Zur geplanten Demo am 6.6. 2015 „Es gibt kein ruhiges Märchenland, Verfassungsschutz auflösen“

Es gibt kein ruhiges Märchenland, Verfassungsschutz auflösen

Märchenland ist abgebrannt – Demonstration wird wegen Sicherheitsbedenken abgesagt
Die Märchen, die uns in der nordhessischen Provinz nicht erst seit gestern aufgetischt werden, sind so unglaublich, dass selbst Münchhausen  vor Neid erblassen würde. Doch es mutet nur märchenhaft an, denn es ist  absurde Realität: Ein „Verfassungsschützer“, der während eines rassistischen Mordes am Tatort war und vorgibt nichts mitbekommen zu  haben, obwohl er sich im gleichen Raum befunden hat.

 

In der zur Zeit vom Hessentags-Virus infizierten „Märchenstadt Hofgeismar“ wird die Linie zwischen der Institution VS, seinem lügenden Mitarbeiter Temme und der sie schützenden Landesregierung, namentlich mit seinem damaligen Innenminister und aktuell amtierenden Ministerpräsidenten Volker Bouffier besonders sichtbar.

 

Die hessische Landesregierung mit ihren Institutionen präsentiert sich dort selbst, und – wie passend – wohnt direkt neben der „Hessentagsstraße“ der ehemalige „Verfassungsschützer“ Temme, in der Kleinstadt aufgrund seiner rechten Gesinnung auch bekannt als „Klein Adolf“. Auch seinen ehemaligen Dienstherren war Temmes rechtsradikale Vergangenheit, so die Aussage vor dem hessischen Untersuchungsausschuss, bereits bei dessen Anstellung bekannt. Diesen zur Schau gestellten Zynismus haben wir zum Anlass genommen eine Demonstration unter dem Motto „Es gibt kein ruhiges Märchenland – Verfassungsschutz auflösen“ für den 6.6. in Hofgeismar anzumelden.

 

Nachdem das Ordnungsamt Hofgeismar einen absurden Auflagenbescheid versendet hat und wir erfolgreich dagegen geklagt haben, sehen wir uns nun dennoch genötigt die für Samstag geplante Demonstration abzusagen: Es klingt wie Realsatire, aber eine für den gleichen Abend unter dem Titel „Just White“ von Radio FFH geplante Tanzveranstaltung mit mehreren tausend erwarteten Gästen könnte zu einer für uns nicht mehr zu kontrollierenden Eskalation führen.

 

Denn Rassismus hat viele Gesichter, zum Beispiel die Betitelung einer rassistischen Mordserie mit einem anatolischen Schnellgericht, wenn die Mehrzahl der Opfer Wurzeln im Mittelmeerraum hat und offensichtlich der Mehrheitsmeinung nach nicht als Deutsch gilt. Oder die Praxis des Racial Profiling, also Kontrollen der Bundespolizei von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe. 

 

Aber auch eine Großveranstaltung mit einem Partymotto, welches per Definition das Aussehen der Mehrheitsbevölkerung glorifiziert und mit der Uniformierung von rassistischen Vereinigungen wie dem Ku Klux Klan ‚ironisch’ spielt. In einer von institutionalisiertem Rassismus strukturierten Gesellschaft und zu einer Zeit, die von erhöhter Ausgrenzung und Marginalisierung gegenüber Menschen die keine weiße Hautfarbe haben geprägt ist, kritisieren wir den unsensiblen und selbstvergessenen Umgang mit Rassismen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Wir wollen den Menschen, die auf eine „Just White“ Party gehen nicht pauschal rassistische Einstellungen unterstellen, aber zumindest fehlt hier eine grundsätzliche Sensibilität gegenüber dem vorherrschenden rassistischen Diskurs.
 
Die Gemengelage einer explizit antirassistischen Demonstration gegenüber einer ausgelassenen sich „Weiß“ gebenden riesigen Partyfraktion könnte zu einer Situation führen die wir nicht mehr verantworten könnten. Im direkten Gespräch mit vielen Hesstagsbesucher_innen konnten wir am 4.6. bei einer öffentlichkeitswirksamen Aktion in Hofgeismar erfreulicherweise eine positive Resonanz erfahren. Viele Besucher_innen zeigten sich uns gegenüber sehr aufgeschlossen und empört über die Verschleierungs- und Verschleppungstaktiken von Landesregierung und VS.

 

Beim Verteilen der ersten 5.000 Flugblätter bekamen wir viel Zuspruch. Andreas Temme und seine Ehefrau schienen allerdings nicht sehr  begeistert über einen von Aktivist_innen durchgeführten Spontanbesuch, bei dem Eva und Andreas Temme aufgefordert wurden, vor dem OLG München  bei ihrer nächsten Vernehmung ausführlich auszusagen und zur Aufklärung  der rassistischen Mordserie beizutragen.

Obwohl wir uns gezwungen sehen die geplante Demonstration abzusagen und  morgen nicht nach Hofgeismar zu reisen, bleibt uns zu sagen, dass zwar  der Hessentag bald vorbei ist unser Protest jedoch noch lange nicht.
 
Verfassungsschutz auflösen!
Märchen aufdecken!
Temme zum Reden bringen!
Alltagsrassismus bekämpfen!
 
AK Märchenland

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Der Besuch bei Andeas Temme und dem VS-Stand am Hessentag finde ich sehr gut.Kaum Jemand glaubt die vielen "Zufälle" beim NSU und es gibt viel zu wenige politische Initiativen dazu.

Die Absage der Demo erscheint mir unverständlich. Das "Just White!" ist ein Versuch, ein ansonsten eher mäßig interessantes Konzert durch gemeinsame Kleidung und damit verbundener Stiftung von Gemeinschaftsgefühlen zu einem "Mega-Event" zu machen. Gemeinschaft durch Uniformierung ist mir eher unsympathisch und kein 10 Pferde hätten mich auf diese Veranstaltung gebracht. Dennoch habe ich nicht den Eindruck, dass die Veranstaltung gegenüber Schwarzen ausgrenzend war. Um von weißen T-Shirts und den lächerlichen Samsung-Werbehüten auf den KKK zu kommen, muss mensch schon ganz schöne Gedankensaltos machen. Und dass die BesucherInnen diese Konzerts rassistischer wären als der Rest dieser Gesellschaft, und dies auch noch durch besonders aggressives Verhalten gegenüber einer antirassistischen Demo zeigen,  ist eher unwahrscheinlich.

So bleibt der unangenehme Eindruck, dass die "Sicherheitsbedenken" vorgeschoben sind und die Demonstration aus anderen Gründen (logistische, organisatorische, schlechte Mobilisierung oder was auch immer?) abgesagt wurde.