Tröglitz. Rotes Flatterband sperrt die Ernst-Thälmann-Straße in Tröglitz ab. Dahinter stehen Feuerwehr-Löschwagen und Polizeiautos, Stoßstange an Stoßstange. In dem kleinen Ort im Süden Sachsen-Anhalts riecht es nach Rauch. Aus dem frisch sanierten Haus, in das Ende Mai 40 Flüchtlinge einziehen sollten, ragen pechschwarz verkohlte Dachbalken in den Himmel. Das Feuer brach in der Nacht zum Ostersamstag aus. Um 2 Uhr nachts.
Gegen Mittag sagen die Ermittler: Der dreigeschossige Wohnblock wurde definitiv angezündet, vermutlich mit Brandbeschleuniger. Ein deutsches Paar, das im angrenzenden Block wohnt, konnte von aufmerksamen Nachbarn geweckt und gerettet werden. Ein politisches Motiv wollten Polizei und Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf den Beginn der Ermittlungen am Samstag zunächst nicht direkt bestätigen. „Es liegt jedoch im Gesamtzusammenhang nahe“, sagte die zuständige Polizeipräsidentin Christiane Bergmann.
Ähnlich äußerte sich der Direktor des Landeskriminalamts, Jürgen
Schmökel. Er sprach von „einem gemeinen Anschlag und dem politisch fast
schon nicht auszuschließenden Hintergrund“. Es ist eine weitere
Eskalation des Konflikts um die geplante Aufnahme von Flüchtlingen in
dem 2700 Einwohner zählenden Ort im Burgenlandkreis. Bereits Anfang März
geriet Tröglitz in die Schlagzeilen, weil der ehrenamtliche
Bürgermeister Markus Nierth wegen rechtsextremer Anfeindungen
zurückgetreten war. Er gab auf, nachdem ein NPD-geführter Protestzug
direkt vor seiner Haustür genehmigt worden war. Nierth fühlte sich von
Politik und Zivilgesellschaft im Stich gelassen.
Trotz der
persönlichen Drohungen und zwischenzeitlichem Schutz durch das
Landeskriminalamt engagiert der 46 Jahre alte Nierth sich weiter im Ort.
Er nennt das Feuer eine „riesige Schande für Tröglitz“. Er sei wütend,
dass die braune Saat soweit aufgegangen sei, dass in dem Ort Häuser
brennen, in denen hilfebedürftige Familien unterkommen sollten. „Wir
müssen uns dagegen stellen, denn sonst gewinnt die pöbelnde Minderheit.“
Für ihn sind die rechtsextremen NPD-Mitglieder zumindest die
geistigen Brandstifter dieser Tat. Sie hatten seit Jahresanfang jeden
Sonntag zu Protest-Demonstrationen gegen das Asylbewerberheim
aufgerufen. Dieselben NPD-Anhänger versuchten erst vor wenigen Tagen auf
einer Bürgerversammlung, Stimmung gegen die Flüchtlinge im Ort zu
machen.
Der gut vorbereitete Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU),
und engagierte Redner unter den 500 Zuhörern ließen die Rechtsextremen
jedoch auflaufen. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff
(CDU) sieht die Rechtsextremen und die NPD zumindest im Umfeld der
Brandstiftung. An den bisherigen Aktivitäten der NPD-Kreistagsfraktion
in Tröglitz sehe man, „dass diese Personen den geistigen Nukleus
darstellen für das, was sozusagen die Spitze jetzt erreicht hat in
diesem furchtbaren Verbrechen“.
Haseloff wollte sich noch am
Samstagnachmittag ein Bild vom Brand in Tröglitz machen. Er, Landrat
Ulrich und Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) wollten sich der
spontanen Demonstration der Tröglitzer für Weltoffenheit anschließen.
Ex-Bürgermeister Nierth und seine Bürgerinitiative „Miteinander -
füreinander“ hatte die Kundgebung kurzfristig organisiert. Für alle
Verantwortlichen ist klar: Die Flüchtlingsfamilien kommen trotzdem nach
Tröglitz. Vielleicht später, aber sie kommen. Die geplante Unterkunft
ist laut Polizei zwar unbewohnbar. Doch Landrat Ulrich will mit anderen
Vermietern sprechen und neue Häuser finden. „Wir werden keinen Schritt
zurückweichen“ kündigte Ministerpräsident Haseloff an. „Hier geht es
nicht nur um Verbrechensbekämpfung, hier geht es um unsere Demokratie.“