Legida: Leipzigs Ratsfraktionen warnen vor Radikalisierung

Erstveröffentlicht: 
23.09.2015

Stadtpolitik zeigt sich besorgt / Islamfeindliches Bündnis kündigt zwei Demos pro Woche an

 

VON ANDREAS TAPPERT UND ROBERT NöSSLER


Leipzig. Nahezu alle Ratsfraktionen befürchten, dass sich die Legida-Demonstrationen in den nächsten Wochen weiter radikalisieren werden. Auch der Lebensrhythmus der Stadt werde durch die regelmäßigen Demonstrationen immer stärker beeinträchtig. Legida will heute kurz nach 19 Uhr vom Kleinen Willy-Brandt-Platz gegen den Uhrzeigersinn um den gesamten Innenstadtring ziehen. Von Legida sei bislang nur die heutige Mittwochs-Demo angemeldet worden, sagt Stadtsprecher Matthias Hasberg. Die bereits für die nächsten Montage vorliegenden Anmeldungen hätten aber weiter Bestand. Legida-Chef Markus Johnke hatte am Montag angekündigt, nun immer montags und mittwochs demonstrieren zu wollen.


Die CDU-Fraktion sieht vor allem in der Konfrontation von Rechts- und Linksextremen ein Gefahrenpotenzial. "Leipzig braucht weder linken noch rechten Radikalismus", sagt CDU-Stadtrat Achim Haas. Er kenne aber auch Legida-Demonstranten, die nicht auf Krawall aus sind. "Die Politik gibt nicht auf alle Fragen Antworten, die die Menschen bewegen", so Haas. Viele hätten Angst, dass die Kriegsflüchtlinge Deutschland überfordern würden. "Diese Angst teile ich nicht", so der Christdemokrat. "Aber auch mir gefällt nicht der Missbrauch von Leistungen und die rund vierjährige Verweildauer von Flüchtlingen, die überhaupt keine Chance auf Anerkennung ihres Asylantrages haben." Deshalb müsse in Leipzig jeder das Recht behalten, seine Meinung frei zu äußern. "Auch wenn die Auswirkungen der Demonstrationen für Leipzigs Wirtschaft schädlich sind", sagt Haas mit Blick auf die Innenstadt.


SPD-Fraktionschef Axel Dyck stellt eine zunehmende Radikalisierung bei Legida fest. "Früher gab es unter den Demonstranten eine breite Schicht, die eine grundsätzliche Sorge über die politische Entwicklung in Deutschland angetrieben hat - das hat sich verändert." In den letzten zwei, drei Wochen seien Leute dabei gewesen, die durchaus in die rechte Ecke gestellt werden könnten. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht in eine Spirale geraten, in der zunehmend Frust und Gewalt erzeugt werden." Denn es sei absehbar, dass bei den Demonstranten und Gegendemonstranten bald nur noch ein harter Kern erscheint, der gewaltbereit ist. "Ich habe auch Angst davor, dass sich abseits stehende Leute Leipzigs öffentlichen Raum aneignen und das öffentliche Leben in der Stadt beeinträchtigen", so Dyck.


Linken-Fraktionschef Sören Pellmann (Die Linke) hält es für angebracht, bei einer weiteren Radikalisierung über das Einschränken des Demonstrationsrechtes nachzudenken. "Wenn erhebliche Gefahren von einer Demonstration ausgehen, rechtfertigt das ein Demonstrationsverbot." Auch er will nicht ausschließen, dass es unter den Gegendemonstranten ebenfalls vereinzelt Gewalttäter geben könnte. "Aber die Gewalt bei den Demonstrationen geht von Legida aus."


Für Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft haben die Legida-Demonstranten mit den jüngsten Gewalttätigkeiten "ihre Maske fallen gelassen". Krefft: "Nun hat jeder gesehen, dass sie klar gewalttätig sind." Deshalb seien bei den Gegendemos kaum noch Ältere und Familien mit Kindern anzutreffen. In der City falle es Besuchern und Arbeitnehmern immer schwerer, zum Ziel zu kommen. "Legida terrorisiert Leipzig", schrieb Grünen-Landeschef Jürgen Kasek bei Facebook.


Die AfD-Ratsfraktion macht für die Entwicklung linke und rechte Gewalttäter verantwortlich. "In Deutschland ist es eine Straftat, wenn angemeldete Demonstrationen durch Sitzblockaden verhindert werden", erklärte AfD-Stadtrat Christian Kriegel. Wenn die Polizei nicht in der Lage sei, die Sitzblockade zu beseitigen und der Demonstrationszug eine Stunde lang warten müsse, sei es nicht verwunderlich "wenn einige Fußballfans irgendwann sagen, es reicht". Kriegel: "Ich will die Gewalt nicht rechtfertigen, aber solche Durchbrüche sind von linker Seite fast bei jeder Demo an der Tagesordnung."


Stadtrat René Hobusch (FDP) appellierte an die Polizei und die Veranstaltungsbehörde, Schlüsse aus den Gefahrenprognosen zu ziehen. "Sie können Auflagen verfügen und sogar festlegen, dass bestimmte Personen an der Demonstration nicht teilnehmen dürfen", so der Rechtsanwalt. Die Störung durch Dritte, also zum Beispiel durch gewalttätige Gegendemonstranten, könne den Veranstaltern aber nicht angelastet werden. "Dagegen muss die Polizei vorgehen."


Ob Legida heute die gewünschte Demonstrationsroute um den gesamten Ring genehmigt bekommt, war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen. Denkbar seien Auflagen, so Stadtsprecher Hasberg. Um solche Auflagen zu vermeiden, hat Legida die Teilnehmerzahl diesmal offenbar bewusst niedrig angesetzt. "Angemeldet wurden 50 bis 100 Teilnehmer", so Hasberg. Bei der Demo am Montag wurden 700 bis 900 Teilnehmer gezählt.


OBM Burkhard Jung (SPD) erklärte: "Wir haben in Leipzig in einem großen Bündnis gezeigt, wie man auf menschenverachtende Parolen reagiert: klar widersprechen! Und der Widerspruch muss überall erfolgen: auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen, in den Familien. Rechtsstaat und Zivilgesellschaft lassen sich von Rassisten nicht verführen und nicht vorführen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten der Leipziger Bürgerschaft für die klare Haltung. Mein Appell: keine Gewalt."


Nach der Legida-Demo am Montagabend ist es an der Haltestelle Tröndlinring zu einer Schlägerei gekommen. Zwei Angreifer hätten dabei Legida-Teilnehmer ins Gesicht und auf den Hinterkopf geschlagen, so Polizeisprecherin Katharina Geyer. Mindestens eines der Opfer wurde verletzt. Der Staatsschutz ermittelt. Insgesamt wurden 19 Straftaten registriert.