Sprengstoff-Anschlag auf Auto von Freitaler Links-Politiker / Fraktionschef lässt sich nicht einschüchtern
Von Silvio Kuhnert
Freital. Ein lauter Knall riss Michael Richter in der Nacht zum Montag
aus dem Schlaf. Erst dachte der Linke-Stadt- und Kreisrat aus Freital
(Kreis Osterzgebirge-Sächsische Schweiz), jemand habe einen
Silvesterböller gezündet. Doch als er aus dem Fenster schaute, wollte er
seinen Augen nicht trauen: "Ich sah eine tiefschwarze Rauchwolke über
meinem Fahrzeug." Auf das Auto des 39-Jährigen, der sich für Asyl und
Flüchtlinge engagiert, wurde allem Anschein nach ein Anschlag verübt.
"Gott sei Dank ist niemand körperlich zu Schaden gekommen", sagte
Richter.
Der Stadtratsfraktionschef der Linken hatte seinen auffällig grünen
Golf IV in der Nacht zu Montag vor seinem Wohnhaus an der Dresdner
Straße in Freital abgestellt. Sein Auto stand parallel zu mehreren
anderen Wagen. Die Sicht von der Straße aus wird durch Bäume und Büsche
verdeckt, direkt vor dem vierstöckigen Haus verläuft eine kleine Straße,
die von der Hauptstraße zu den Parkplätzen führt. Durch die Explosion
gegen 0.45 Uhr erlitt der PKW von Richter einen Totalschaden. "Sowohl
die Front-, Heck- als auch die Scheiben der Beifahrertüren sind raus.
Das Dach und die Türen haben diverse Dellen", berichtete Richter.
Laut der Polizei ereignete sich die Explosion im Innenraum des VW. Durch
die Wucht und herumfliegende Teile wurde ein daneben abgestellter Skoda
Octavia ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Was genau zur Explosion
geführt hat, wird derzeit noch kriminaltechnisch untersucht. Die
Kriminalpolizei ermittelt "wegen der Herbeiführung einer
Sprengstoffexplosion" - und das in alle Richtungen. Zeugen, die im
Zusammenhang mit der Explosion verdächtige Personen beobachtet haben,
werden gebeten, sich zu melden. Hinweise nimmt die Polizeidirektion
Dresden entgegen.
Richter vermutet, dass der Anschlag aus der rechtsextremen Ecke kommt.
Schon während des Oberbürgermeister-Wahlkampfes habe der frühere
OBM-Kandidat "starke Ablehnung und auch Hass zu spüren bekommen". Denn
er organisiert immer wieder Pro-Asyl-Veranstaltungen und heißt
Flüchtlinge in Freital willkommen. Richter spürt eine sehr aufgeheizte
Stimmung in der Stadt. "Menschen, die sich für Flüchtlinge und Asyl
einsetzen, werden sowohl psychisch als auch physisch bedroht",
berichtete er. Auch er habe via sozialen Netzwerken im Internet
Morddrohungen wie "Stellt ihn an die Wand!", "Steinigt ihn!" oder
"Stellt ihn auf einen Scheiterhaufen und verbrennt ihn!" erhalten.
Durch die Drohungen und den Anschlag lasse er sich aber nicht
einschüchtern. "Ich mache weiter. Wir können die Straße, wir können die
Meinungsführerschaft nicht denen überlassen, die offen Hass gegen
Menschen propagieren", zeigte sich Richter entschlossen. Der rechte
Terror sei zurück in Sachsen. "Lassen wir ihn nicht gewinnen",
appelliert Richter an alle Demokraten.
Der Anschlag auf sein Auto sei für ihn nur die "Spitze des Eisberges".
In den jüngsten Monaten kam es in Freital wiederholt zu
Anti-Asyl-Demonstrationen und Pöbeleien vor dem zu einer
Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Hotel "Leonardo". Bei einer
Bürgerversammlung zum Thema Asyl gab es Tumulte.
Der Chef der Staatskanzlei, Fritz Jaeckel (CDU), stellte gestern klar,
dass es zunächst die Ermittlungen abzuwarten gelte. Dennoch äußerte er
sich grundsätzlich zur Situation: "Bedrohungen, Beschimpfungen oder
sogar Gewalt gegen Menschen, die Asylbewerbern helfen, können von den
staatlichen Einrichtungen nicht geduldet werden. Diejenigen, die mit
Gewalt gegen andere Menschen vorgehen, werden polizeilich verfolgt und
strafrechtlich auch zur Verantwortung gezogen."