/Deutschland – ein Bericht“.

 

Zur Situation am Grenzübergang Berkasovo [SRB] – Bapska [HR]:

 

Am 28.09. erreichten wir den Grenzübergang bei dem Dorf Berkasovo in Serbien. Es waren mehrere Hilfsorganisationen vor Ort (das Rote Kreuz, World Vision, Evangelische Humanitäre Hilfe aus der Nachbarschaft, UNHCR, Ärzte ohne Grenzen sowie eine große Gruppe von Volunteers aus Tschechien). Zudem waren ein Regierungsbeauftragter, zwei Bullen und Presse anwesend. Es regnete ununterbrochen und die Wege verwandelten sich mit zunehmender Benutzung zu rutschigen Schlammpisten. Die ca. 15 Dixi-Toiletten waren völlig verdreckt und es gab keine Möglichkeit sich die Hände zu desinfizieren. Unter notdürftig aufgehängten Planen sammelten sich die in Reisebussen ankommenden Geflüchteten.

Wir bauten die Küche und einen Ausgabestand eingereiht neben dem Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen auf. Dort gaben wir ab der Ankunft durchgängig Stunden warmes Essen und Tee aus. Warmes Essen und Chai waren wichtig, da die anderen Hilfsorganisationen nur kalte abgepackte Nahrung (vor allem Fischkonserven, Äpfel und trockenes Weißbrot) verteilten und abends bzw. nachmittags ihre Sachen einpackten. Nachts kamen jedoch die meisten Geflüchteten an.

Bei Ankunft der Busse wurden die Geflüchteten meistens in Empfang genommen, notdürftig über die Situation informiert und konnten sich unter Zeitdruck und in Hektik an den Ständen versorgen. Meistens bekamen es nicht alle mit oder Infos fehlten völlig. Viele fragten an unserem Stand nach, in welchem Land sie sich befanden, wie weit die Grenze entfernt sei oder was passieren wird.

Danach mussten sie sich sammeln und wurden in Gruppen von höchstens 50 Personen eingeteilt und in Richtung Grenze geführt. Dies wurde vor allem von den tschechischen Volunteers gemacht, die ein Stück weiter auf dem Weg einen Versorgungspunkt mit u.a. Kleidung und Wasser aufgebaut hatten. An der Grenze selbst waren nur drei kroatische Grenzbullen, die die Leute in Gruppen haben passieren lassen.

Jede Menschengruppe wurden von den tschechischen Volunteers an die Bullen übergeben. Diese Reglementierung und enge Kooperation war das Resultat von einer Eskalation einige Tage zuvor. Mehrere tausend Menschen wollten gleichzeitig über die Grenze, worauf die kroatischen Bullen mit Schlagstöcken und Tränengas reagierten und mehrere Menschen durch sie im Gedränge verletzt wurden.

Auch wir haben Ansagen der Regierungsbeauftragten und Bullen Folge geleistet (Transpi abhängen), da wir es nicht riskieren wollten, nicht weiter kochen zu dürfen. Die Frage nach dem eigenen Handlungsoptionen führte zu Diskussionen bei uns: Wie weit darf eine Kooperation mit Staat und Bullen gehen? Was sind mögliche Konsequenzen bei Widerstand für Geflüchtete? Wie weit können wir gehen? Was wir jedoch selber bestimmen können, ist unser Verhalten gegenüber Geflüchteten. Wir lehnen jeglichen paternalistischen und autoritären Umgang ab, den wir häufig bei anderen Freiwilligen und Hilfsorganisationen beobachtet haben.

 

Die ganze Situation wurde durch den Regen und Schlamm erheblich erschwert, insbesondere für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und kleine Kinder. Viele Menschen hatten nur dünne Kleidung an und kaum Gepäck dabei. Es gab nicht genügend Platz, sich unterzustellen und so wurden Leute nass und froren. Zwar wurden Regenponchos verteilt, diese reichten aber oft nicht für alle.

 

In der Nacht zum 30.9. hörten wir, daß ab dem nächsten Morgen 6000 Geflüchtete erwartet würden. Zwischen 5 und 7 Uhr morgens kamen dann ununterbrochen sehr viele Busse an. Danach nur noch vereinzelte nicht vollbesetzte Busse. Die Hilfsorganisationen bauten sich ab dem Morgen auf, auch die Presse war wieder vor Ort, aber man wartete in dieser Szenarie vergeblich auf Geflüchtete. Es kursierte das Gerücht, dass Busse wieder nach Preševo (Mazedonische Grenze) zurückgeschickt wurden, um eine Registrierung durchzuführen.

