Nikos Romanos: Befreiende Wege des Angriffs (Griechenland)

Symbolbild Diskussionen

Eine Übersetzung eines Artikel der Avalance. Geschrieben von Nikos Romanos.

Inhaltlich geht es um den Habitus des Anarchistischen Kämpfers und der Anarchistischen Kämpferin. Der Hauptaspekt liegt aber in der Zurückweisung zentralistischer Organisationsmodelle für Aufständische Projekte und in der Befürwortung von informellen Zellen sowie der Verwendung von Akronymen. Trotz das es sich um eine in Teilen speziell Griechische Perspektive handelt, könnte sie auch für andere Regionen von Bedeutung sein.

 

Bei dieser Übersetzung ist mir die "personalisierung" (weiblich*, männlich*) recht schwer gefallen. Das betrifft auch die Idendifizierung ob nun eine Gruppe oder ein einzelnes Individuum gemeint ist. Es soll hier ausdrücklich betont werden, dass jegliches Geschlecht gemeint ist aber oft nur die Männliche* Form geschrieben steht. Was die Idendifikation als Einzelperson oder Gruppe angeht, mag es jedem und jeder selbst überlassen sein dies zu interpretieren.

 


Nikos Romanos: Befreiende Wege des Angriffs (Griechenland)

Der folgende Text hat die Intention einen Dialog fortzusetzen, über die Werkzeuge des Anarchistischen Aufstands und über die Wege uns zu organisieren. Ein Dialog der durch eine Internationale Anarchistische Begegnung irgendwo im ländlichen Frankreich initiiert wurde und nun fortgesetzt wird, von einer Gefängniszelle in Griechenland.

Die Meinungen die hier dargestellt werden, sind meine eigene Ansicht, es sollte also klar sein, dass sie eine bestimmte Position zu diesem Thema einnehmen. Trotzdem ist es nicht das Ziel eine Position zu haben, die Vorherrschend gegenüber allen anderen ist, was zählt ist wie die verschiedenen aber sich ergänzenden Ansichten miteinander Kommunizieren und Interagieren. Im Angesicht eines sehr flexiblen Feindes, empfiehlt es sich eine multitude von Mitteln und Formen des Angriffs zu verwenden. Eine Vielfalt von Überlegungen und Praktiken sind für Anarchisten selbstverständlich. Sodas keine Perspektive dogmatisch befürwortet wird, sondern eher begründet wird als Teil einer Vielfältigen Attacke [auf die Herrschaft].

Als erstes müssen wir über das Konzept der Organisation reden, ein Wort welches durchaus missverstanden werden kann in Anarchistischen Zirkeln.
Wir stehen einem Feind mit komplexen und komplizierten Funktionen gegenüber. Eine der Hauptcharakteristika die den Feind so stark macht, ist die konstante Evolution und Organisation einer sozialen Paranoia (1) die wir heute erleben: eine Technologische, Militärische, Architektonische, Zivile, Industrielle, Ökonomische und Wissenschaftliche Organisation. Jeder Aspekt dieser Welt wird organisiert, kontinuierlich von seinen Fehlern befreit durch ein intelligentes System das eine große Dienerschaft hat.

Angesichts dieser Zustände, ist der der glaubt ohne Organisation kämpfen zu können, mindestens als naiv zu bezeichnen.
„1972 mobilisierten die Schweine 150.000 Mann um die RAF zu jagen, dabei nutzten sie das Fernsehen um die Bevölkerung in die Jagt einzubinden, der Bundeskanzler intervenierte und zentralisierte die gesamten Polizeikräfte unter dem Kommando des BKA`s, das machte bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass eine zahlenmäßig unbedeutende Gruppe von Revolutionären ausreichte um alle materiellen und Humanoiden Ressourcen des Staates in Bewegung zu setzen. Es wurde klar das das Gewaltmonopol des Staates materielle Limits hatte, dass ihre Kräfte erschöpft werden konnten. Das heißt der Imperialismus ist auf dem taktischen Level ein Biest das Menschen verschlingen kann, auf der Strategischen Ebene ist er ein Papiertiger. Es war klar das es auf uns ankam ob die Repression weitergeht und es kam auch auf uns an sie zu zerschlagen.“
(Ulrike Meinhof)

Man kann also sagen, dass jede und jeder der sich nicht organisiert, sich nur in eine harmlose Anhäufung verwandelt, die früher oder später von den Entfremdungsmechanismen des bestehenden assimiliert wird. Sie werden ihre kämpferischen Eigenschaften verlieren die sie für den Feind gefährlich machen und werden anschließend von dem Bereich des antagonistischen Kampfes weggezerrt.

