Einen Tag nach der Enttarnung einer ehemaligen verdeckten Ermittlerin durch die linke Szene hüllt sich die Polizei weiter in Schweigen. Unklar bleibt, mit welchem Auftrag die Beamtin unter dem Tarnnamen "Maria Block" von 2009 bis 2012 verdeckt ermittelte. Ebenso, ob sie dabei mögliche Rechtsverstöße beging, wie von der Szene behauptet wird.
Intern im Polizeiapparat aber rumort es: Mit Hochdruck geht man der Frage nach, wie dieser schlimmste anzunehmende Fall eintreten konnte. Und es gibt Ansätze für die Behauptung, die Polizei könnte ihrer Sorgfaltspflicht nicht vollends nachgekommen sein. Bekannt ist, dass über Maria B. bereits im Jahr 2003, also sechs Jahre vor ihrem verdeckten Einsatz, berichtet worden war. Sie trat mit Wissen der Polizeiführung öffentlich auf und wurde so unter anderem auch in der "Welt", der "Welt am Sonntag" und der "Berliner Morgenpost" porträtiert.
Schill-Initiative warb die Beamtin aus Berlin ab
Grund: Die 1983 geborene Beamtin hatte ihre Ausbildung in Berlin begonnen und war dann mit zahlreichen anderen Kollegen nach Hamburg gewechselt, was auf eine Initiative des damaligen rechtspopulistischen Innensenators Ronald Schill zurückging. Es existieren in diesem Zusammenhang mehrere Fotos von der Beamtin. Sie wurde etwa auf dem Titel des Mitgliedermagazins der Polizeigewerkschaft DPolG, dem "Polizeispiegel", abgebildet. Spekuliert wird, dass die Szene mittlerweile solche Veröffentlichungen benutzt, um Polizisten in ihren Reihen zu enttarnen.
"Der Umgang mit verdeckten Ermittlern in Hamburg zeigt eine gewisse Unprofessionalität", sagt der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Jan Reinecke. Er fragt: Warum werden Polizisten für solche Einsätze rekrutiert, die zuvor bereits öffentlich dargestellt wurden? Und: Warum wurde die Polizistin ähnlich wie im Fall Iris P. nach dem verdeckten Einsatz weiter in Hamburg beschäftigt und wechselte nicht etwa in die Polizei eines anderen Bundeslandes, wo die Entdeckungsgefahr deutlich niedriger gewesen wäre. "Sie hier wieder einzusetzen, gefährdet ganz klar die Kollegen", kritisierte Reinecke. Die gängigen Sicherheitskonzepte dürften so etwas nicht zulassen.
In einem fast 20 Seiten starken Dossier hatten linke Aktivisten zahlreiche Fakten über den Einsatz der Beamtin Maria B. aber auch persönliche Daten zusammengefasst – und damit die Sicherheit der Polizistin gefährdet, kritisierte Joachim Lenders, der Chef der größten Hamburger Polizeigewerkschaft DPolG. Mit der Enttarnung gleichzeitig auch die persönlichen Daten des engsten familiären Kreises und sogar die Adresse der Polizistin zu veröffentlichen, sei "übelste Machart". Damit würden die Hintermänner bewusst in Kauf nehmen, dass radikalere Kräfte den Fall zum Anlass nehmen, Gewalt gegen die Enttarnte auszuüben.
Eigene Ermittlungsgruppe der linken Szene?
Angesichts der beiden jüngsten Enttarnungen geht Gewerkschaftschef Joachim Lenders davon aus, dass in der Szene eine eigene Ermittlungsgruppe aktiv sei, "die sich in der Szene genau solche Fälle genauer anguckt". Dabei würden vor allem ehemals aktive Personen in den Blick genommen, die sich plötzlich aus der Szene gelöst haben.
Dass die Polizei ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben könnte, sieht Lenders im Gegensatz zu Reinecke nicht. "Es kann immer dazu kommen, dass ein verdeckter Ermittler nach seinem Einsatz erkannt wird." Schließlich müssten sich die Polizisten in Hamburg auskennen und hätten deshalb auch ihr Lebensumfeld oftmals in der Hansestadt. Viel wichtiger aber sei, dass verhindert werde, dass Polizisten im Einsatz enttarnt werden. Dies würde ein weitaus größeres Sicherheitsrisiko für die Beamten bedeuten. Bislang habe es solche Fälle in Hamburg nicht gegeben.
Den jetzt insbesondere von links geforderten Stopp aller verdeckten polizeilichen Maßnahmen kann Lenders nicht nachvollziehen. "Diese Forderung ist absurd." Eine verdeckte Ermittlung sei immer an die Weisung eines Richters und damit an Recht und Gesetz gebunden. Wer solche Forderungen aufbringe, verkenne Ursache und Wirkung. Schließlich gehe es bei solchen Einsätzen immer darum, Straftaten aufzuklären und die Strukturen bei organisierter Kriminalität oder in gewaltbereiten und staatsgefährdenden Szenen aufzuhellen, egal ob linksradikal, rechtsradikal oder radikal religiös geprägt. "Wir brauchen als Polizei diese Mittel", betonte Lenders, sonst "werden wir auf dem Ermittlungsauge blind." Auch der BDK-Chef Reinecke betont: Verdeckte Ermittler, Vertrauenspersonen oder sogenannte Beobachter für Lagebeurteilung (BfL) seien absolut notwendige Ermittlungsinstrumente.
Enttarnung von "Maria Block" beschäftigt Innenausschuss
Am Freitag befasst sich der Innenausschuss der Bürgerschaft mit dem Thema verdeckte Ermittlungen in Hamburg. Im Fokus steht dabei der Fall von "Iris Schneider", die als verdeckte Ermittlerin vor allem im Umfeld des linksautonomen Zentrums Rote Flora eingesetzt worden war. Ende 2014 wurde ihr Fall öffentlich. Seitdem wird er auch politisch aufgearbeitet. Doch am Freitag werde es auch um den neuen Fall, um die Enttarnung von "Maria Block" gehen, kündigte die SPD-Fraktion an, die den Vorsitz im Ausschuss hat. "Die genauen Hintergründe gilt es jetzt sehr sorgfältig aufzuklären", sagte Arno Münster, innenpolitischer Sprecher der Fraktion.
Genau das erwarten die anderen Fraktionen auch von Innensenator Michael Neumann (SPD), der rechtzeitig zur Sitzung aus dem Urlaub zurückgekehrt sein wird. "Ich gehe davon aus, dass der Innensenator, die Anschuldigungen – auch zum Schutz der Beamtin – prüft und dem Innenausschuss die Ergebnisse dieser Prüfung vorlegt", sagte Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Dass der Senat zu dem Fall bereits in der Sitzung am Freitag ausreichende Aussagen treffen könne, glaube seine Fraktion indes nicht. "Wir erwarten da Gründlichkeit und keinen Schnellschuss."
Dennoch müsse der Senat in der Lage sein, Stellung zu dem Fall zu beziehen, forderte Carl-Edgar Jarchow, Innenpolitikexperte der FDP. Dass wieder eine verdeckte Ermittlerin durch die linke Szene enttarnt worden sei und die Anschuldigungen, die gegen "Maria Block" erhoben werden, seien ein Hinweis "auf andauernde strukturelle Fragen in Hamburger Sicherheitsbehörden".