Geflüchteten Menschen eine Stimme zu geben, fällt nicht immer ganz leicht, auch und vor allem wegen sprachlicher Barrieren. Die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung in der Messehalle 4 versuchen seit einigen Wochen auf sich aufmerksam zu machen. Nun demonstrierten sie gemeinsam mit Unterstützern im Zentrum der Stadt für ihre Rechte.
Gestartet war das Protestcamp der Geflüchteten bereits im September. Auf einer Freifläche direkt gegenüber der Messehalle schlugen mehrere hundert von ihnen ihre Zelte auf und versuchten, auf die ihrer Ansicht nach miserablen Bedingungen in der Massenunterkunft aufmerksam zu machen. Die Landesdirektion Sachsen reagierte mit einem Rundgang für Pressevertreter, nach dessen Ende Aussage gegen Aussage stand. Erhalten die Menschen tatsächlich zu wenig medizinische Versorgung, Kleidung und Nahrungsmittel? Oder mangelt es vor allem an Information und sprachlichem Verständnis?
Klar ist: Aus Sicht vieler Geflüchteter stellt sich ihre Lage prekär dar. Sie müssen nicht nur gemeinsam mit 1.800 anderen Menschen in einer einzigen großen Halle wohnen und schlafen, sondern sind auch komplett vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten. Seit Wochen warten sie auf ihre Registrierung als Asylsuchende und deswegen auch auf Bargeld, um sich Selbstbestimmung und beispielsweise Mobilität leisten zu können. Eine Demonstration in der Innenstadt wirkt daher auch wie ein Akt der Befreiung, zumindest für einige Stunden.
Der Weg führte beginnend am Willy-Brandt-Platz über den Markt bis zur Dienststelle der Landesdirektion in der Braustraße. Begleitet wurde der Demozug von einigen „besorgten“ Blicken, Zwischenfälle gab es jedoch keine. Immer wieder ertönte aus dem Lautsprecherwagen eine kurze, aber klare Durchsage: „Wir wollen keine Geschenke und dem Staat nicht auf der Tasche liegen, sondern nur unsere Menschenrechte.“
Auch auf Bannern und in vorgefertigten sowie spontanen Redebeiträgen kam zum Ausdruck, dass es den Geflüchteten nicht um Wohlstand, sondern um Bildung, Arbeit, Sicherheit und vor allem eine „Bleibeperspektive“ – um einmal das aktuelle Lieblingsunwort vieler Politiker aufzugreifen – sowie eine zügige Bearbeitung ihrer Fälle geht. „Wir sind nicht nur Geflüchtete, sondern vor allem Menschen, die ein Leben in Würde fordern“, hieß es dazu im zentralen Aufruf, der mit den Worten schließt: „Heute zeigen wir unsere Solidarität mit allen Nicht-Bürgern in Deutschland und Europa – gegen Dublin und reaktionäre Asylpolitik.“
Abgesehen von den etwa 300 Demonstrierenden, einem Dutzend Polizisten sowie zwei neugierigen Frauen an einem Fenster ließ sich bei und von der Landesdirektion auf der Abschlusskundgebung niemand blicken. Der Kampf für die Interessen der Geflüchteten geht also weiter. Zum Beispiel Samstagnachmittag, 14 Uhr, erneut auf dem Willy-Brandt-Platz, dann unter dem Motto: „Was noch?! Dritte Asylrechtsverschärfung stoppen!“
Wer sich konkret über die Aktivitäten im Protestcamp an der Neuen Messe auf dem Laufenden halten möchte, kann auf Twitter dem Account „Refugee-Support LE“ folgen. Oder einfach mal vorbeischauen und beispielsweise Lebensmittel oder Interesse für die Situation von Notleidenden mitbringen.