„Balkan-Flüchtlingen das Taschengeld streichen!“

Erstveröffentlicht: 
12.08.2015

Dresden – Kein Thema bestimmt die Politik diesen Sommer so sehr wie Asyl.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Sachsen. Doch die Regierung scheint überfordert. In BILD spricht Innenminister Markus Ulbig (51, CDU) endlich Klartext.

 

BILD: Immer wieder Ärger in der Dresdner Zeltstadt zwischen Asylbewerbern. Sollten sie nicht besser nach Herkunft getrennt werden?


Ulbig: „Das klingt zu einfach. Wir haben rund 30 verschiedene Nationen. Und Flüchtlinge kommen, wie sie kommen – separate Unterbringung ist aktuell unmöglich.“

 

BILD: Ist das Camp eine humanitäre Katastrophe?


Ulbig: „Nein, nur eine Notlösung. Ein Zeltdach über dem Kopf ist aber immerhin noch besser als gar keins.“

 

BILD: Warum wurden die Flüchtlinge überhaupt in Zelte und nicht in Schulen und Turnhallen untergebracht?


Ulbig: „Weil in zwei Wochen wieder die Schule beginnt! Wir wollten den Unterrichtsbetrieb nicht stören.“

 

BILD: Zelte sollen durch Container ersetzt werden. Doch die sind knapp.


Ulbig: „Deshalb suchen wir europaweit und prüfen auch Alternativen, wie z.B. leerstehende Baumärkte.“

 

BILD: Und das Asylheim in Schneeberg?


Ulbig: „Wenn wir die Menschen aus den Zelten raus haben wollen, müssen wir alle Kapazitäten nutzen – also auch dort ggf. aufstocken. Es gilt unsere Zusage: Jeder kriegt bis zum Winter ein festes Dach über den Kopf.“

 

BILD: Und die Zusage an Schneeberg, dort die Anzahl der Flüchtlinge zu reduzieren – gilt die nicht?


Ulbig: „Sie galt nicht ab sofort! Erst brauchen wir das neue Standortkonzept mit drei großen Einrichtungen.“

 

BILD: Wie viele Asylbewerber kommen noch?


Ulbig: „Wenn ich das wüsste... Wir warten auf die nächste Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Allein im Juli hatten wir uns auf 4000 in Sachsen verdoppelt. Im August rechne ich mit 5000.“

 

BILD: Sachsen wirkt so unvorbereitet darauf.


Ulbig: „Sind wir nicht! Aber es gibt ständig neue Entwicklungen. Ich hätte Anfang des Jahres nie mit diesen Dimensionen gerechnet.“

 

BILD: Warum stimmen die BAMF-Prognosen nie?


Ulbig: „Fragen Sie den Bundesinnenminister, es ist seine Behörde.“

 

BILD: Und warum scheidet Sachsen bei der Bearbeitung von Asylverfahren so schlecht ab?


Ulbig: „Es liegt nicht an Sachsen. Die Anträge werden vom BAMF bearbeitet. Zur Zeit gibt es nur eine Außenstelle in Chemnitz – wir fordern deshalb zwei weitere in Dresden und Leipzig. Wir werden auf dem Asylgipfel im Kanzleramt Druck machen. Wir brauchen dringend schnellere Verfahren!“

 

BILD: Und das löst das Problem?


Ulbig: „Mit schnelleren Entscheidungen können syrische Flüchtlinge eine Wohnung bekommen, einen Job suchen, integriert werden. Und abgelehnte Bewerber z.B. vom Westbalkan werden nach Hause geschickt.“

 

BILD: Was bringt das?


Ulbig: „35% aller neuen Asylbewerber in Sachsen kommen aus dem Kosovo, Albanien oder Serbien – sie haben keine Chance auf Asyl. Mein Ziel ist es, dass sie sich gar nicht erst auf den Weg machen.“

 

BILD: Sie wollen ihnen Deutschland ausreden?


Ulbig: „Wir müssen die Anreize gering halten, sagen die Experten des UN-Flüchtlingshilfswerks. Zum Beispiel das Taschengeld. Es ist zwar nur ein kleiner Betrag: 143 Euro/Monat. Für Ehepartner 129 Euro, pro Kind gibt’s zwischen 84 und 92 Euro. Aber in ihrer Heimat liegt das durchschnittliche Familieneinkommen bei 180 Euro/Monat.“

 

BILD: Sie wollen also das Taschengeld kürzen?


Ulbig: „Am liebsten sofort. Wir brauchen klare Signale zum Westbalkan: Es lohnt sich nicht über Asyl hierher zu kommen – ihr werdet abgelehnt und müsst zurück. Das schließt aber normale Arbeitsmigration nicht aus – das wäre der richtige Weg.“

 

BILD: Wie viele abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber gibt es?


Ulbig: „In Sachsen rund 4500...“

 

BILD: ...und?


Ulbig: „Wir müssen konsequenter abschieben. Deshalb soll es auch das Pilotprojekt geben.“

 

BILD: Sie meinen das Abschiebecamp?


Ulbig: „Das ist der falsche Begriff. Wir wollen als Pilotprojekt 200 Asylbewerber innerhalb einer Erstaufnahmeeinrichtung unterbringen und schauen wie schnell das BAMF arbeiten kann. Im besten Fall gibt es nach zwei Wochen eine Entscheidung und dann fahren sie wieder heim. Dafür sind wir dann zuständig.“

 

BILD: Zur Zeit wäre das Projekt nur in Chemnitz möglich, weil es dort eine BAMF-Außenstelle gibt.


Ulbig: „Zur Zeit ist es noch gar nicht möglich, da wir keine 200 Plätze für Asylbewerber in einer Einrichtung reservieren können.

 

Aber wir arbeiten daran.“