In vielen Städten formierte sich Widerstand gegen die europaweite, rassistische Polizeiaktion „Mos Maiorum“ in Form von unzähligen kreativen Aktionen und Kundgebungen, v.a. an wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie großen Bahnhöfen. Auch in Würzburg veranstaltete eine offene, selbstorganisierte Gruppe von AntirassistInnen, welche teilweise auch schon das Protestzelt von Geflüchteten in der Würzburger Innenstadt diesen Sommer unterstützten, eine Kundgebung am Würzburger Hauptbahnhof.
[*Einen Hintergrundbericht zum Protestzelt der Geflüchteten weiter unten]
Unsere Kundgebung fand vom 20. bis zum 26. Oktober statt, jeweils von 10-18 Uhr. Lediglich den Samstag ließen wir aus, um gemeinsam gegen einen Aufmarsch von Neonazis und RassistInnen in Bamberg zu protestieren.
An unserem Infostand konnten sich die PassantInnen mit Infomaterial zu den Themen Fluchtgründe und Rassismus versorgen, welches auch meist mit Interesse und kurzen Gesprächen dankbar angenommen wurde. Auch mehrsprachige Reisewarnungen wurden ausgelegt und verteilt.
Weiterhin beschallten wir den Bahnhofsvorplatz mit eingespielten Texten, welche sowohl informativ waren, als auch Solidarität mit den Geflüchteten ausdrückten. Ebenso wurde eine Reisewarnung in deutsch und englisch kontinuierlich abgespielt und war auch gut im Inneren des Bahnhofs hörbar.
Zudem gab es kritische Interventionen in und um den Bahnhof, wenn die Polizei sogenanntes Racial Profiling betrieb, was leider erschreckend oft vorkam. Auch wurde mehrfach beobachtet wie offensichtlich papierlose Geflüchtete von der Polizei mitgenommen wurden. Was danach mit den betroffenen Menschen passiert ist, wissen wir leider nicht.
Insgesamt beurteilen wir unsere Aktion als sehr erfolgreich, was das Erreichen der Bevölkerung angeht. Der informative Charakter der Veranstaltung fand meist großen Zuspruch unter der Bevölkerung und eine Sensibilisierung für das Thema „Flüchtlinge“ ist uns sicherlich gelungen. Auch sind wir der Meinung, dass derartige informative Aktionen zumindest im kleinen Maß dem stumpfen Rassismus in unserer Gesellschaft entgegenwirken können.
Leider gab es auch einige wenige Menschen, die pöbelten, schimpften oder einen (zu tiefen) Einblick in ihr menschenverachtendes und/oder verschwörungstheoretisches Weltbild gaben. Doch das war eine kleine Minderheit und davon lassen wir uns nicht beirren und werden auch in Zukunft antirassistische Aktionen durchführen!
In diesem Sinne: Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!
* Hintergrundbericht zum Protestzelt der Geflüchteten in diesem Sommer:
Nachdem sich im Januar 2012 der iranische Geflüchtete* Mohammad Rhasepar in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg (GU), offiziell Zentrale Rückführungsstelle, das Leben nahm, brach in Würzburg und in Folge dessen auch bundesweit eine große selbstorganisierte Protestwelle der Geflüchteten aus. Auch dieses Jahr setzten sich diese Proteste, in Form eines, als Versammlung angemeldeten, Protestszelts am oberen Markt, fort.
Seit dem 20. Mai konnten sich PassantInnen an diesem Zelt über die teilweise katastrophalen Bedingungen der Unterbringung von Geflüchteten in Lagern, wie in dem der GU – Würzburg, informieren und mit den Asylsuchenden selbst ins Gespräch kommen. Dazu hatte man mit Hilfe von zahlreichen UnterstützerInnen auch Infomaterial und diverse Petitionen ausgelegt.
An den Außenwänden waren Transparente aufgehängt mit Sprüchen wie „Rassismus tötet“ und weitere mit beispielsweise inhaltlichen Bezügen zur Lampedusa Tragödie, wo über 100 geflüchtete Menschen auf offener See kenterten und ums Leben kamen.