Dann begannen die Diskussionen mit dem UNHCR der kroatischen Seite und beiden serbischen Regierungsbeauftragten, die unserer Küche vorwarfen, verantwortlich für Magen-Darm-Erkrankungen der Geflüchteten zu sein und uns aufforderten, die Ausgabe von Essen einzustellen. Es wurde uns so dargestellt, dass es zu Konflikten zwischen den beiden Staaten kommen würde, wenn in Serbien nichts dagegen unternommen werden würde, dass Menschen mit Krankheiten nach Kroatien einreisten. Der Hinweis, dass es nicht an der Küche liegen könne, da alle – auch die anderen Volunteers und Leute der Hilfsorganisationen - davon versorgt wurden, wurde ebenso wie die Wichtigkeit von warmen Essen und Tee für die Geflüchteten abgetan. Die anwesenden Ärzte berichteten, dass die Menschen wegen der unzureichenden Versorgung in den Tagen zuvor bereits mit Magen-Darm-Erkrankungen ankamen. Dass Menschen seit Tagen kein richtiges Essen zu sich nehmen konnten, wurde mit völliger Ignoranz oder Sätzen wie von einer UNHCR-Mitarbeiterin „Wenn Leute fünf Tage nichts gegessen haben, und einen weiteren nichts bekommen, verhungern sie nicht gleich.“ kommentiert.

Später trafen Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes aus Belgrad ein, die im Schlepptau der Bullen zur Küche kamen. Nach längerer Diskussion stellte sich heraus, daß sie „nicht zum Diskutieren, sondern zum Befehlen“ erschienen waren und stellten uns ein Ultimatum von zwei Stunden den Ort zu verlassen. Wir entschlossen uns zu gehen. Auch alle anderen Organisationen mussten -teilweise in noch kürzerer Zeit- zusammen räumen, was dazu führte, daß viel Material und große Mengen Essen dort gelassen werden mussten.

 

Wie schon Leuten in Kroatien zuvor, machten auch wir die Erfahrung, dass staatliche Instanzen und das Rote Kreuz versuchen, selbstorganisierte Strukturen zu verdrängen bzw. zu kontrollieren. Freiwillige ohne Akkreditierung werden vom Roten Kreuz nicht mehr geduldet, ihnen der Aufenthalt und ihre Arbeit untersagt. Es soll keine emanzipatorischen Ansätze in der Unterstützung der Menschen auf der Flucht geben. Geflüchtete stellen für Staat und Rotes Kreuz eine anonyme Masse dar, die kontrolliert, gelenkt und verwaltet werden soll. Menschlichkeit und Solidarität haben dort nicht nur keinen Platz, sondern werden strategisch verhindert. Die immer mehr zunehmende Militarisierung war anhand der Eindrücke an den Grenzen und im Lager Opatovac deutlich sichtbar.

 

Unter diesen Aspekten messen wir der praktischen Solidarität und Unterstützung für Geflüchtete zwar eine wichtige Bedeutung zu, wollen aber nicht darin stehen bleiben. In unserem Handeln nimmt dies eine wichtige Rolle ein, aber die politische Arbeit sollte darüber hinaus Perspektiven (weiter-)entwickeln. Besonders wichtig finden wir die Vernetzung, Zusammenarbeit und Unterstützung von selbstorganisierten Strukturen (wie z.B. No Border Serbia) und der Kämpfe und Autonomie der Refugees. Diese gilt es zu stärken.

Unser Aufenthalt vor Ort an der Grenze hat uns in dieser Einschätzung bestärkt, aber auch unsere Fragen wie wir das umsetzen können, nicht beantwortet bzw. neu aufgeworfen.

 

In diesem Sinne:

 

No Charity, But Human Rights

Open The Borders

No One Is Illegal

No Nation, No Border

 

 

weiterführende Links:


„Liveticker Balkanroute“ - bordermonitoring

Facebookseite mit Artikeln über den Soli-Küchen-Konvoi „Ain't no Border High Enough“

Volunteers cross borders to fill gaps in refugee crisis response - American Aljazeera

Fotostrecke zum Grenzübergang Bapska

Twitter: #presevo, #tovarnik, #openbordercaravan

 

Videos:

Borders Kill - Die letzten Tage der Ungarn-Route - graswurzel.tv

Stop the war against migrants! Terror on the SRB-HUN border

 

 

aktuelle Brennpunkte:

URGENT CALL FOR SUPPORT: Situation in Presovo (Serbisch-mazedonische Grenze)

 

Infos zur Aktion in Lübeck, wo bereits mehreren tausend ankommenden Refugees die Weiterreise nach Skandinavien ermöglicht wurd:

@AntifaLuebeck

@fluechtlingsforum

 

URGENT CALL FOR SUPPORT: Situation in Presovo (Serbisch-mazedonische Grenze)

https://linksunten.indymedia.org/de/node/155444

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sehr ähnlich habe ich die Situation in Bapska auf der Kroatischen Seite des Grenzübergangs erlebt.

ich war vom 26.9. bis 2.10. vor Ort.

