Deutlich mehr Ermittlungen gegen Neonazis

Erstveröffentlicht: 
11.03.2015

Operatives Abwehrzentrum mit hoher Erfolgsquote

 

Von Andreas Debski


Leipzig. Premiere für das Operative Abwehrzentrum (OAZ): In Dresden wird heute von den Ermittlern erstmals eine Auszeichnung für Zivilcourage vergeben - an einen 28-jährigen Syrer, der im Januar eine sächsische Familie (76 und 37 Jahre) gegen drei Neonazis beschützen wollte und verletzt wurde. "Er hat nicht weggeschaut, wie so viele auf diesem Parkplatz, sondern ist dazwischen gegangen. Das war äußerst mutig, da die Angreifer mit einem Messer bewaffnet waren", sagt OAZ-Chef Bernd Merbitz. Durch die Ehrung soll auch ein Zeichen gesetzt werden: "Mit der Hilfe des Mannes konnten wir die drei dingfest machen und wieder drei Rechtsextremisten der Staatsanwaltschaft übergeben."


Viele fremdenfeindliche Übergriffe


Ein Blick auf die OAZ-Bilanz für 2014, die dieser Zeitung exklusiv vorliegt, belegt: Der Fokus liegt eindeutig auf dem Rechtsextremismus. "Davon geht die größte Gefahr aus, vor allem die Freien Kräfte haben Zulauf und viele Sympathisanten", stellt Merbitz, zugleich Leipziger Polizeipräsident, klar. Allein 2014 hat das OAZ 159 Ermittlungen gegen 164 Neonazis abgeschlossen - das sind 52 Verfahren mehr als noch 2013. Meist geht es um Körperverletzungen und um Propaganda-Delikte wie Hakenkreuz-Schmierereien. Zum Vergleich: Gegen neun Linke wurde in 18 Verfahren ermittelt (2013: 17 Verfahren; sieben Täter). Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) wertet das OAZ als vollen Erfolg: "Die Einrichtung hat sich bewährt, weil vor allem die Netzwerkstruktur zwischen Zentrale und örtlichem Staatsschutz eine Stärkung der operativen Arbeit gegen Extremismus bedeutet."


Beeindruckend ist die OAZ-Aufklärungsquote von 71,9 Prozent, nach 61,3 Prozent im Jahr 2013. Die allgemeine Kriminalitäts-Aufklärungsquote lag 2013 in Sachsen bei gerade einmal 54,8 Prozent. "Die Erhöhung des Verfolgungsdrucks zeigt Wirkung", interpretiert der OAZ-Chef die positive Entwicklung.
"Auf unverändert hohem Niveau ist nicht nur der Anteil an Personen, die der rechtsextremen Szene zugerechnet werden, sondern auch die von ihnen ausgehende Gefahr", macht Merbitz klar, "dies zeigt sich insbesondere in den anhaltend hohen Zahlen von gewaltfördernder Hetze und fremdenfeindlichen Übergriffen." Die Neonazis würden jede Gelegenheit nutzen, um die Stimmung gegen Fremde zu verschlechtern. Zugleich sei bei Linksextremen eine Verschiebung festzustellen: "Gewalt erscheint in der linken Szene wieder vermehrt als legitime Protestform. Insbesondere Polizisten sind immer wieder eine Zielscheibe."


Linke Szene wird gewaltbereiter


Auf das Konto der Spezialeinheit gehen unter anderem das Verbot der Nationalen Sozialisten Chemnitz, die dank der Merbitz-Truppe im März 2014 durch das sächsische Innenministerium verboten werden konnten, der Schlag gegen das Deutsche Polizei-Hilfswerk und die Festnahme von rechten Schlägern unter anderem in Hoyerswerda, Borna und Leipzig, die Ausländer und Flüchtlingsheime angegriffen hatten. OAZ-Chef Merbitz legt allerdings Wert darauf, dass seine an fünf Standorten arbeitende Gruppe nicht nur auf diese großen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen fokussiert ist: "Wir müssen die rechtsextremistischen Strukturen durchschauen. Und wir müssen gewährleisten, dass auf jede rechtsextremistische Straftat eine polizeiliche Reaktion erfolgt." Deshalb mahnt er eine bessere Zusammenarbeit mit Thüringen und Sachsen-Anhalt an: "Da gibt es einiges zu optimieren."


Im OAZ, das bundesweit einzigartig ist, arbeiten momentan 111 Spezialisten. 15 weitere Stellen werden im Jahresverlauf noch besetzt. Bereits in den neunziger Jahren agierte im Freistaat eine Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko Rex), die damals ebenfalls von Merbitz geleitet wurde.