Gewaltsame Zwischenfälle bei Antifa-Aufzug stören den ansonsten friedlichen Jahreswechsel im Szeneviertel
Von frank Döring
Die von Linksextremisten angedrohte Anschlagsserie ist zumindest in der
Silvesternacht ausgeblieben. Im Szeneviertel Connewitz wurden
Polizeibeamte von Autonomen angegriffen, zu den befürchteten größeren
Ausschreitungen kam es jedoch nicht.
Die Anspannung und Ungewissheit war groß, nachdem Unbekannte am 17.
Dezember auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform
Indymedia damit gedroht hatten, 50 konkret benannte Ziele in der
Silvesternacht angreifen zu wollen. Aus diesem Grund hatte das
sächsische Innenministerium auch weite Teile des Stadtgebiets zum
Kontrollbereich für anlassunabhängige Fahrzeug- und
Personenüberprüfungen erklärt.
Zumindest im Leipziger Süden kam es Anwohnern zufolge schon am
Nachmittag des Silvestertages zu verstärkten Personenkontrollen. Abends
hingegen hielt sich die Polizei erneut auffällig zurück. "Wir halten an
unserem Einsatzkonzept der Deeskalation fest", sagte Polizeipräsident
Bernd Merbitz, der gemeinsam mit Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal
(Linke) den Jahreswechsel am Connewitzer Kreuz erlebte, gegenüber der
LVZ.
Um Mitternacht versammelten sich hier rund 1000 Menschen, Raketen
zischten in den Himmel, Bengalos wurden entzündet, ansonsten brannte
nichts an. Der Platz, auf dem noch am Montagabend 250 Chaoten eine
Schneeballschlacht angezettelt, Polizisten angegriffen und Mülltonnen
abgefackelt hatten, war ein ganz normaler Ort zum entspannten Feiern.
Doch dann kippte die Stimmung jäh. Gegen 0.40 Uhr versammelten sich
unterhalb der Überwachungskamera am Kreuz etwa 30 Leute und entrollten
ein Transparent: "Nationalismus raus aus den Köpfen". Rasch wuchs die
Zahl auf rund 300 Teilnehmer, darunter etliche Vermummte. Der nicht
angemeldete Antifa-Aufmarsch führte über Bornaische Straße und
Biedermannstraße zum Polizeiposten in der Wiedebachpassage.
Spätestens da war es mit der friedlichen Partystimmung vorbei.
Demo-Teilnehmer warfen der Polizei zufolge Flaschen gegen die
Fensterscheiben der Dienststelle sowie gegen Einsatzfahrzeuge. Außerdem
wurden aus dem Aufzug heraus Feuerwerkskörper abgefeuert. "Aufgrund
dessen wurde der Aufzug durch die Versammlungsbehörde als gewalttätig
eingestuft und aufgelöst", so Polizeisprecher Uwe Voigt.
Bereitschaftspolizisten rannten in Einsatzmontur die
Wolfgang-Heinze-Straße entlang, dem Demo-Block entgegen.
Einsatzfahrzeuge bahnten sich ihren Weg über die mit Scherben übersäte
Fahrbahn. Im Nu war die Atmosphäre aufgeladen, teilweise auch sehr
aggressiv. Beamte griffen sich einzelne mutmaßliche Randalierer aus der
Menge, was wiederum andere anstachelte. Nach etwa 20 Minuten hatte sich
die Lage jedoch wieder etwas entspannt. Dafür griffen nun Vermummte eine
Handvoll Polizisten an, die in der Selnecker Straße standen. Wütend
schleuderten sie leere Bierflaschen auf die Beamten und warfen mit
Steinen. Und sie hörten auch nicht auf, als die Einsatzkräfte etwas
Schutz an einem Hauseingang suchten. "Die ganze Welt hasst die Polizei",
skandierten einige Chaoten. Minutenlang ging das so, ohne dass sich die
Polizei provozieren ließ und reagierte. Erst später rückten weitere
Einsatzkräfte auf das Kreuz vor und nahmen gezielt mutmaßliche
Flaschenwerfer fest. Drei Tatverdächtige (31, 33, 33) kamen nach der
Identitätsfeststellung wieder auf freien Fuß. Währenddessen rollten
schon die ersten Kehrmaschinen der Stadtreinigung über das Connewitzer
Kreuz, ab 2.35 Uhr war es wieder passierbar.
Und die angedrohte Serie von Anschlägen? "In der Silvesternacht wurden
im gesamten Stadtgebiet keine Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit dem
Aufruf zur Gewalt bekannt", konstatierte Polizeisprecher Uwe Voigt.
Allerdings, so hieß es gestern aus Sicherheitskreisen, könne das in
einer der nächsten Nächte schon ganz anders aussehen. Deshalb hält die
Polizei an ihrer erhöhten Präsenz vorläufig fest. Wie lange der vor
Silvester eingerichtete Kontrollbereich noch gilt, bleibt aus
einsatztaktischen Gründen geheim.