Es gab eine schwedsche Kuch-crew, ein Chai/Essens Zelt, Kleider Zelt und nach ein paar Tagen auch einen Wickeltisch.

Bevor die Refugees bei uns von 2-3 kroatischen Bullen vorbei gescheucht wurden, und teilweise nur ne Minute zeit hatten um sich mit Tee, Essen oder Schuhe/Kleidung zu versorgen, passierten sie das rote Kreuz und das UNHCR, welche jeden Abend nach Hause gingen und erst Morgens um 8-10Uhr wieder kamen. Meistens auch mit dem Gesundheitsamt im Schlepptau, die warmes Essen, Tee und nicht originalverpacktes essen verboten. Mit der Drohung, uns in Gewahrsam zu nehmen.

auch war das wegwerfen von Müll ein Thema, wieso die Refugees immer wieder von den Bullen angeschnautzt wurden.

Nachdem die 70 Busse mit Refugees von Presevo nach Berkasovo wieder zurück geschickt wurden, weil sie anscheinend nicht registriert waren und spät in der Nacht 30.1. bei uns ankamen, hörten wir von mehreren Refugees, dass sie von serbischen Bullen mit Elektoshoks attakiert wurden. (leider gibt es dazu keine Berichterstattung).

absoluter Höhepunkt war die Nacht vom 1.10  auf den 2.10. ein Polizeichef feierte seinen Geburtstag an der Grenze in Bapska und lud neben den ganzen kroatischen Bullen auch alle Volunteers ein. Damit alle Zeit zum feieren hatten wurde der Grenzübergang für ne Weile gesprerrt. Von den Schwedischen Köchen gab es eine Geburtstagskuchen (obwohl sie seit mehreren Tagen nicht mehr warm kochen durften) und es floss wie die Nächte zuvor viel Rakija (um die "gute Zusammenarbet mit den Bullen" aufrecht zu erhalten, dennoch wurde von den Cops die Chai/Essensausgabe willkürlich erlaubt und wieder verboten...)

ein Bulle zeigte sich angetrunken in seiner kompletten rassistischen Art und meinte, wir Volunteers würden unser Geld und unsere Zeit verschwenden, die Refugees hätten die Unterstützung gar nicht verdient, sie seine ja sowieso keine echten Flüchtlinge. Er wäre ja vor zwanzig Jahren ein echter Flüchtling gewesen und ihm uns seiner Familie hätten wir schliesslich auch nicht geholfen...

Das war der Grund um zu gehen!

Hier ein Hilferuf aus Presevo:

 

***Und wir dachten nach unserem Besuch dort letzte Woche es geht kaum schlimmer. Und es geht doch. Ob der aktuellen katastrophalen Lage in ‪#‎Preševo‬ wollen wir hier daher den Erfahrungsbericht eines freiwilligen Helfers dokumentieren.

 

Dies ist ein aktueller Erfahrungsbericht von der serbisch mazedonischen Grenze aus Presevo (Sonntag, 11.10.15), wo tausende Menschen unter katastrophalen Bedingungen in Regen und Kälte ohne Zugang zu ausreichend Wasser, Essen und medizinischer Versorgung ausharren. Es werden dringend Unterstützer_innen, Geld- und Sachspenden benötigt! Ihr könnt mir gerne schreiben, um direkten Kontakt zu den Menschen an der Grenze zu bekommen.

Wir sind nach ca 30 Stunden Autofahrt nun seit 2 Tagen in Presevo an der Grenze von Serbien zu Mazdeonien. Unser Van war vollgepackt mit Essen, Kocher,Decken, Zelten, Jacken etc. und wir haben riesen Glueck gehabt, dass wir ueberhaupt nach Serbien gelassen wurden, da Hilfsguetertranporte und humanitaere Hilfe generell meist verwehrt wird. Ein absurdes politisches Spiel. Nur dadurch, dass wir inszeniert haben zu einem Technofestival in Thessaloniki zu fahren, konnten wir passieren.

(Triggerwarnung: Beschreibung der schlimmen Zustaende hier.)

