(B) Demo gegen Asylrechtsverschärfung

Demo gegen Asylrechtsverschärfung

Immerhin fast 300 AktivistInnen demonstrierten heute Nachmittag bei trübem Wetter in Berlin gegen die Verschärfung des Asylrechts. Die Demo reagierte direkt auf den Gesetzentwurf zur „Neubestimmung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung“, den die Bundesregierung am Mittwoch vorgestellt hat. Dieser sieht u.a. eine Ausweitung der Haftgründe für Asylsuchende, sowie Wiedereinreisesperren und Aufenthaltsverbote vor. Von der seit Jahren angekündigten Bleiberechtsregelung für die langjährig Geduldeten bleibt nur noch wenig übrig. Doch das Gesetz ist noch lange nicht verabschiedet. Die heutige Demo und die vielen anderen großen und kleinen bundesweiten Aktionen in dieser Woche zeigen schon, dass dieses Vorhaben nicht so einfach durchzusetzen sein wird.

 

Die Route der Berliner Demo führte heute vom Potsdamer Platz zum Bundesrat, über die Leipziger Straße zur Friedrichstraße und endete nach einem kurzen Stopp bei der Europäischen Kommission schließlich am Brandenburger Tor. Das Stück vor dem Bundesrat musste extra beim Bundesinnenministerium beantragt und von diesem bewilligt werden.

 

Adressaten der Demo waren nicht nur die besuchten Institutionen sondern vor allem die im Regierungs- und Shoppingviertel Arbeitenden und Flanierenden. Entsprechend dicht war die Folge von Redebeiträgen.

 

So sprach der Berliner Asylrechtsanwalt Volker Gerloff über die Veränderungen der juristischen Praxis, wenn das Gesetz in der Form verabschiedet werden würde. Ebenfalls sehr detailliert und nah am Gesetzentwurf stellte Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg die Bleiberechtsregelung vor und machte klar, dass der Großteil der langjährig geduldeten Flüchtlinge nicht von ihr profitieren kann, da weiterhin an der Bedingung „Mitwirkungspflicht“  festgehalten wird.

 

Die Veränderungen im System der Abschiebehaft der letzten Jahre wurden von der Initiative gegen Abschiebehaft vorgestellt, die sich vorrangig um Inhaftierte im Abschiebegewahrsam Grünau kümmert. Seit dem Sommer werden dort wieder vermehrt Menschen eingesperrt, da nun auch andere Bundesländer Haftplätze in Berlin „buchen“. Die Abschiebehaft wird mit dem neuen Gesetzentwurf, auch auf Flüchtlinge im Dublin III - Verfahren ausgeweitet. Auf die europäische Dimension nationaler (Anti-)Migrationsgesetze ging dann auch der Berliner Arbeitskreis zu Dublin III ein.

 

Die Hierarchisierung und Spaltung von Flüchtlingen u.a. nach ökonomischer Nützlichkeit oder temporär opportunen Fluchtgründen thematisierte die Gruppe Women in Exile & Friends. Hier knüpfte die Kampagne „Mall of Shame“ an, die sich gerade mit einer Dauermahnwache vor der „Mall of Berlin“ (gegenüber vom Bundesrat) für die Auszahlung ausstehender Löhne rumänischer Bauarbeiter einsetzt. Dieser neue Berliner Shoppingtempel ist auf den Rücken migrantischer ArbeiterInnen aus dem EU-Ausland erbaut, die nun auch noch um ihren kargen Lohn geprellt werden.

 

Das ebenfalls am Demobündnis beteiligte MediBüro Berlin zerlegte en detail nochmal die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes, das letzte Woche, wieder dank der Grünen, den Bundesrat passiert hatte. Denn die öffentlichkeitswirksame „Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen“ ist ein großer Schwindel, da sich an dem Standard lebensgefährlicher Minimalmedizin wenig ändert.

 

Zum Schluss resümierte FelS die aktuellen Entwicklungen als ein deja vu der Gesetzesverschärfungen von 1993, die ebenso garniert waren von rassistischen Mobilisierungen, wie sie gerade u.a. in Marzahn, Köpenick und Buch zu beobachten sind.

 

Alle Redebeiträge werden in den nächsten Tagen auf der Seite des Bündnis gegen Lager Berlin/Brandenburg erscheinen.

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Wenn Ihr mal noch brutalere Gewalt gegen Fluechtlinge sehen wollt, lest https://linksunten.indymedia.org/de/node/128945.

seht, woanders ist es noch schlimmer, deshalb müssen wir hier nichts unternehmen! oder was? es ist gut und wichtig, dass es indy-artikel über die lage in australien gibt. dies hier ist ein artikel über die lage in deutschland und es sollte - insbesondere angesichts der verheerenden passivität der linken hier - in diesem rahmen nicht die aufmerksamkeit wieder von dem problem weggelenkt werden.

