Berlin: Adbusting-Protest zum Tag der Deutschen Einheit

Adbusting am Bundespresseamt

Wer auf dem Weg zum Coca-Cola-Festival am Brandenburger Tor oder bei der offiziellen Festveranstaltung am Reichstag war, hat sie vielleicht gesehen: In Berlin haben Adbusting-Künstler zugeschlagen. Adbusting ist eine immer beliebter werdende Protestform, bei der Werbeplakate verändert oder ausgetauscht werden. Mit ihren Entwürfen kritisieren die unbekannten Künstler die geplanten Asylrechtsverschärfungen und die Verharmlosung von Rassisten als "besorgte Bürger".

 

Adbusting am Bundespresseamt
Die Adbusters, die sich „Gruppe Kunst-Krawall gegen Nationalismus und Ausgrenzung (gkkgn)“ nennen, verbesserten ein Plakat am Bundespresseamt gegenüber des Bahnhofes Friedrichstraße. Ursprünglich sah man dort im Großformat ein historisches Foto vom Staatsakt vor dem Reichstag am 3. Oktober 1990. Diese Darstellung ergänzte die Gruppe um die leicht veränderte erste Zeile der Nationalhymne: „Einigkeit, Recht und Ausländerfeindlichkeit?“

Es gibt keinen harmlosen Nationalismus
„Mit etwas Anstrengung kann man auf dem Bild sogar die Reichsfahnen sehen, die damals geschwungen wurden“ sagt Angela Gabriel, die Anführerin der Gruppe. „Vom Brimborium der nationalen Einheit führt ein direkter Weg über Asylrechtsverschärfungen zu brennenden Menschen“ analysiert sie mit Blick auf die anstehenden Asylrechtsverschärfungen. „Es gibt keinen harmlosen Nationalismus. Das denken in 'Wir' vs. 'Die' führt immer zu Ausgrenzung und in letzter Konsequenz zu rassistischen Gewalttaten“.

Adbusting in Bushaltestellen
Darüber hinaus ersetzten die Krawall-Künstler in den Werbeträgern in Bushaltestellen einige kommerzielle Werbungsplakate durch zwei eigene Motive. Auf dem einen Plakat sind zwei Piktogramm-Darstellungen eines Mobs zu sehen, der versucht, Geflüchtete anzuzünden. In der oberen Darstellung tragen die Mob-Piktogramme eine Reichsflagge. Die Überschrift lautet: "Nazis greifen Geflüchtete an". In der unteren Darstellung wird "Schwarz-Rot-Gold" gezeigt. Die Überschrift lautet: "Besorgte Bürger greifen Geflüchtete an". Die als "besorgte Bürger" verharmlosten patriotischen Alltagsrassisten aus der "Mitte der Gesellschaft" sind genauso schlimm wie Nazis."  

Willkommenskultur?
Das zweite Poster zeigt die Logos der Regierungsparteien CDU und SPD und der Slogan: "Wir stehen für Willkommenskultur". Dabei ist das Wort "Willkommenskultur" rot durchgestrichen und ergänzt durch das Wort "Asylrechtsverschärfung". "Dieses Motiv zeigt die heuchlerische Haltung der deutschen Bundesregierung" sagt Angela Gabriel. "Statt der postulierten "Willkommenskultur" fährt die Bundesregierung - wie in den Neunzigern im Schatten der Progrome - eine rassistische Asylpolitik." Das Recht auf Asyl werde erneut massiv eingeschränkt, die ohnehin skandalös dürftige staatliche Unterstützung weiter eingestampft. Geflüchtete müssten oft in der Isolation der Heime ihr dasein ohne Chance auf gesellschaftliche Teilhabe fristen. "Diese Zustände als "Willkommenskultur" zu bejubeln ist insbesondere vor dem Hintergrund rassistischer Mobilisierung in ganz Deutschland ekelhaft".

Den Spiegel vorhalten
Der Text zur Aktion am Bundespresseamt persiflierte die übliche Hetze der Hauptstadtpresse gegen linke Aktionen. Zu der gelungenen Intervention am Bundespropaganda-Amt hieß es:  „Wie gemein kann man sein! Während ganz Deutschland seine wiedererlangte nationale Einheit feiert, hat die linksextremistische Chaoten-Szene von Berlin nichts besseres zu tun, als allen den Spaß zu verderben.“ Auf diese Weise wird mit dem auch als Pressemitteilung verschicktem Schreiben den Lesenden der Spiegel vorgehalten.

Ironisches Überspitzen
In einem weiteren Absatz auf satirische Weise gezeigt, wie der angeblich harmlose deutsche „Party-Patriotismus“ nahtlos in ausschließende Menschenfeindlichkeit kippt. Die Autorinnen fordern ironisch, eine dritte Asylrechtsverschärfung vorzunehmen: „Nicht nur in Schnellverfahren abgelehnte Asylbewerber sollten in als „sicher“ erklärte Krisenländer ohne weitere Ankündigungen in Nacht-und-Nebel-Aktionen abgeschoben werden dürfen. Vielleicht sollten wir diese Praxis auch auf alle, die uns unseren Nationalstolz und Patriotismus nicht gönnen, ausweiten. Dann könnten wir den Heiligabend vielleicht endlich in Einigkeit und Ruhe und Frieden im Kreise unserer Familien verbringen, ohne befürchten zu müssen, dass Ausländer und pop-linke Hipster uns die Frauen und Jobs wegnehmen.“

Selbst Grüne neigen zum aggressiven Nationalismus
Wie sehr das von der Aktionsgruppe gemalte Bild vom deutschen Nationalismus der Realität entspricht, untermalen sie mit im Adbusting untergebrachten Links zu einem erklärenden Text. Darin zeigt das Redaktionsteams des linke Szene-Blogs „maqui.blogsport.eu“ anhand von aktuellen Politikerinnen-Zitaten, dass in Deutschland selbst Humanität nicht ohne nationalistische Rhetorik auskommt. Am überraschendsten dürfte sein, dass selbst Grüne wie Boris Palmer in vom maqui zitierten Interviews mittlerweile zu einer nationalistischen „Das-Boot-ist-voll-Rhetorik“ greifen, um bei den „besorgten Bürgerinnen“ zu punkten.

Hintergrundinfos:

Indymedia-Artikel: "Linke Chaoten attackieren Einheitsfeier"


Text, auf den Gruppe „Gruppe Kunst-Krawall gegen Nationalismus und Ausgrenzung (gkkgn)“ in ihren Kunstwerken verweist.


Die geplanten Asylrechtverschärfungen


Protest im Willy-Brandt Haus gegen Asylrechtsverschärfung

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