Die Situation hier in Presevo ist schrecklich. Es kommen ununterbrochen tausende Menschen von der mazedonischen Grenze hierher, wo sie nach stundenlangem Warten registriert werden, nur um die offizielle Erlaubnis zu haben sich 72 Stunden in Serbien aufzuhalten. Es regnet fast permanent in Stroemen, nachts faellt oft die Elektrizitaet aus, es ist dunkel, kalt und nass und die Menschen warten teilweise 13 Stunden stehend in einer umgitterten Schlange bis sie in das Camp gelassen werden, wo sie mit Decken, wovon es viel zu wenig gibt, und ein bisschen Suppe versorgt werden, um sich dort ein Papier mit Stempel abzuholen.

Anschliessend werden sie rausgelassen auf einen Vorplatz, auf dem es warmes Essen und Chai gibt. Wenn sie die Schlange verlassen, weil sie schlafen wollen oder zu erschoepft sind um zu stehen, z.B. Familien, muessen sie sich danach wieder hinten anstellen. So kommt es, dass einige Leute 2 Tage warten muessen bis sie endlich einen Bus bekommen, der sie fuer 35 Euro an die naechste Grenze nach Babska in Kroatien faehrt.

Als wir ankamen wurde inmitten dieser schlimmen, vermuellten Situation eine Hochzeit gefeiert. Absurder haette das alles nicht sein koennen.

Es ist alles so pervers. Die serbischen Taxifahrer_innen und viele Privatpersonen mit Autos organisieren sich mafioes und versuchen die Refugees vor der langen Schlange abzufangen und sie zu ueberreden, dass sie ein Taxi nehmen. Sie werden abgezockt und fuer viel viel zu viel Geld irgendwohingefahren und dann rausgelassen. Diese Autos versuchen aus der absoluten Krisensituation auch noch Geld ohne Ende zu schlagen. Wir versuchen die Menschen zu informieren und von den kriminellen Taxifahrer_innen abzuraten. Wenn sie in der Schlange stehen, muessen sie im Dauerregen stundenlang warten. Die Polizei laesst sie haeppchenweise vor und scheut sich nicht davor wild mit Schlagstoeckern rumzuspielen und die Menschen wie Dreck zu behandeln.

Es sind so unfassbar viele Menschen, viele Kinder, Schwangere, kranke oder verletzte Menschen, die gerade den Kriegs- oder Krisengebieten entflohen sind und nun hier wieder auf die absolute Demuetigung stossen. Anders als an den kroatischen oder slowenischen Grenzübergängen werden Schwangere, Muetter mit Babies oder Menschen, die nicht mobil oder krank sind, hier nicht bevorzugt sondern muessen auch ausharren.

Um 3 Uhr nachts macht Registrierung zu und erst um 8 Uhr morgens wieder auf, das heisst solange muessen alle im Regen stehen oder sie suchen sich Schutz in leeren Laeden, unter Planen oder in den wenigen Zelten, die wir aufgebaut haben.

Es gibt nur 1 Arzt im Camp und dahin duerfen nur die absolut dringendsten Faelle, quasi lebensbedrohliche Faelle. UNHCR und andere NGO machen nachts Feierabend. Es ist einfach unglaublich, in solch einer katastrophalen Situation Feierabend zu machen! Die Mehrheit der Menschen ist voellig unterkuehlt, Babies und Kinder sehen nur noch apathisch aus. Fast alle Menschen haben kreideweisse Haende, manche sind barfuss. Hypothermie (Unterkühlung) ist hier quasi Normalzustand, zitternde super erschoepfte Menschen, die kaum noch stehen koennen.

Die Presse ist nicht da. Wir kochen und uebernehem nun die Essensversorgung auf dem Vorplatz und versuchen regelmaessig Chai in die wartende Menschenschlange zu geben. Es mangelt hier an allem, vor allem brauchen wir mehr Unterstuetzer*innen.

Die letzte Nacht war der Horror. Es hat in Stroemen geregnet, die Abwasserkanaele waren verstopft und die Strasse war ein Fluss. Wir standen teilweise bis kurz unters Knie im Wasser, der ganze Muell schwamm umher, alle waren nass, unterkuehlt, hungrig und so erschoepft! Kinder schreien kaum noch, weil sie nur noch apathisch sind.
Ich habe eine Familie getroffen. Die Mutter war klitschnass, hatte nur ein duennes Tshirt an, hochschwanger und mit Baby umgeschnallt. Der Vater und die anderen beiden Kinder auch voellig fertig und ausdruckslos. Wir konnten ihnen ein Zelt yum Ausruhen geben. Ich habe den Saeuglich zum Zekt getragen, weil die Mutter es nicht mehr konnte, wir mussten sie stuetzen. Durch eine tiefe ueberschwemmte Wiese haben sie sich dorthin geschleppt. Zum Glueck konnten wir ein paar Decken und Bananen auftreiben. Alle waren am Zittern und haben kaum noch ein Wort gesprochen.