Umgekehrt gilt für die die sich entschieden haben das System zu bekämpfen, die Notwendigkeit ihren Hass zu organisieren um effektiv und gefährlich zu werden. Das heißt das die Diskussion über Wege zu unserer Organisierung, mit Eigenschaften die unseren Anarchistischen Werten entsprechen, beginnt irgendwo an diesem Punkt.

Das Dilemma ist dann, ob wir uns entweder in einer zentralen Anarchistischen Organisation organisieren, die als Referenzpunkt für die Anarchistische Bewegung dient oder ob es sich um eine dezentrale Organisierung handeln soll, die durch Anarchistische Affinitätsgruppen bestimmt wird, die ihre politische Autonomie bezüglich Aktionen und kollektiven Entscheidungen behalten werden.

Was die zentralisierende Methode der Organisierung angeht, will ich lieber im Allgemeinen als speziellen darüber sprechen, wer und wie es in Griechenland angewandt wurde.
Wenn man es historisch betrachtet, haben diese beiden Formen der Organisierung schon immer existiert, aber niemals Koexisitert. Im spanischen Bürgerkrieg haben sich Anarchisten auf einer zentralen Ebene Organisiert um die Faschisten zu bekämpfen und taten es ähnlich während anderer Revolutionärer Versuche.

Dasselbe gilt für die meisten Stadtguerilla Organisationen der Vergangenen Dekaden, die neue Genossen in ein spezifisches politisches Projekt eingebunden haben, mit dem Ziel diese zu stärken, statt eine bewaffneten Zerstreuung zu befördern, wo die Autonomie eines jeden Individuums die Möglichkeiten eröffnet neue chaotische Fronten des Angriffs zu erschaffen.

Dieses Verstehen verschiedener Wege sich zu organisieren, sollte nicht von dem sozialen und politischen Kontext dieser Zeiten getrennt werden.

Die Kämpfer dieser Zeit studierten ihren Gegner mit ihren eigenen analytischen Werkzeugen, kämpften für die Freiheit und bezahlten den Preis mit toten, strengen Haftstrafe, Folter und Isolationshaft. Die die nicht ihren Werten entsagt haben, machten ihre eigenen kritischen Bewertungen ihrer Erfahrungen die sie im laufe der Jahre gesammelt hatten, Erfahrung die offensichtlich ein ausführliches Studium benötigen, aber wenn wir an ihnen festhalten, sind wir verdammt. Was zählt ist, was wir heute tun in der Ära in der wir Leben.

So, was mich betrifft, sind die Zentrale Organisation und ein Revolutionärer Zentralismus Geister die wir von uns verbannen müssen.

Nebenbei, ein Indikator für diesen Fakt ist, dass alle verbliebenen Zentralen Anarchistischen Organisationen ihre Markenzeichen der Vergangenheit schlicht behalten haben, dabei sind sie tief in den Reformismus versunken während sie auf die direkte Aktion und Rebellion im täglichen Leben verzichten und haben somit nichts mehr mit einer kämpferischen Haltung zu tun. Sie verweigern sich die enormen sozialen und politischen Veränderungen zu verstehen, sie verweigern sich über die Grundpfeiler der zeitgenössischen Unterdrückung zu reden, der Fortschritt der Wissenschaft, der technologischen Faszination, die Herrschaft der Multinationalen und sie reden beständig weiter über Ideologisierte Theorien über den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit und beziehen sich dabei auf Texte die unter den Bedingungen vor hundert Jahren geschrieben wurden, in einer anderen Ära des Kapitalismus.

Schlimmer noch, sie weigern sich zu handeln, unfähig zu verstehen, dass wenn sie in der glorreichen Vergangenheit Leben würden, von der sie so schwelgen, wären sie bloß unwichtige Zutaten [extras] weil sie niemals irgendein Risiko eingehen würden.

Was den revolutionären Zentralismus der Städtischen Guerillagruppen angeht, auch wenn ich die Ursachen und Effekte dieser Entscheidungen verstehe, stimme ich nicht mit ihnen überein. Weil ich glaube das unser Ziel es nicht sein kann zusammen einen Weg zu gehen der von einem gemeinsamen politischen Projekt oder Programm bestimmt wird, sondern eher unsere Mittel diffus zu halten und jeden zu drängen seine Autonomie zu sichern und somit zu neuen Vorstellungen und Möglichkeiten beizutragen, die polymorphe Anarchistische Aktion zu intensivieren.

