Nauen: Kundgebung und Spontandemo nach mutmaßlichem Brandanschlag auf Flüchtlingsnotunterkunft

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Nach dem in der Nacht zu Dienstag eine als Notunterkunft für Flüchtlinge geplante Sporthalle abbrannte, hatten am frühen Abend ungefähr 350 Menschen im havelländischen Nauen Flagge gegen Rassismus gezeigt. Ab 18.00 Uhr fand dazu zunächst eine Kundgebung an der Baustelle zum geplanten Flüchtlingsheim am Waldemardamm statt. An dieser nahmen zahlreiche antirassistische und antifaschistische Initiativen, Politiker aus dem Bund, Land, Kreis und der Kommune sowie Bürger_innen teil.

 

In mehreren Redebeiträgen wurde sich über die offensichtliche Brandstiftung entrüstet und zu mehr Toleranz und Weltoffenheit aufgerufen. Auch Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann war unter den Rednern. Er hatte bereits am Vormittag einer Erklärung veröffentlicht, in dem sich die Stadtverwaltung den mutmaßlichen Brandanschlag scharf verurteilt. „Sollte das Feuer tatsächlich auf einen mutwilligen Brandanschlag zurückzuführen sein, sprechen wir hier von einer feigen und sinnlosen Tat, die an Niederträchtigkeit kaum zu überbieten ist“, so Bürgermeister Fleischmann.

 

Anschließend formierte sich die Kundgebung zu einer spontanen Demonstration und zog dann zunächst durch ein Neubaugebiet, das von Neonazis und Rassist_innen in der jüngsten Vergangenheit immer wieder als Aufmarschgebiet genutzt wurde. Danach ging es Richtung Bahnhof bis zum Kreisverkehr in der Dammstraße und von dort durch die Altstadt.

 

Vereinzelt ließen sich kurzzeitig auch Neonazis am Rande der Demonstration sehen. Diese zogen es dann aber vor, schnell wieder zu verschwinden.

 

Zur abgebrannten Sporthalle führte die Demonstration allerdings nicht. Die Straße zur Halle war wegen den anhaltenden Löscharbeiten vollständig gesperrt.

 

Die Polizei ermittelt zurzeit zu den genauen Umständen des Brandes. Ein technischer Defekt wird aber weitgehend ausgeschlossen. Brandstiftung erscheint als die wahrscheinlichste Ursache.

 

Hetzkampagne von Neonazis und Rassist_innen


Der mutmaßliche Brandanschlag auf die geplante Notunterkunft in Nauen ist der traurige Höhepunkt einer beispiellosen Eskalation rassistischer Stimmungsmache im Havelland. Ausgehend von massiven Hetzkampagnen lokalen neonazistischer Organisationen und rassistisch motivierter Bürger_innenvereinigungen im Internet, kam es hier bereits im Februar 2015 zu Tumulten bei einer Stadtverordnetenversammlung, als über den Verkauf eines Grundstückes der Stadt Nauen an den Landkreis abgestimmt werden sollte. Neonazis und Rassist_innen provozierten den Abbruch der Veranstaltung und konnten nur durch den Einsatz der eiligst heranbeorderten Bereitschaftspolizei vom Gelände entfernt und zerstreut werden.

 

Die Planung der Errichtung einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende konnten die Störer_innen zwar nicht aufhalten, führte jedoch in den folgenden Wochen eigene Hetzversammlungen durch. Von März bis Juli 2015 fanden allein sechs derartige Veranstaltungen statt, die wahlweise von Aktivisten der NPD, „Freien Kräften“ oder Vereinigungen mit ähnlicher Intension angemeldet wurden. Eine besondere Rolle spielte u.a. dabei auch der derzeitige NPD Stadtrat Maik Schneider. Gegen ihn wird zurzeit u.a. wegen der Tumulte bei der Nauener Stadtverordnetenversammlung ermittelt. Er soll dort als Rädelsführer aufgetreten sein. Heute war er ebenfalls kurzzeitig am Rande der Kundgebung zu sehen.

 

Unrühmliche Anschlagsserien


Bereits in den 1990er Jahren gab es in und um Nauen eine aktive, gewaltbereite Neonaziszene. Am 3. September 1992, wenigen Tage nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen,brannte beispielsweise ein bewohntes Asylbewerberheim in Ketzin/Havel, südlich von Nauen,nach einem neonazistischen Angriff mit Molotow-Cocktails vollständig aus. Wie durch ein Wunder kam dabei niemand ums Leben.

 

In den 2000er Jahren setzte die neonazistische Terrorvereinigung „Freikorps Havelland“ die Spur des Feuers weiter fort. Die Täter_innen setzten dabei mehrere Lokale und Imbissstände von Migrant_innen im Osthavelland in Brand. Der damals gefasste Haupttäter aus einer Gemeinde in der Nähe von Nauen war nach Verbüßung seiner Haftstrafe weiterhin im Neonazimilieu aktiv und nahm an diversen Versammlungen von NPD und „Freien Kräften“ teil. Zudem verkehrte er regelmäßig in einem inzwischen geschlossenen Szenetreffpunkt in Nauen.

 

Auch die aktuelle Anschlagsserie auf Parteibürosin Nauen trägt eindeutig neonazistische Züge. Dabei wurden mehrfach Einrichtungen der Partei DIE.LINKE und der SPD mit neonazistischer Propaganda beklebt, mit Farbbomben angegriffen oder die Fensterscheiben eingeschlagen.

 

Fotos:

https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157657730820612

 

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