Bei den Krawallen in Heidenau haben Rassisten aus Freital offenbar kräftig mitgemischt. Vieles spricht für eine abgesprochene Aktion.
Von Ulrich Wolf
Die Botschaft auf der Facebook-Seite der Bürgerwehr Freital vom vergangenen Sonnabend ist eindeutig: Wer mit nach Heidenau fahren möchte, solle zur Aral-Tankstelle in Freital kommen. „In den nächsten 30–45 Minuten. Fahrzeuge sind mitzubringen.“So ging es munter weiter. „Fährt zufällig jemand aus Freital nach Heidenau und hat noch einen Platz?“, fragt ein Facebook-Nutzer. „Ja. Fahren aber später los“, lautet die Antwort. Sie stammt von Timo S., der auf den Krawallvideos von Heidenau zu identifizieren ist.
Hauptberuflich ist er Busfahrer, in seiner Freizeit organisiert er nach SZ-Information die Bürgerwehr Freital. Die hatte sich gegründet, nachdem zwei Marokkaner mehrere Schüler in einem Linienbus belästigt und geschlagen haben sollen.
Es gab Zeiten wie im Dezember vorigen Jahres, als S. noch Pegida-Sympathisant war. Doch das war ihm wohl zu lasch. Nun trifft er sich mit anderen Radikalen in der Freitaler Timba-Bar und tanzt zur Musik der rechtsextremen Hip-Hop-Band A3Stus, die in diesem Jahr bereits in Freital aufgetreten ist. Gestern warnte er auf seiner Facebook-Seite „alle, die in Heidenau, Freital oder in der Zeltstadt dabei waren“ vor angeblich bevorstehenden Hausdurchsuchungen. Ob das bloß Wichtigtuerei war oder ein ernst gemeinter Hinweis oder gar ein Leck bei der Polizei, blieb gestern offen.
Mit ihm Boot sitzt jedenfalls eine weitere Freitaler Gruppierung, die ihr rechtsextremes Gedankengut ungeniert auf Facebook postet: „Widerstand Freital“.
Beide Organisationen finden in Heidenau genügend Gleichgesinnte: Rund 1 250 Heidenauer stimmten bei der Stadtratswahl 2014 für den NPD-Mann Rico Rentzsch. Der sozialdemokratische Konkurrent des Neonazis erhielt 200 Stimmen weniger. Dabei ist der 27 Jahre alte Rentzsch vorbestraft wegen Körperverletzung und Volksverhetzung. Der NPD-Landesverband Sachsen bezeichnet ihn als einen „der führenden Aktivisten der asylmissbrauchskritischen und überparteilichen Initiative ,Nein zum Heim‘“.
Rentzsch macht auf Facebook aus seiner Aufgabe als Heidenauer Lokalpolitiker keinen Hehl: „Lasst uns dieses Heim endlich schließen. Für unsere Kinder, für unsere Zukunft, für unser Vaterland!!!!!!“ Allerdings hat er auf den Stadtratssitzungen seit der Wahl mehrfach unentschuldigt gefehlt. Stattdessen beschäftigt sich der gelernte Maler lieber mit Fußball und Boxen. Auch er fährt auf die Musik von A3Stus ab. Der Linke-Landtagsabgeordnete Lutz Richter beteuert, Rentzsch in den Krawallnächten gesehen zu haben. Der NPD-Mann war es auch, der die Demonstration angemeldet hatte. Seine Partei betont, die Gewalt sei erst zwei bis drei Stunden nach dem Ende der Proteste ausgebrochen. Es sei „daher schlicht und einfach falsch“, die NPD dafür verantwortlich zu machen, hieß es.
Nach SZ-Recherchen war der NPD-Treff „Haus Montag“ in Pirna Dreh- und Angelpunkt der Heidenauer Krawalle. Einschlägig bekannte Neonazis hätten sich dort bis spät in die Nacht aufgehalten, berichten Augenzeugen. Das „Haus Montag“ ist seit Oktober 2013 nach NPD-Angaben ein „sozial-regionales Netzwerkprojekt für Identität und Kultur“.
Die Betreiber des Hauses kommentierten die Vorfälle in Heidenau auf Facebook nicht weiter. Dort fand sich stattdessen nur ein Satz. Der lautet: „Die Zukunft, die wir uns heute nicht erkämpfen, werden wir morgen nicht haben.“ (mit SZ/wei/sca)