Deshalb wähle ich die informelle Organisation, die ich für qualitativ hochwertiger und effektiver halte, aus gründen die ich Später erkläre. Die Hauptkomponente die die informelle Organisation ausmacht (und nicht nur die) ist nichts anderes als die direkte Aktion, andererseits wären wir nur ein Haufen Scharlatane (2) mit dissidenter Rhetorik. 

Das wichtigste Ding für Anarchisten, ist die Entscheidung eine Aktion zu unternehmen, denn damit durchbricht die Individualität die Angst die die Herrschaft gegenüber der Revolutionären Aktion erzeugt. Wenn du eine Aktion unternimmst, überwindest du die hemmenden Faktoren die dich in die Inaktivität geführt haben, du nimmst dein Leben in beide Hände und eignest dir die Fähigkeit an, die Umstände die dein Leben definieren in einem größeren oder kleineren Anteil zu beeinflussen. Eine Aktion zu unternehmen ist gleichzusetzen mit einer Wiederaneignung des Lebens das uns gestohlen wurde, damit schärft man die Charakteristiken eines freien Menschen der Kämpft um die Fesseln loszuwerden, ihre sozialen Verbindlichkeiten, auf einer täglichen Basis und dabei die autoritären Regeln zu zerschlagen die uns auferlegt wurden. Gleichzeitig wird eine Kultur aufgebaut, die die Qualitäten eines neuen Lebens in sich trägt. Ein neues Leben als Anarchistischer aufständiger der mit Klingen offene Wunden in die derzeitige Welt schlägt.

Nachdem diese Entscheidung getroffen wurde, kommt das Experimentieren. Anarchisten sollten keine festgelegten Positionen haben, sie sollten sie ständig bewegen denn ohne Bewegung wird man in die Selbstzerstörung durch Ideologischen Dogmatismus getrieben. Sie [Anarchisten] überdenken ihre Positionen, kritisieren sich selbst und entdecken die kollektiven Erfahrungen um sie an die aktuellen Historischen Fakten anzupassen. Sie verwandeln ihr Herz in Eis um dem Schmerz standzuhalten und setzen die letzten Spuren ihres „ruhigen“ Lebens in Brand um sie auszulöschen. Von diesem Zeitpunkt aus ist der Kampf das was zählt, aber auch die Rache, denn die die Gewalt aus erster Hand erfahren haben und nicht nach Rache streben, sind ihres Leidens nicht würdig.

Lasst uns zu dem Thema der praktischen Erfahrung zurückkehren, dass meint die Aktion mit ihren vielen Formen, Wegen und Methoden.
Ich denke, dass die Organisierung unseres zerstörerischen Verlangens mithilfe von Aktionsnetzwerken von hoher Unverwechselbarkeit ausgedrückt werden sollte. Wo jeder fähig sein wird, die Worte und Arbeiten des anderen zu lesen und inspiriert zu werden, darüber zu reflektieren und mit uns handeln wird oder gegen uns. Kommunikativ sichtbar zu sein, ist Teil des Zwecks eine soziale Polarisierung im höchsten Grad zu erreichen um die Rolle eines jeden im autoritären Gebäude klarzustellen um dann von der Waffe der Kritik zur Kritik der Waffen überzugehen.

Meiner Meinung nach ist die Übernahme der Verantwortung [responsibility claim] das was einer Aktion Bedeutung gibt und sie zu ihren gewünschten Zielen führt. Ebenfalls kann dehnen, die an einem Durchbrechen des bösartigen Zirkels der Repression interessiert sind und die in die Offensive übergehen wollen, die Motivation und die Begründung erklärt werden, die dich dazu veranlasst hat es zu tun. Einfach und klar. In einer Welt des generellen Informationsüberflusses und des Terrorismus des virtuellen Bombardements, kann keine Aktion für sich selber sprechen, es sei denn die die in dem Thema (3) handeln sprechen selber darüber.

Das hohe Level der Unverwechselbarkeit das ich weiter oben erwähnt hatte, ist sowohl mit der Verwendung von unveränderlichen Aufständischen Namen als auch Akronymen (4) verbunden. Für mich sind unveränderliche Namen in Aufständischen Aktionen von besonderer Bedeutung, weil auf diesem Weg unsere Aktionen miteinander verbunden werden und verstärken zu selben Zeit ihre Dynamik.

