Zusammengefasste News aus der Türkei & Kurdistan der letzten 24h (27. & 28.07.)

Beerdigung der Revolutionärin Günay Özarslan

Die Lage in der Türkei und Kurdsitan bleibt sehr angespannt. Erdogan hat die Kriegserklärung an die PKK nun offiziell ausgeprochen und will eine Pufferzone in Nordyrien einrichten. Die militärischen Ausseinandersetzung zwischen dem türkischen Staat und der PKK Gerilla intensivieren sich - auch die Angriffe des Staates auf ziviler Ebene laufen weiter.

 

Bitte fügt eure Infos in den Kommentaren ein.

 

Türkei/Istanbul/Nordkurdistan:
Erdoğan hat bei einer heutigen Ansprache am Flughafen in Ankara klar zum Ausdruck gebracht, dass der Friedensprozess mit der PKK beendet ist. "Es ist nicht möglich, einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben“.

Erdoğan kündigte auch an, gegen demokratisch gewählte Abgeordnete der HDP vorgehen zu wollen. Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der faschistischen MHP laut über ein Verbot der Linkspartei nachgedacht. Laut der türkischen Zeitung „Radikal“ überprüft der oberste Gerichtshof in der Türkei zurzeit ob die pro kurdische Partei HDP wegen "Anstiftung zur Straftat“ nach den Terrorgesetzen angeklagt werden kann (in den letzten Tagen wurden bereits etliche HDP Mitglieder festgenommen). Der
HDP Vorsitzende Selahattin Demirtas antwortete in einer heutigen Rede: "Unser einziges Verbrechen war, dass wir 13 Prozent geholt haben“.

Das strategische Ziel in diesem Spiel ist durchschaubar. Die AKP erhofft sich durch die Beseitigung der HDP ihre absolute Mehrheit
zurückzugewinnen, die sie im Juni bei den Parlamentswahlen verloren hatte, weil die HDP es über die Zehn-Prozent-Hürde ins Parlament schaffte.

Der Feldzug von Erdoğan gegen die kurdische Bewegung, die HDP und türkische Linke wird in diesem guten und lesenswerten Hintergrundartikel des Lower Class Magazine dargestellt: http://lowerclassmag.com/2015/07/krieg-fuer-machterhalt/

 

Der nun auch mündlich ausgesprochene Bruch des Friedensprozess wurde mit neuen Luftangriffen innerhalb der Türkei verdeutlicht. Gerilla-Einheiten der HPG wurden in der Region Şırnak in Nordkurdistan/Osttürkei angegriffen, wo sie sich wehrten und mehrere Soldaten bei einem Angriff auf einen Militärkonvoi verletzten. Zudem hat die HPG-Gerilla einen Polizisten in der Region Lice festgenommen.

 

Im Istanbul Stadtteil Gazi konnte gestern nach drei Tagen intensiver Straßenschlachten endlich die Beerdigung der ermordeten Günay Özarslan durchgeführt werden. Mehrere tausend Menschen beteiligten sich an dem Trauerzug. Sie riefen "umudun adi - DHKP-C" (der Name der Hoffnung - DHKP-C), um der verbotenen marxistischen Stadtguerilla ihre Unterstützung auszusprechen.

Die Repression geht auch in anderen Städten weiter, in Ankara beispielsweise wurden Friedensaktivisten brutal festgenommen.

 

Südkurdistan:
Die Bombardierungen des türkischen Militärs auf die PKK und ihre Gerilla HPG im Gebirge von Südkurdistan/Nordirak gehen weiter. Die Nachrichtenagentur ANF berichtet, dass aktuell Luftangriffe auf die Gebiete Kandis, Gare und Metina geflogen werden.

Bereits gestern kam eine Karawane von Zivilist_innen in den Kandilbergen aus den Städten Südkurdistans an, um ein menschliches Schutzschild zu bilden und Zeichen gegen die Luftangriffe zu setzen. (siehe Bilder)

Der bekannte PKK-Kommandant Duran ‪#‎Kalkan‬ wandte sich in einem Interview an die türkische Regierung "Ich will der AKP zuerst folgendes sagen: 'Seid vernünftig! Diese Politik (der Bombardierungen und des Krieges) hat zu nichts geführt und wird auch nun zu nichts führen.(...)Das Volk erwartet von uns, dass wir uns rächen. Unsere Rache wird so aussehen, dass wir Kurdistan befreien und die Türkei demokratisieren“.

 

Rojava (Westkurdistan):
Erdoğan plant nach eigener Aussage, in Rücksprache mit den USA, eine Pufferzone in Nordsyrien einzurichten. Angeblich soll dies dem Schutz vor dem IS dienen, ist aber eine Kampfansage an die erstarkten selbstverwalteten Gebiete in Rojava. Bereits in den letzten Tagen hatte die türkische Luftwaffe, angeblich aus versehen, Schützengräben der YPG und mit ihr verbündeten FSA-Kräfte, die dem IS gegenüberstehen, bombardiert. Dabei wurden vier Kämpfer verletzt.

