Die Demonstration der Karlsruhe Refugee Community brachte am Samstag, den 19.09.2015 ca. 600 Menschen auf die Straße. Gemeinsam mit den Beteiligten des Aktionstags gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Co., die sich nach ihrer Kundgebung am Kirchplatz dem Demonstrationszug anschlossen, wurde auf globale Zusammenhänge von Profit, Not und Flucht hingewiesen und der aktuelle Umgang Deutschlands mit Flüchtenden kritisiert.
Die Karlsruhe Refugee Community gründete sich im Jahr 2014 aufgrund alltäglicher Unrechtserfahrungen zuerst als Selbsthilfe-Netzwerk, ins Besondere zur gegenseitigen Unterstützung bei Rechtsfragen. Durch erfolgreiche gemeinsame Proteste gegen entmündigende Praktiken, wie die Ausgabe von Lebensmittelmarken anstelle des Barsatzes, wurde politische Beteiligung für die offene Gruppe bedeutend. Vielen Flüchtenden werden regelmäßig Rechte vorenthalten oder sie bleiben ihnen unverständlich.
„So fordern wir aber nicht nur die uns zustehenden Rechte ein, sondern grundlegende Menschenrechte, denen wir uns in Deutschland beraubt sehen, wie die Reisefreiheit, das Recht auf Arbeit oder die Wahl des Wohnortes. Wir fordern die Möglichkeit einer aktiven gesellschaftlichen Beteiligung und ein Recht auf ein würdiges und selbst bestimmtes Leben.“,
so
Moses Oyinde, Pressesprecher der Karlsruhe Refugee Community.
Die Demonstration formulierte diese Forderungen und nahm Deutschland für zahlreiche Fluchtursachen in die Verantwortung. Als Profiteur von Krisen und Kriegen und Mitverursacher ungleicher globaler Ressourcenverteilung hat Deutschland eine weit größere Verantwortung, als Flüchtende auf zu nehmen. Koloniale Machtverhältnisse ermöglichen nach wie vor die Ausbeutung armer Länder. Besonders die unter „Land Grabbing“ bekannte Spekulation mit Agrarland ist ein aktueller Faktor für die verstärkte Not auf der einen und deutscher Konjunktur auf der anderen Seite. Das Selbe gilt für die deutsche Waffen- und Technikindustrie, die sich Dank FRONTEX und dem europäischen Abschottungsapparat neue Absatzmärkte geschaffen hat und eine direkte Bedrohung für Migrierende darstellt.
Die Abwehrpraxis an den Außengrenzen Europas verhindert keine Flucht, sondern verschlimmert Leid, drängt Flüchtende auf riskante und kostspielige Routen. Dabei bleiben gerade die Schwächsten auf der Strecke, die Stärkeren tragen körperliche und psychische Schäden davon.
„Diesen „Krieg gegen MigrantInnen“, wie er bereits 2008 im Appell von Bamako bezeichnet wurde, verurteilen wir aufs Schärfste. Besonders Deutschland hat dieses Gesicht Europas nach außen geprägt.“, so Oyinde.
Doch ebenso erleben Flüchtende tagtäglich menschenunwürdige Lebensbedingungen in Deutschland.
„Wir beklagen besonders die Lagerunterbringung, oft weit außerhalb von Ortschaften, die eine gesellschaftliche Ausgrenzung befördert und versinnbildlicht.“
Laut PRO ASYL ist die Lagerunterbringung von Flüchtenden erheblich kostspieliger, als Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Das gleiche gilt für den Ausschluss von Asylsuchenden vom Arbeitsmarkt. Asylverfahren dauern oft Jahre, in denen Asylsuchende kein Recht haben, etwas biographisch Sinnvolles zu tun. Täglich müssen sie um ihre Zukunft fürchten. Ein Zugang zu Deutschkursen ist zwar gesetzlich vorgesehen, bleibt vielen jedoch vorenthalten. Die Chancen auf ein positives Ergebnis der meisten Asylverfahren sind minimal. Die Angst vor Abschiebung schlägt sich auf Gesundheit und psychische Verfassung nieder.
Rassistische Kontrollen sind an der Tagesordnung und verstärken das Bild des „kriminellen Ausländers“ in der Öffentlichkeit. Dennoch ist „racial profiling“ in Deutschland legal. Dieser strukturelle Rassismus befördert rassistische Haltungen in der Bevölkerung und heizt die Stimmung weiter an, die aktuell, nach Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte wie in Heidenau und Rottenburg im August/ September 2015, an die Pogrome der 90er Jahre erinnern muss.
Zahlreiche Redner*innen erinnerten an die PEGIDA-Aufmärsche, die in diesem Zusammenhang zu sehen sind und stellten die Situation in Karlsruhe mit den fortwährenden Demonstrationen des rechtsradikalen Widerstand Karlsruhe besonders heraus.
„Gruppen wie Widerstand Karlsruhe stellen für uns eine akute Bedrohung dar, eine reale Angst, die wir abends mit ins Bett tragen.“
„Heute sind wir motiviert, haben öffentlich ausgesprochen, was niemand hören will: Deutschland missachtet Menschenrechte! Wir haben unsere Stimme erhoben, obwohl wir still und hilflos auf unsere Abschiebungen warten sollen und wir haben Solidarität erfahren. Und so werden wir weiter machen. Wir danken allen hilfsbereiten Menschen aber erinnern auch daran, dass Kleiderspenden alleine nicht die unmenschlichen Gesetze verändern können, die all dieses Elend verursachen. Wir zielen auf politische Veränderung ab und laden jeden und jede herzlich ein, hierbei solidarisch und mutig zu sein.“
Karlsruhe Refugee Community
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