Des Weiteren hat dein Diskurs eine größere Gewichtung, da er mit der Konstanz deiner Aktionen verbunden ist. Du hast die Möglichkeit neue Strategien der Aufständischen Aktion zu ersinnen und kannst sie zu einem wichtigen Ziel machen, dabei kann ein Punkt der Referenz und eine Herausforderung zur Aktion erzeugt werden. Dabei kann die Revolutionäre Bedrohung verschärft und das Gewaltmonopol des Staates aufgebrochen werden, indem Anarchisten ihren Anspruch auf einen Teil der Gewalt wahrnehmen und sie gegen den Feind richten. (5)

Betreffend die Verwendung von Akronymen, diese sind ebenfalls Hilfreich auf einem umfassenderen Level. Ihr wichtigster Aspekt ist das Beitragen zu einer Wahrnehmung das Widerstand sich ohne Zentrum manifestieren kann, stattdessen ist der Widerstand zur gleichen Zeit horizontal und chaotisch, je nachdem was die Rebellen wählen.

Ich denke das die Existenz von Akronymen ebenfalls ein wichtiges Propagandamittel sind. Übersetzungsnetzwerke können die Arbeit eines Messengers übernehmen, zwischen den Aufständischen Gruppen egal ob sie Akronyme verwenden oder nicht. Dennoch verbessert die Existenz eines oder mehrerer informeller Netzwerke die Akronyme verwenden und sich gegenseitig Wahrnehmen den Schwung [momentum] von Aktionen indem sie in einen generellen Kontext gebracht werden, statt das sie etwas fragmentarisches sind. Das erzeugt eine Stabile Struktur (deren Existenz aus der kontinuierlichen Aktion besteht) die Anarchistisch und Aufständisch bis in die Wurzeln ist. 

Statt eines Epilogs

Es ist klar dass im Namen der „Sicherheit der Bürger“ künstliche soziale Bedrohungen konstruiert werden um ein Alibi bereit zu stellen, dass die größten Staatsverbrechen deckt. Dabei werden mehr und mehr Praktiken der Kontrolle und Überwachung etabliert und die Anti-Terror-Gesetze verstärkt. All das soll die Privilegierten Bürger der Entwickelten Länder, die mit diesem prestigeträchtigen Label belohnt wurden, dazu bringen sich sicher zu fühlen, während ihre etatistischen (6) Beschützer Massiv und Wahllos den Tod um sie herum sähen. 

Deshalb sehe ich [envision] Kämpferische Bedingungen in den urbanen Zentren vorraus, wo jeden Tag die Rebellen ihre Pläne für den Angriff organisieren um dabei eine asymmetrische Bedrohung zu erschaffen die den sozialen Zusammenhalt und die politische Stabilität in Stücke schlägt und die Unsicherheit in die Reproduktionszentren des Kapitalismus sähen wird. Der sichere Fluss der Waren wird nicht länger als garantiert angesehen werden und die Repräsentativen der Repression werden in Angst leben.

Es gibt nichts mehr worauf wir warten sollen, also organisieren wir uns selbst und greifen die Gesellschaft des Kapitalismus an. Revolutionäre Aktionen formen die objektiven Verhältnisse,  also last uns sie multiplizieren.

Stärke für alle gefangenen und flüchtigen Genossen.
Stärke für die 4 Anarchistischen Hungerstreikenden in Mexico.

Nikos Romanos
Dikastiki Filaki Koridallou,
Ε Pteryga,
18110 Koridallos,
Athen,
Griechenland

Oktober 2014

Zuerst veröffentlicht in der 3. Ausgabe von Avalance (November 2014)

 

http://325.nostate.net/?p=13188

https://linksunten.indymedia.org/en/node/127279

1: https://de.wikipedia.org/wiki/Paranoia
2: https://de.wikipedia.org/wiki/Scharlatan
3: Will heißen das das jeweilige Thema/Fach (subjects) z.B. Kameras oder Tierausbeutung, wenn angegriffen, von eben dehnen beschrieben wird, die diesen Angriff ausführten (actors).
4: https://de.wikipedia.org/wiki/Akronym
5: „as anarchists claim their share of violence to turn it against the enemy.”
6: https://de.wikipedia.org/wiki/Etatismus