 

dieses gesetz stellt eine der massivsten verschärfungen des ohnehin beschissenen asylrechts dar: der großteil der einreisenden asylsuchenden kann (und wird somit) sofort in den abschiebeknast gesteckt werden! massive ausdehnung von aufenthalts- und einreiseverboten und damit massive ausdehnung von kettenduldungen und damit von jahrzehntelanger isolation von geflüchteten! und die liste ist ja noch viel länger...

 

es waren keine 300 menschen auf der straße gestern. in berlin! ansonsten hat kürzlich ein kleiner flashmob vor der spd-zentrale stattgefunden, was nicht mehr gebracht hat als ein paar hübsche bildchen von paragrafen in mülleimern. und ich muss mich auch noch drüber freuen, dass ein paar bürgerliche gruppen / ngo's was lächerliches organisieren, weil sonst einfach gar nichts passieren würde! was ist hier eigentlich los?!

ich verstehe, dass momentan einiges parallel läuft in berlin - wöchentlich mindestens drei nazi-aufmärsche von rassist_innen und nazis (ach hoppla, da seid ihr ja auch nicht: 1000 nazis in marzahn und 150 gegendemonstrant_innen?!), protest gegen die "mall of shame" (wie viele menschen sind da eigentlich beteiligt?), der support der refugee-proteste, der seit zwei jahren viel kapazitäten benötigt (aber auch neue menschen politisiert und aktiviert hat - wo sind die jetzt alle? mit studium fertig und jetzt party machen?) usw....

es muss hier aber auch betont werden, dass selbstorganisierte proteste von geflüchteten bald unmöglich sein werden, weil dann die betroffenen schlicht alle im knast sitzen! zumindest, wenn diese scheiße hier zulassen!

 

aber ich sehe schon, genauso wie es dem großteil der linken hier gerade noch scheißegal war, dass das asylrecht für menschen aus bosnien-herzegowina, mazedonien und serbien abgeschafft wurde (wir können jetzt bei ihren abschiebungen zugucken und noch nett winken), genauso werden wir wohl einfach die massenhafte kriminalisierung und einknastung von flüchtenden hinnehmen. und während die leute dann im knast sitzen, wird bestimmt draußen vor der tür einmal pro jahr ne nette demo stattfinden, damit die leute drinnen hören können, wie ach so solidarisch die linken hier mit ihnen sind.

 

natürlich abwechselnd eigene kleine demos der einzelnen gruppen. denn die gegenseitige bekämpfung ist schließlich wichtiger als der kampf gegen die unterdrückung von menschen.

Selbstverstaendlich soll der Hinweis auf Australien keineswegs von der hiesigen Schweinerei ablenken. Ich will zeigen, wie grausam Menschen mittlerweile weltweit mit Fluechtlingen um gehen. Du hast mit Deinen Beobachtungen in Deutschland ganz und gar recht. – Nuclear Worrier

Morgen (Montag) gibts eine Veranstaltung zum Thema:

 

Europas neue Mauern
Veranstaltung zu Kontinuitäten der mörderischen EU-Migrationspolitik

Zehntausende sind bereits im Mittelmeer ertrunken, erstmals werden viele Tote auch aus dem Schwarzen Meer gemeldet. Trotzdem setzt die EU-Migrationspolitik weiterhin auf Abschottung und Abschreckung. Neue Grenzanlagen zwingen Geflüchtete zu noch riskoreicheren Routen, Kooperationen mit Libyen, Ägypten und Tunesien sollen Abfahrten schon an den Küsten Nordafrikas verhindern. Die EU-Grenzagentur FRONTEX erhält immer mehr Kompetenzen, die Seenotrettung gehört aber weiterhin nicht zu ihren Aufgaben.

Die Aufrüstung der EU-Außengrenzen wird vorwiegend von Italien und Spanien betrieben. Deutschland und Frankreich fordern mehr Migrationskontrolle innerhalb der EU: Die Regierungen setzten durch, dass bei einem Anstieg irregulärer Migration wieder Kontrollen der Binnengrenzen eingeführt werden können. Polizeien aus Österreich und Deutschland haben im November erstmals gemeinsame Patrouillen in Eisenbahnzügen in Norditalien gestartet.

In der Veranstaltung erläutern wir, wie die EU-Migrationspolitik der letzten 20 Jahre in neue Operationen zur Migrationsabwehr gipfelt. Auch die Kämpfe und individuellen Strategien gegen die Festung Europa werden dargestellt.

Carla Höppner und Cristoph Arndt; Watch the Med/ Alarmphone
Tresor; CISPM Berlin/ Voix des migrants
Matthias Monroy; Autor

Montag, 8. Dezember, 20 Uhr
Südblock, Admiralstraße 1-2
U-Bahn Kottbusser Tor (U1, U8)