Heftige Nazi-Attacke auf die Projektwerkstatt ... Bürgerliche gucken weg!

Zerstörte Tür zum Eingangs-Glashaus der Projektwerkstatt

Mehrere zerschlagene Fenster, eine mit einem 2-Meter-Balken eingerammte Haustür, verwüsteter Innenhof: Gegen 19 Uhr am 12.7.2015 haben wahrscheinlich Nazis aus den Lumda/Wiesecktal-Nazis die Projektwerkstatt überfallen. Nachbarn redeten von drei Personen. Ob alle beteiligt waren, ist unklar.

 

Was zunächst wie ein heldenhafter Anschlag auf eine konsequent herrschaftskritische und emanzipatorische Einrichtung aussieht, war tatsächlich ein Ausdruck von – eher bemitleidenswerter – Jämmerlichkeit. Das wurde schon deutlich, als kurz nach der Attacke auf die Projektwerkstatt in der Dorfmitte, direkt neben dem Wohnhaus des Hauptangreifers Kevin Stark (Teil der Lumdatalnazis), eine Schlägerei zwischen verschiedenen Personen entstand. Mindestens Nazi-Aktivist Kevin Stark schlug im Verlauf mehrere Leute, darunter auch seine Eltern. Er trat extrem aggressiv auf und schrie bei seinen Attacken auf Leute wild herum, Leute aus der Projektwerkstatt wahlweise "abstechen", "umbringen" usw. zu wollen. Genau solches hatte er nach Aussagen von Nachbar_innen auch schon während der Scherben-Randale an der Projektwerkstatt gebrüllt.


Eine weitere, bislang unbekannte Person (dunkle, kurze Haare, die vorne etwas länger und hoch standen, Sonnenbrille und Tattoos) war ebenfalls auffällig aggressiv, während die Mehrzahl der dort vorhandenen Leute die Lage beruhigen wollte, was nicht gelang. Er, die weitere Person und (am Steuer) eine unbekannte weibliche Person (Gerücht: Die Mutter der weiteren Person) sind mit einem weißen Golf dann weggefahren (Gerücht: In den Vogelsberg), hielten aber unterwegs nochmal an, um eine auf dem Dorfplatz befindliche Frau zu bedrohen und (möglicherweise) anzugreifen, die aber auch gleich weggeradelt ist.

 

Nazi-Dasein als falsche Reaktion auf beschissene Verhältnisse

 

Nazi Kevin Stark ist aus bürgerlicher Sicht eine gescheiterte Existenz. Selbst die primitivsten Berufswege (Bundeswehr …) sind für ihn zu anspruchsvoll. Das ist nicht sein Fehler, sondern der Konflikt, in dem viele Menschen mit den menschenverachtenden Regeln und Ansprüchen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft stehen. Jörg Bergstedt, Aktivist aus der Projektwerkstatt und kurz nach der Attacke auf das Haus vor Ort, bewertet das Desaster als Folge der Verhältnisse und einer falschen Analyse durch den Betroffenen: "Es ist leider typisch – und die Herrschenden freut es: Menschen, die unzufrieden sind oder in diesen beschissenen Verhältnissen scheitern, lehnen sich nicht nach oben auf, sondern treten nach unten: Gegen emanzipatorische Projekte, gegen Linke, aber noch mehr gegen andere Ausgegrenzte wie Obdachlose oder Nicht-Deutsche. So lässt mensch Frust ab und zettelt einen Krieg zwischen denen an, die sich eigentlich auflehnen müssten gegen die herrschende Politik. Aber die Hassbrille des Faschismus, die bedingungslos irgendwelche Menschengruppen konstruiert und als Schuldige benennt, lässt diese Erkenntnis nicht zu."


Folglich fände er eine Bestrafung und eventuell Inhaftierung des Nazis auch falsch. "Knast macht alles schlimmer. Es ist das Instrument der Herrschenden, die Unterdrückten nicht nur in einen Krieg gegeneinander zu treiben, sondern im Zweifel auch auslöschen zu können."


Dass Kevin Stark und auch andere Nazis ständig vermeintliche Linke oder Nicht-Deutsche angreifen würden, sei grotesk: "Wir sind diejenigen, die gesellschaftliche Verhältnisse wollen, in denen es gerade Menschen wie Kevin besser gehen würde! Würden die an die Macht kommen, die Kevin anhimmelt, wäre er mindestens im Arbeitslager! Aber seine faschistische Ideologie und der Hass gegen andere Unterdrückte nimmt ihm jede Chance, die Verhältnisse so zu analysieren, wie sie sind."
Im Laufe der Zeit führen erhebliche Polizeieinheiten einschl. Kripo in den Ort. Wie üblich wurde von Projektwerkstättler_innen und Umfeld kein Strafantrag gestellt. Folglich muss die Staatsanwaltschaft also entscheiden, ob es öffentliches Interesse gibt. Diese Entscheidung sollte ihr auch nie abgenommen und wird interessant sein, ob sie solche Delikte durchgehen lässt, während sie ansonsten jeden Scheiß verfolgt.

 

Die Reaktion der bürgerlichen Funktions- und Deutungseliten

 

Nicht nur die Nazis spielten brav ihre Rolle, den Krieg der Unterdrückten untereinander anzuzetteln, sondern auch die bürgerliche Seite reagierte in bewährter Art auf die Vorgänge: Verschweigen und entpolitisieren.