Direkt danach habe ich ein Zelt auf der Strasse gesehen, dass schon voellig unter Wasser stand und wollte schauen ob dort Menschen drin schlafen. Als ich das Zelt aufgemacht hab, waren dort 4 Kinder, die aelteste vielleicht 7 Jahre alt, der Juengste eineinhalb oder so. Sie waren allein ohne Eltern. Ich konnte aus den paart Woertern Englisch der Aeltesten nur verstehen, dass die Eltern gegangen waren ohne zu erfahren wohin. Mit zwei anderen haben wir die Kinder da rausgeholt und zum Arztzelt getragen. Der Kleine auf meinem Arm war bis auf ein Tshirt komplett nackt und hat so gezittert, wie ich es noch nie gesehen hab. Ich konnte ihn nur durch ganz festes Anmichdruecken etwas auffwaermen. Alle Kinder waren total apathisch und abwesend. Wir haben den Namen der Mutter rausgefunden und wollten Decken organisieren um die Kinder zu waermen, dann hat die Polizeichefin uns verboten auf das Camp zu gehen und wir konnten beides nicht machen. Wir sind in der Naehe des Zeltes geblieben um zu schauen, ob die Eltern zurueckkommen um die Kinder zu holen und dann kamen sie. Die Mutter war super panisch als sie das leere Zelt gesehen hat, sie wollten sich registrieren und die Kinder spaeter abholen. Aber die Familie hat sich wiedergefunden, zum Glueck!

Eine Mutter hat gestern nacht ihr ungeborenes Babz verloren, vielleicht weil sie einfach nicht mehr konnte.

Es gibt viele solcher grauenhaften, unfassbaren Geschichten von einzelnen Menschen hier.

Der Regen hat zum Glueck heute tagsueber kurz nachgelassen und die Leute konnten sich etwas aufwaermen und trocknen. Nachmittags ist ploetzlich das Militaer mit Maschinengewehren aufgetaucht. Mitten auf dem Platz. Sie haben nichts getan, ausser Macht zu demonstrieren und einzuschuechtern, dann sind sie wieder gefahren.

Auch hier ist alles so repressiv, Hilfe wird kriminalisiert, zumindest selbstorganisierte, NGOs lassen sich wenig in Aktion blicken und das meiste laeuft eben ueber die Menschen, die einfach hierherkommen und helfen. In unserer Kueche werden wir viel von wartenden Refugees unterstuetzt, deren Busse noch nicht fahren. Wir koennen in einem Lagerraum auf den UNHCR Decken schlafen, schlafen aber eher wenig. Die Lage ist echt schlimm und ich habe Angst vor der naechsten Nacht. Wie soll man schutzsuchenden Menschen erklaeren, dass sie ab nun mindestens 12 Stunden im kalten Regen warten muessen um dieses ueberfluessige Papier zu bekommen und dann auch noch Geld bezahlen sollen, um an die kroatische Grenze zu kommen? Vor allem schwangeren Frauen oder Familie mit Saeuglingen? Wir versuchen auf uns aufzupassen, aber das hier emotional zu verarbeiten ist kaum moeglich, weil kein Raum da ist und weil es teilweise so surreal erscheint, was hier passiert. Aber gemeinsam mit vertrauten Menschen können wir uns hier zumindest immer wieder neue Kraft geben und die Wut und Trauer teilen.

Viele Volonteers reisen heute nacht ab, weil morgen wieder die Woche beginnt.

 

Wir brauchen dringend Unterstuetzung hier mit allem. was geht. Essen, Wasser, Decken, Regencapes, Geld, Aerztinnen, Unterstzuetzer_innen! Falls ihr noch Menschen mit Kapazitaeten kennt, gebt diese Infos bitte weiter!***


Fuer mehr und aktuelle Infos und Kontaktaufnahme zu den Leuten an der Grenze:

http://balkanroute.bordermonitoring.eu/ (Live-Ticker der Balkangrenzen)

https://www.facebook.com/SOSkonvoi/timeline/ (Facebook- Updates des sosKonvois)

https://www.google.com/…/viewermid=zddfRUtGScOc.kQBgTQcoV5F… (Refugee Help Map – Übersichtskarte, wo was gebraucht wird)

http://www.soskonvoi.com/ (Kontaktaufnahme zu den Leuten von SOS Konvoi in Wien)