Maria B. hatte sexuelles Verhältnis in Tarnidentität

Erstveröffentlicht: 
26.08.2015

Innerhalb weniger Monate hat die linke Szene in Hamburg eine zweite verdeckte Ermittlerin enttarnt. Die Polizei bestätigte den Fall bereits. Auch der Einsatz von Maria B. wirft Fragen auf.

 

Das Foto zeigt eine junge Frau. Sie lacht, den Mund weit geöffnet. Ein paar Haarsträhnen, zu langen Dreadlocks verzwirbelt, liegen auf der Schulter. Aufgenommen wurde es augenscheinlich in einer griechischen Taverne, vermutlich 2009, anlässlich eines linken Protestcamps gegen die europäische Grenzpolitik. Die Frau jedoch ist keine linke Aktivistin. Sie ist eine verdeckte Ermittlerin aus Hamburg.

In der Nacht zu Mittwoch wurde die Polizeibeamtin Maria B., die sich in der Szene als "Maria Block" vorgestellt haben soll, enttarnt. Eine linke Recherchegruppe veröffentlichte kurz nach Mitternacht ein Internet-Dossier über ihren verdeckten Einsatz. Auf etwa 20 Seiten trugen die Verfasser Fotos und persönliche Daten zusammen, zeichneten ihre Aktivitäten und ihren Werdegang nach.

In Kopenhagen von der dänischen Polizei abgeführt

Von 2009 bis 2012 soll sie in der antirassistischen und antifaschistischen Szene Hamburgs aktiv mitgewirkt, Freundschaften gepflegt, regelmäßig Wohnungen linker Aktivisten betreten und auch ein Liebesverhältnis geführt haben, so die anonymen Autoren. Sie soll Demonstrationen und andere Proteste vorbereitet haben, so etwa gegen die Innenministerkonferenz im November 2010. Sie soll an Straftaten beteiligt gewesen sein. In Belgien, Griechenland und Dänemark soll sie linke Protestaktionen begleitet haben. In einer Videoreportage, die die Gegenproteste gegen die UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen dokumentierte, soll zu sehen sein, wie Maria B. von dänischen Polizisten abgeführt wird.

Die Enttarnung ist ein herber Schlag sowohl für die Innenbehörde als auch für die Polizei, die den Hintergrund von Maria B. bereits bestätigte. "Ja", sagte Sprecher Timo Zill am Mittwoch, "es ist eine Hamburger Polizeibeamtin betroffen." Und: "Die Gesamtumstände werden derzeit geprüft." Die Sicherheitsbehörden müssen sich nicht nur um die Sicherheit der Frau sorgen, die Enttarnung kommt ihnen schon deshalb ungelegen, weil sie in einem ähnlichen Fall unter Druck geraten sind.

Erst Ende 2014 war die vermeintliche Rote-Flora-Aktivistin Iris P. von einer anderen linken Gruppe enttarnt worden. Die Polizistin soll bei ihrem fünfjährigen Einsatz, der 2006 endete, zahlreiche Vorgaben für die verdeckte Aufklärung gebrochen, insbesondere aber durch ihr Mitwirken im linken Spartensender FSK das Grundrecht der Rundfunkfreiheit verletzt haben. Aufschluss darüber soll der Bericht der Innenrevision der Innenbehörde geben, die den Fall auf Weisung von SPD-Innensenator Michael Neumann untersucht, und ihre Erkenntnisse am Freitagabend im Innenausschuss der Bürgerschaft vorstellen soll.

Ermittlerin soll Liebesbeziehung geführt haben

Dass sich Senator Neumann, der am Mittwoch noch in der Türkei weilte, angesichts der jüngsten Enttarnung auf weitere unbequeme Fragen einstellen muss, daran ließ die Linken-Politikerin Christiane Schneider keinen Zweifel. Schließlich weisen der Fall Iris P. und Maria B. große Ähnlichkeiten auf. Allein der Vorwurf, Maria B. sei, so wie Iris P., unter ihrer Tarnidentität ein sexuelles Verhältnis eingegangen, wiegt schwer und wirft die Frage auf, ob auch sie die rechtlichen Grenzen ihrer Tätigkeit überschritt. Für Neumann brisant: War Iris P. noch unter der CDU-Schill-FDP-Koalition in den Einsatz gegangen, fällt der von Maria B. unter seine Ägide.

"Wenn die Vorwürfe zutreffen, dann offenbart das ein großes Problem der Polizei", sagt denn auch die linke Innenexpertin Schneider. Entweder habe sie ihre Beobachter für Lagebeurteilung (BfL) "nicht unter Kontrolle und nimmt ihre Rechtsbrüche stillschweigend in Kauf, oder sie ordnet die absolut unverhältnismäßigen Eingriffe in Grundrechte und die Rechtsbrüche ihrer Beamtinnen an." Beides sei inakzeptabel. Mit einer Kleinen Anfrage an den Senat will Schneider die aus ihrer Sicht drängenden Fragen klären lassen. Nicht zuletzt auch, warum Maria B. überhaupt verdeckt eingesetzt war.

Den Einsatz der ersten verdeckten Ermittlerin Iris P. im Umfeld der Flora hatte Polizeipräsident Ralf Meyer damit verteidigt, dass es gewalttätige Auseinandersetzungen und schwerwiegende Straftaten gegeben habe. Er äußerte sich auch klar zu der angeblichen Liebesbeziehungen, die Iris P. während ihres Einsatzes eingegangen sein soll: "Solche Mittel wollen wir nicht einsetzen und solche Mittel setzen wir nicht ein."

Maria B. hatte Schlüssel zu Roter Flora

Auch Maria B. war in der Roten Flora oft zu Gast: Wie Aktivist Andreas Blechschmidt erklärt, hatte Maria B., die er im Gegensatz zu Iris P. nur vom Sehen gekannt habe, auch einen Schlüssel zur Flora. Zum Plenum, dem engeren Zirkel des autonomen Zentrums, habe sie aber nicht gehört. Ihr langjähriges Einsatzgebiet war, glaubt man den Autoren, die sie enttarnten, vielmehr die sogenannte AntiRa-Kneipe in der Hafenstraße.

Unklar lassen die Autoren, wie Maria B.s falsche Identität letztlich aufflog. Sie selbst soll den Ausstieg aus der Szene vor knapp drei Jahren mit einer neuen Liebesbeziehung begründet haben. Ihre falsche Abschiedsstory soll keine Aufmerksamkeit erregt haben. Wie die Szene die Beamtin dennoch enttarnte, ist wohl eine Frage, die die Polizei noch weitaus mehr als alle anderen Fragen beschäftigen wird.