Fremdenhass nur ein Problem im Osten?

Erstveröffentlicht: 
01.09.2015

Forscher analysieren rechte Einstellungen

 

Von Christiane Jacke und martin Fischer


Berlin/Dresden. Ministerpräsidenten aus dem Osten warnen davor, Fremdenhass als alleiniges Problem der neuen Länder abzutun. Aber was sagen die Zahlen. Eine Analyse:


Ist der Osten fremdenfeindlicher als der Westen?

 
Ein Blick in die Kriminalstatistik: Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 17000 rechtsmotivierte Straftaten registriert. Vor allem die Zahl der rechten Gewalttaten stieg rasant - gegenüber dem Vorjahr um fast 23 Prozent auf 1029 Delikte. 409 davon wurden in Ostdeutschland gezählt - das ist ein Anteil von fast 40 Prozent. Auch bei der Zahl der rassistischen Gewalttaten lag der Osten weit vorn. Jede zweite (61 von bundesweit 130) dieser explizit fremdenfeindlich motivierten Taten wurde dort verübt. Dabei stellen die Ost-Länder weniger als 20 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung. Rechte Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte wurden im ersten Halbjahr 2015 ebenfalls zu mehr als 40 Prozent im Osten registriert.


Die Aussagekraft der Kriminalstatistiken ist allerdings umstritten. Kritiker beklagen, viele rechtsextreme Straftaten tauchten dort gar nicht auf, weil die Polizei den eigentlichen Hintergrund nicht richtig erfasse. Unabhängige Stellen kommen auf höhere Fallzahlen.


Und wie sieht es in den Köpfen aus, gibt es hier Unterschiede zwischen Ost und West?

 
Forscher untersuchen seit Jahren wie weit rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft verbreitet sind. Offensive rechte Positionen finden demnach immer weniger Zustimmung. Was zunimmt, sind aber Ressentiments gegenüber bestimmten Gruppen wie Asylbewerbern. Die Wissenschaftler haben auch die regionale Ausprägung rechter Positionen ausgewertet. Ein Ergebnis: Ausländerfeindliche Einstellungen gibt es überall, am ausgeprägtesten aber im Osten.


Wie profitieren rechte Parteien davon?

 
Die rechtsextreme NPD - zwischenzeitlich fast in der Bedeutungslosigkeit verschwunden - konnte nach der Wende wieder zulegen und vor allem im Osten Fuß fassen. 2004 zog sie in Sachsen erstmals seit 1968 wieder in ein Landesparlament ein. Schon fünf Jahre zuvor war das der rechtsextremen DVU in Brandenburg gelungen. Heute ist die NPD nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. In vielen Orten ist sie allerdings noch mit regional großen Unterschieden verankert.


Die AfD, die bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr im Osten ebenfalls mit nationalen und teils rechtspopulistischen Themen um Stimmen warb, schaffte in Sachsen mit 9,7 Prozent erstmals den Sprung in ein deutsches Landesparlament. Thüringen und Brandenburg folgten kurze Zeit später mit 10,6 beziehungsweise 12,2 Prozent. Eine sächsische Besonderheit ist Pegida.


Und das Fazit?

 
Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt sind keineswegs ein rein ostdeutsches Phänomen. Allerdings sind die Probleme im Osten stärker ausgeprägt als in anderen Teilen der Republik.