Leipzig. Rund 350 Asylbewerber – und damit 150 weniger als ursprünglich vorgesehen – sollen im ehemaligen Wiederitzscher Bundeswehrkrankenhaus untergebracht werden. Das wurde am Montagabend bei einer Informationsveranstaltung im Haus Auensee bekannt. Das sächsische Innenministerium stellte dabei seine Pläne vor, dort ab Mai 2015 als Interim für rund zwei Jahre eine Erstaufnahmeeinrichtung zu schaffen. Diese sieht auch einen rund um die Uhr besetzten Polizeiposten vor. Aufgrund der Insolvenz des Eigentümers Golden Gate stocken jedoch die Verhandlungen.
Das Interesse war enorm, die Debatte teilweise hitzig: Knapp 1000 auch
mit Reisebussen angereiste Anwohner und Interessierte kamen ins Haus
Auensee. „Es ist noch kein Mietvertrag abgeschlossen“, sagte Michael
Wilhelm, Staatssekretär im Innenministerium, zu Beginn – und erntete
Applaus. Im Norden der Stadt herrscht Verunsicherung, ob die 1998 für
rund 90 Millionen Euro errichtete und 2007 geschlossene Klinik für
Flüchtlinge genutzt wird und welche Folgen damit verbunden sind. Gegen
die Pläne hat sich bereits eine Bürgerinitiative formiert.
Klinik könnte später für Bereitschaftspolizei genutzt werden
Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz appellierte in einer
leidenschaftlichen Rede an die Anwohner, die Flüchtlinge „nicht alleine
zu lassen“. „Ich kenne Ihre Sorgen und Nöte. Gemeinsam werden wir diese
Situation meistern“, sagte er. Die Polizeidirektion plant, rund um die
Uhr vor Ort präsent zu sein. In einem bereits konzipierten Polizeiposten
sollen insgesamt neun Beamte im Drei-Schicht-System für Sicherheit
sorgen. „Die sind zum Schutz der Asylbewerber da – aber auch für Sie“,
betonte Merbitz.
Der ursprünglichen Planung zufolge sollten 500
Plätze für Asylbewerber geschaffen werden. Nach einer Begehung durch
Vertreter von Landeskriminalamt, Bundespolizei, Landesdirektion und den
möglichen Betreiber am Montag vergangener Woche musste diese Prognose
jedoch nach unten korrigiert werden. „Es war die allgemeine Meinung,
dass maximal 350 Plätze überhaupt vertretbar sind“, erklärte Wilhelm. Im
Anschluss gibt es bereits vage Pläne, die Klinik als Standort für die
Bereitschaftspolizei zu nutzen.
Kritik: Kein Vertreter der Stadt Leipzig anwesend
Der Freistaat plant neben dem bestehenden Erstaufnahmelager in Chemnitz
zwei weitere Einrichtungen in Dresden und in der Max-Liebermann-Straße
in Leipzig-Gohlis. Bis der für 700 Flüchtlinge ausgelegte Neubau fertig
ist, wird eine Übergangslösung benötigt. Das Innenministerium hält die
einstige Bundeswehrklinik hierfür „ideal geeignet“. Wilhelm betonte,
dass das Gebäude nicht dauerhaft genutzt werden soll. „Wir gehen davon
aus, dass wir bis Mitte 2017 dort einen Notbehelf schaffen.“
Eigentümer
Golden Gate drängt bislang auf einen Verkauf, den sich das Land jedoch
nicht leisten kann und will. Kolportierte sechs Millionen Euro bezahlte
das auf Krankenhäuser spezialisierte Immobilien-Unternehmen bei der
Übernahme 2009. Das Innenministerium forciert stattdessen eine
Mietlösung. Ein Bauantrag liegt der Stadt bislang noch nicht vor.
Dass
bei der Info-Veranstaltung kein Vertreter der Kommune Rede und Antwort
stand, stieß bei Teilnehmern auf Kritik. Die Stadt habe ihre "Teilnahme
mehrmals angeboten",
reagierte die Kommune am Dienstag per Twitter.
Jedoch habe der Freistaat angeblich "keine Notwendigkeit" hierfür
gesehen. Innenministeriums-Sprecher Martin Strunden widersprach dieser
Darstellung
via Twitter:
Die Landesdirektion habe die Stadt für mögliche Nachfragen sehr wohl
eingeladen, eine aktive Rolle sei jedoch nicht vorgesehen gewesen.
"Dafür stellen wir nicht extra Behördenleiter ab", sagte Stadtsprecher
Matthias Hasberg gegenüber LVZ-Online. "Zudem sind wir auch nur in
planungsrechtlichen Fragen involviert."
Container als Alternative geprüft
Wann es weitere Gespräche geben wird, ist derzeit ebenso unklar wie der
genaue Zeitplan bis zu einer möglichen Nutzung des Gebäudes. Sollten die
Verhandlungen platzen, bliebe als Alternative wohl nur eine
Containerlösung. Dies sei in der Max-Liebermann-Straße, wo bereits
Abrissmaßnahmen laufen, bereits geprüft aber wieder verworfen worden,
berichtete Wilhelm. „Das würde die Baumaßnahme dort erheblich
beeinträchtigen und verlängern.“
Obwohl es in der knapp
dreistündigen Diskussion auch zahlreiche Zwischenrufe gab, ging es meist
sachlich zu. Merbitz bedankte sich ausdrücklich bei der
Bürgerinitiative Wiederitzsch, dass die Debatte bislang nicht emotional
aufgeladen wurde. „Ganz besonders freut es mich, dass es zu keinen
extremistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen gekommen ist. Das
wünsche ich mir auch weiter so“, sagte der Polizeipräsident.