"Ich sah eine tiefschwarze Rauchwolke über meinem Fahrzeug"

Erstveröffentlicht: 
28.07.2015

Sprengstoff-Anschlag auf Auto von Freitaler Links-Politiker / Fraktionschef lässt sich nicht einschüchtern

 

Von Silvio Kuhnert


Freital. Ein lauter Knall riss Michael Richter in der Nacht zum Montag aus dem Schlaf. Erst dachte der Linke-Stadt- und Kreisrat aus Freital (Kreis Osterzgebirge-Sächsische Schweiz), jemand habe einen Silvesterböller gezündet. Doch als er aus dem Fenster schaute, wollte er seinen Augen nicht trauen: "Ich sah eine tiefschwarze Rauchwolke über meinem Fahrzeug." Auf das Auto des 39-Jährigen, der sich für Asyl und Flüchtlinge engagiert, wurde allem Anschein nach ein Anschlag verübt. "Gott sei Dank ist niemand körperlich zu Schaden gekommen", sagte Richter.


Der Stadtratsfraktionschef der Linken hatte seinen auffällig grünen Golf IV in der Nacht zu Montag vor seinem Wohnhaus an der Dresdner Straße in Freital abgestellt. Sein Auto stand parallel zu mehreren anderen Wagen. Die Sicht von der Straße aus wird durch Bäume und Büsche verdeckt, direkt vor dem vierstöckigen Haus verläuft eine kleine Straße, die von der Hauptstraße zu den Parkplätzen führt. Durch die Explosion gegen 0.45 Uhr erlitt der PKW von Richter einen Totalschaden. "Sowohl die Front-, Heck- als auch die Scheiben der Beifahrertüren sind raus. Das Dach und die Türen haben diverse Dellen", berichtete Richter.


Laut der Polizei ereignete sich die Explosion im Innenraum des VW. Durch die Wucht und herumfliegende Teile wurde ein daneben abgestellter Skoda Octavia ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Was genau zur Explosion geführt hat, wird derzeit noch kriminaltechnisch untersucht. Die Kriminalpolizei ermittelt "wegen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" - und das in alle Richtungen. Zeugen, die im Zusammenhang mit der Explosion verdächtige Personen beobachtet haben, werden gebeten, sich zu melden. Hinweise nimmt die Polizeidirektion Dresden entgegen.


Richter vermutet, dass der Anschlag aus der rechtsextremen Ecke kommt. Schon während des Oberbürgermeister-Wahlkampfes habe der frühere OBM-Kandidat "starke Ablehnung und auch Hass zu spüren bekommen". Denn er organisiert immer wieder Pro-Asyl-Veranstaltungen und heißt Flüchtlinge in Freital willkommen. Richter spürt eine sehr aufgeheizte Stimmung in der Stadt. "Menschen, die sich für Flüchtlinge und Asyl einsetzen, werden sowohl psychisch als auch physisch bedroht", berichtete er. Auch er habe via sozialen Netzwerken im Internet Morddrohungen wie "Stellt ihn an die Wand!", "Steinigt ihn!" oder "Stellt ihn auf einen Scheiterhaufen und verbrennt ihn!" erhalten.


Durch die Drohungen und den Anschlag lasse er sich aber nicht einschüchtern. "Ich mache weiter. Wir können die Straße, wir können die Meinungsführerschaft nicht denen überlassen, die offen Hass gegen Menschen propagieren", zeigte sich Richter entschlossen. Der rechte Terror sei zurück in Sachsen. "Lassen wir ihn nicht gewinnen", appelliert Richter an alle Demokraten.


Der Anschlag auf sein Auto sei für ihn nur die "Spitze des Eisberges". In den jüngsten Monaten kam es in Freital wiederholt zu Anti-Asyl-Demonstrationen und Pöbeleien vor dem zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Hotel "Leonardo". Bei einer Bürgerversammlung zum Thema Asyl gab es Tumulte.


Der Chef der Staatskanzlei, Fritz Jaeckel (CDU), stellte gestern klar, dass es zunächst die Ermittlungen abzuwarten gelte. Dennoch äußerte er sich grundsätzlich zur Situation: "Bedrohungen, Beschimpfungen oder sogar Gewalt gegen Menschen, die Asylbewerbern helfen, können von den staatlichen Einrichtungen nicht geduldet werden. Diejenigen, die mit Gewalt gegen andere Menschen vorgehen, werden polizeilich verfolgt und strafrechtlich auch zur Verantwortung gezogen."