Standardmäßig verschwiegen alle Institutionen und Medien den Neonazi-Hintergrund. Die Polizeipressemeldung am Folgetag berichtete nüchtern (http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/43559/3070514):

"Reiskirchen: Sachbeschädigungen in der Projektwerkstatt" – so stand es emotionslos in der Überschrift der Polizeipressemeldung vom 13.7.2015. Dann folgte als Text. "Ein Schaden von etwa 600 Euro wurde am Sonntag, zwischen 18.00 und 20.00 Uhr, an einem Gebäude in der Ludwigstraße in Saasen angerichtet. Aufgrund erster Ermittlungen dürfte ein 24-Jähriger für die Tat in Frage kommen. Offensichtlich hatte er mit zwei anderen Personen das Gelände betreten und dort mehrere Mülleimer umgeworfen sowie die Scheiben von zwei Türen eingeschlagen. In diesem Zusammenhang soll es später noch zu einer Bedrohung zum Nachteil eines 50-Jährigen gekommen sein. Zeugen hatten davon berichtet, dass der 24-Jährige offenbar stark angetrunken gewesen sei. Offenbar kam es später zu einer weiteren Sachbeschädigung und zu einem tätlichen Angriff in der Winneröder Straße. In diesem Fall soll der polizeibekannte 24-Jährige ebenfalls eine Tür beschädigt haben. Der Tatverdächtige konnte im Zuge der eingeleiteten Fahndung nicht angetroffen werden. Weitere Ermittlungen, wie Vernehmungen, dauern derzeit noch an. Hinweise bitte an die Polizeistation in Grünberg unter der Telefonnummer 06401-91430."

 

Der Gießener Anzeiger druckte exakt diesen Text ab. Die Gießener Allgemeine setzt sogar noch einen Schlusssatz oben drauf: "Einen politischen Hintergrund, der von dem Bewohner geäußert wurde, konnte das Polizeipräsidium in Gießen gestern auf Nachfrage nicht bestätigen." Alle regionalen und einige weitere Medien waren am 13.7.2015 um 9.40 Uhr unter Nennung des Namens des Nazi-Angreifers über das Geschehen und die Verbindung zur Gruppe der Lumdatal-Nazis informiert worden. Keine einzige Zeitung, Rundfunk u.ä. hat Kontakt mit der Projektwerkstatt aufgenommen, niemand ein Foto der Zerstörungen gemacht usw. Es ging dort also nie irgendjemandem um Recherche und Aufklärung, sondern und Darstellung von Abläufen ausschließlich aus der Sicht der Herrschenden. Es wären neben Bildern vor Ort auch Kontakte zu Augenzeug_innen möglich gewesen. Die Polizei gehörte ja nicht dazu. Aber die Presse zeigte sich als Erfüllungsgehilfen der Polizei. Informationen irritieren da nur.


Teil des bürgerlich-staatsorientierten Blocks (eine an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen festhaltende und interessierte Sphäre, die trotzdem intern auch erhebliche Konkurrenzen und Spannungen hat) sind auch Strömungen, die solche platten Auftritte von Nazis nicht mögen. Das beschädige das Bild eines weltoffenen Deutschlands bzw. der vermeintlich guten bürgerlichen Gesellschaft. So gibt es in der Region neben staatlichen Nazi-Beruhigungsinstitutionen auch ein von Bürgermeister_innen, Kirche und Gutmenschen-Parteien (vor allem: Grüne) dominiertes Netzwerk für Demokratie und Toleranz. Es entstand in Folge der vor ein bis zwei Jahren häufigeren Attacken von Neonazis in der Region (vor allem Lumda- und Wiesecktal). Kevin Stark gehörte auch damals schon zu der Gruppe – und die Projektwerkstatt war damals auch schon das am meisten angegriffene Projekt. Doch mit einem widerlichen Tricks ("Saasen liegt nicht im Lumdatal") zog die Führungselite des Netzwerks eine Grenze zur Projektwerkstatt. Alle Beschlüsse zur Solidarität mit den Betroffenen der Angriffe galten für das bunte Haus in Saasen nicht. So auch diesmal: Das Netzwerk reagierte auf die Attacke vom 12.7.2015 gar nicht.

 

Kommende Termine rund um die Projektwerkstatt

  • Do, 30.7. um 9.30 Uhr im Amtsgericht Gießen (Gutfleischstraße, Raum 100 - also der größte Raum): Prozess wegen Schwarzfahrens mit Kennzeichnungsschild
    Auf Nachfrage, warum keine Zeug_innen geladen wurden zum Prozess in Gießen, hat der Richter zum Anwalt gesagt, er wolle den Termin zu einer rechtlichen Erörterung. Anwalt und Angeklagter werden ein Papier mit Urteilen und Kommentaren überreichen. Damit wird dieser Tag politisch recht spannend - es geht um die Frage, ob gekennzeichnetes Schwarzfahren straffrei bleibt. Wenn ja, wäre das eine Aktionsform pro Nulltarif in Bussen und Bahnen! Infoseite zur Schwarzstrafen-Kampagne ++ Achtung: Aktionsschwarzfahren aus der Umgebung und weiteren Entfernung zum Prozess geplant ... informiert Euch auf der Internetseite und macht selbst solche Aktionsschwarzfahren! Anschließend geplant: Besprechung zu weiteren Aktivitäten in Sachen Schwarzfahren & Nulltarif in der Projektwerkstatt Saasen (mit Übernachtungsmöglichkeit)

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