Flüchtlingsdebatte: Ängste, aber auch Hilfsbereitschaft

Baumaschinen da, wo bisher ein Kickplatz war: In der Lörracher Straße laufen die Vorbereitungen für den Baun derr provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung.
Erstveröffentlicht: 
12.08.2015

Die einen haben Ängste, die anderen bieten Hilfe an: 200 Menschen haben in Freiburg über die neue Notaufnahmestelle für Flüchtlinge diskutiert – teils emotional, zum großen Teil aber sachlich.

 

Ende des Monats sollen die ersten 300 Flüchtlinge in zwei Zelthallen auf den ehemaligen Sportplatz der Polizeiakademie an der Lörracher Straße ziehen. Mit kürzester Vorlaufzeit muss das Regierungspräsidium beheizbare Leichtbauhallen mit Zeltdach errichten. Am Ende sollen 500 Flüchtlinge in dieser provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung unterkommen. Die Arbeiten laufen bereits.

Kurzfristig anberaumt wurde eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger, in der die Pläne für das Notaufnahmelager vorgestellt wurden. Mehr als 200 Interessierte kamen, so dass noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten. Es blieb weitgehend sachlich, auch wenn mitunter die Meinungen von besorgten Nachbarn auf die Ansichten von anwesenden Aktivisten prallten. "Kein Mensch flieht ohne Grund" hatten diese als Transparent ausgerollt.

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Regierungsvizepräsident Klemens Ficht nannte aktuelle Zahlen: 10.000 Flüchtlinge sind im Juli nach Baden-Württemberg gekommen, 4500 allein in den ersten elf Augusttagen. "Täglich sind es im Moment 500 bis 600 Menschen", so Ficht. Weil alle Erstaufnahmeeinrichtungen im Land heillos überfüllt sind, werden nun im Schnellstverfahren die zwei Leichtbauhallen auf dem Polizeiakademie-Sportplatz errichtet. "Es sind Menschen, versetzen Sie sich in ihre Lage", appellierte Ficht an die Anwesenden.

Zelt als Aufenthaltsraum, drei Mahlzeiten am Tag


Wie die Notaufnahmestelle aussehen soll, darüber berichteten Manfred Weiss vom Regierungspräsidium und Michael Borrmann, Leiter des Amtes für Vermögen und Bau in Freiburg. Neben den Leichtbauhallen als Unterkünfte gibt es ein weiteres Zelt als Aufenthaltsraum. Es gibt Sanitärcontainer, obwohl diese aktuell kaum noch zu bekommen seien, ähnlich wie auch Leichtbauhallen.

Eine Catering-Firma sorgt für drei Mahlzeiten am Tag, ein Sicherheitsdienst kontrolliert den Zugang zum umzäunten Gelände und soll verhindern, dass Unbefugte in die Unterkunft kommen. Die Pforte samt Zufahrt für Busse und Liefer-Lkw soll an der Ecke Lörracher-/Schildackerstraße liegen, neben dem E-Center. Das Regierungspräsidium verhandelt mit der Firma European Home Care (EHC), welche die Notunterkunft betreiben soll. "Wir haben mit EHC in Villingen-Schwenningen sehr gute Erfahrungen gemacht", so Regierungsvizepräsident Ficht. Unter den Zuhörern gab es jedoch auch andere kritische Stimmen.

"Es geht um die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte, die können wir nur zusammen meistern", sagte Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach, der leidenschaftlich um Unterstützung warb. Das Land habe für die provisorische Erstaufnahmeeinrichtung BEA in Freiburg einen für die Sozialbetreuung einen Schlüssel von 1 zu 100 zugesagt – ein Sozialarbeiter auf 100 Flüchtlinge. "Das ist besser als andernorts", entgegnete der Bürgermeister dem Raunen im Publikum. Von Kirchbach sprach von Behörden, die im Krisenmodus arbeiten, und sah Stadt und Regierungspräsidium in einer Verantwortungsgemeinschaft.

 

Anwohner: "Wir haben einfach Ängste"


Fragen gab es viele. "Wir haben einfach Ängste", sagten mehrere Anwohner. Kritik gab es an der Position der Zufahrt, auch am Standort insgesamt. Das sei "städtebauliche Barbarei", meinte jemand. Haslach werde über Gebühr belastet, sagte ein anderer Zuhörer. Nein, entgegnete Bürgermeister von Kirchbach. Die Flüchtlinge seien ziemlich gleichmäßig über die Stadt verteilt. Wie steht es um Lärm, wie mit der Sicherheit? "Die Polizei wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten kümmern", versprach Alfred Oschwald vom Polizeipräsidium Freiburg. Die Polizei habe sich bereits in anderen Städten mit Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) informiert.

Eine andere Frage war: Wird es der Freiburger Erstaufnahmeeinrichtung so gehen wie der in Ellwangen, die für 500 Menschen konzipiert war und die nun völlig überbelegt ist? Das Land wolle nicht die jetzigen Zelthallen zur späteren offiziellen LEA in den Gebäuden der Akademie betreiben. "Aber natürlich kann man im Moment nichts sicher sagen", antwortete der Regierungsvizepräsident.

Viele Fragen bleiben offen


Viele Fragen blieben am Dienstagabend offen. Etwa die nach dem eigentlich nicht vorhandenen Außenbereich um die Zelte herum. "Der Standort ist nicht optimal, es ist eben ein Provisorium", entgegnete Amtsleiter Borrmann.

 

Es gab viele Stimmen, die dafür warben, den Flüchtlingen zu helfen. Ehrenamtliche Unterstützung wurde angeboten und ist auch willkommen, wie die Behördenvertreter betonten. Es gelte besonders auf die Situation von Frauen und Kindern zu achten, mahnte mehrere Zuhörerinnen. "Suchen Sie die Nähe zu diesen Menschen, wie Sie die Nähe zu anderen Nachbarn auch suchen", riet eine Zuhörerin den Bewohnern der ECA-Siedlung, die dem Sportplatz gegenüber liegt.

"Es geht um Menschen, und es ist unsere Verpflichtung ihnen zu helfen, weil es uns besser geht", appellierte der Unternehmer Horst Zahner. Ein Bewohner aus der Nachbarschaft sagte, in seinem Haus seien bereits Kleiderspenden für die Flüchtlinge gesammelt worden. "Wir können das gut gebrauchen, die Kleiderkammern sind leer", antwortete Ansgar Fehrenbacher, Leiter des Referats Ausländerrecht beim Regierungspräsidium.

Und: Am Ende gab es noch ein Angebot von Regierungsvizepräsident Klemens Ficht an die Nachbarn: Diese könnten, wenn die Zelthallen fertig aufgebaut sind, das Notaufnahmelager vor Bezug besuchen, um sich selbst ein Bild vor Ort zu verschaffen.