Unterdessen konnte die YPG/YPJ bereits gestern nach 5 Tagen heftiger Gefechte die Stadt Sirrîn südlich von Kobane vom IS befreien. Sirrîn war ein wichtiger Stützpunkt des IS, nach Aussage des YPG Kommandanten Merxas Botan hinterließ der IS bei seiner Flucht viel Munition & Waffen. Die Befreiung von Sirrîn stellt einen wichtigen Erfolg für die YPG/YPJ im Kampf gegen den IS dar.

 

Europa:
In Hannover wurde gestern Abend aus Protest der Flughafen besetzt. Auch In Frankfurt kam es zu spontanen Protesten. Am Wochenende wird es voraussichtlich wieder große organisiert Demonstrationen geben - Ankündigungen folgen.

 

Video der Flughafen-Besetzung in Hannover:
facebook.com/233404133346306/videos/983260525027326/

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Zahlreiche migrantische Großverbände und solidarische Organisationen haben für den 08.08.2015 in Köln eine bundesweite Großdemonstration gegen die Kriegspolitik der Türkei angekündigt. Yüksel Koc, Co-Vorsitzender des Kurdischen Gesellschaftszentrum Nav-Dem (Dachverband dutzender kurdischer Vereine in der BRD), erklärte bei einem Telefonat: "Wir können nicht tatenlos zusehen, wie eine Machtgieriger Staatspräsident, für den Erhalt seiner Alleinherrschaft den ganzen Mittleren Osten in einen noch größeren Krieg zieht. Er muss Rojava, die HDP, die kurdische Freiheitsbewegung, die KurdInnen und ihr Repräsentant Abdullah Öcalan endlich auf Augenhöhe anerkennen und die von ihnen gereichte Hand des Friedens annehmen. Deshalb werden wir gemeinsam mit all unseren Freundinnen und Freunden, solidarischen Organisationen und KriegsgegnerInnen am 8.8. in Köln auf die Straßen gehen."

Hunderte PKK-Kämpfer getötet?

Stand: 29.07.2015 09:46 Uhr

Nach einem türkischen Zeitungsbericht sind bei Angriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak Hunderte kurdische Kämpfer getötet worden.

 

Näheres unter: http://www.tagesschau.de/ausland/pkk-tuerkei-111.html

Hallo,

 

wir sollten unsere Informationen von unseren kurdischen Genoss_innen beziehen und nicht von der Tageschau, deren Infos auf i-welchen türkisch-nationalistischen Zeitungen berufen! Es ist auch ein Info-Krieg, daher wichtig eine linke Gegenöffenlichkeit zu schaffen

Die HPG (PKK Gerilla) hat bis jetzt keine Erklärung abgegeben, die diese Zahl bestätigen würde. Sie hat in den letzten Tagen bisher nur 5 tote Kämpfer_innen bestätigt, darunter ein Mitglied des Militärrats der HPG. Die kurdische Nachtichtenagentur ANF/Firatnews meinte auch schon, dass derzeit nur kurdische Journalist_innen in den Kandil-Bergen sind und die türkischen Zeitungen überhaupt keine Infos haben können.

Wartet also auf offziele Stellungsnahmen, diese werden auf Deutsch zumeist beim kurdischen Büro für Öffenlichkeitsarbeit und der Informationsstelle Kurdistan/ISKU veröffentlicht.


Civaka Azad: http://civaka-azad.org/
ISKU: https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/

 

Anonsten gibt es auch Firatnews auf English:
http://anfenglish.com/

Und natürlich der Liveticker des YXK:
http://civaka-azad.org/liveticker-der-tuerkische-staat-beendet-den-waffe...

In einem Krieg, vertraue ich niemandem wirklich. Die kurdischen Volksverteidigngsstreitkräfte in Syrien und in der Türkei können doch gar nicht immer die Wahrheit sagen, wenn sie nicht weitere eigene Verluste in kauf nehmen wollen. Offiziell zu bestätigen, wie viele KämpferInnen bei Angriffen des türkischen Militärs umgekommen sind, wäre doch selbstmörderisch (genauso gut könnten sie dann Feuerlietstelle für die Angreifer spielen).

Auch sonst hat die Linke in der BRD (wie in den Metropolen überhaupt) keine guten Erfahrungen damit gemacht, die Erfolgsmeldungen der Guerillas einfach zu übernehmen: In El Salvador etwa haben die GenossInnen vom IDES manche zu optimistische Meldung unkritisch übernommen und sich später über die Informationspolitik der FMLN beklagt.

Es wäre unanständig, von den kämpfenden GenossInnen eine offene Informationspolitik zu fordern. Informationen sind im Krieg immer auch Teil des Kampfes. Erfolgsmeldungen geben Offensiven erst den richtigen Schwung und manche Falschmeldung hilft tote KämpferInnen zu vermeiden. Ein Problem damit bleibt, dass Propaganda sich abnutzt, dass auch reale Erfolge nicht mehr verkauft werden können, wenn die AdressatInnen der guten Nachricht zu oft enttäuscht wurden (ein Effekt, der auch bei den oft überhöhten Teilnehmerzahlen bei Demos in Deutschland eintritt.)