Am 20. Juni, dem internationalen Tag des Flüchtlings, fand dann eine Demonstration mit über 300 UnterstützerInnen statt, die sich solidarisch mit den Protestierenden zeigte. Es wurde unter anderem eine Abschaffung der schon lange kritisierten Residenzpflicht gefordert und weiterhin die Unterbringung von Geflüchteten in Lagern kritisiert.
Auf der Abschlusskundgebung gab der gewählte Sprecher der protestierenden Geflüchteten Reza Almassi Moghaddam bekannt, dass er mit vier weiteren Mitstreitern in den sogenannten trockenen Hungerstreik gehen wird, was bedeutet, dass sie auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigern werden.
Seit dem 24.6. konnte man nun am Protestzelt auch ein Transparent mit der Aufschrift „ Wir sind 5 iranische Flüchtlinge und seit dem 24.6 um 00:00 Uhr im Hunger – und Durststreik“ hängen sehen.
Die Namen der Geflüchteten sind neben dem schon erwähnten Reza Almassi Moghaddam: Jamal Delkhah, Amir Dolati, Teyeb Naseri und Kambiz Mohamad Aghaie Talari.
Sie alle haben eine zentrale Forderung, welche die Anerkennung ihrer Asylanträge und damit ein sicherer Aufenthaltsstatus in Deutschland ist.
Als Grund nannten sie ihre Konvertation zum evangelischen Christentum, auf Grund derer sie in ihrem Heimatland, dem Iran, erhebliche Gefahren für Leib und Leben erwarte.
Am Morgen des 24.6. erließ die Stadt eine Auflage für die Versammlung, welche besagte, dass die Geflüchteten einen Arzt benennen müssen, welcher in regelmäßigen Abständen ihren gesundheitlichen Zustand überprüft, sonst drohe eine Räumung des Zelts und damit die Auflösung des Protests.
Am Donnerstag, den 26.6. besuchte schließlich der Bischof Friedhelm Hofmann das Protestzelt und versprach den fünf Geflüchteten sich für ihre Forderungen einzusetzen. Diese nahmen das Entgegenkommen zum Anlass ihren trockenen Hungerstreik, der zwischenzeitlich auch für zwei der Iraner im Krankenhaus gipfelte, zu beenden und hofften von nun an auf ein positives Ergebnis ihrer Asylanträge. Am Ende des Monats packten sie zudem ihr Protestzelt zusammen und lösten die Versammlung auf.
Leider erfüllte sich die Hoffnung auf ein friedvolles Leben in Deutschland nicht für alle der Protestierenden. Lediglich der Asylantrag von Reza Almassi Moghaddam wurde angenommen. Alle anderen wurden abgelehnt. Drei der Iraner haben mittlerweile Klage gegen die behördliche Entscheidung eingereicht und warten nun auf einen Termin vor dem Verwaltungsgericht Würzburg.
Und hier noch der Text eines Flyers, welcher hundertfach in dieser Woche verteilt wurde:
Was ist Mos Maiorum?
Mos Maiorum („Sitte der Ahnen“) heißt die europaweite Polizeiaktion, die das Aufspüren von Menschen ohne Papiere zum Ziel hat. Zwei Wochen, vom 13.10-26.10.2014, werden 18.000 Polizeibeamte aus 20 Staaten gezielt an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Knotenpunkten nach Illegalisierten fahnden. Nicht nur wird so sukzessive der Schengener Grenzkodex unterlaufen, es kommt auch fast ausschließlich „racial profiling“ zum Einsatz, wobei Verdächtige einzig nach äußerlichen Merkmalen wie z.B. Hautfarbe ausgewählt werden. Das ist eine – eigentlich durch Art. 14 der europäischen Menschenrechtskonventionen verbotene – rassistische Diskriminierung.
Zum ersten Mal ist nun auch die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX fest und zentral in eine derartigen Aktion eingebunden.
Wer ist Frontex?
FRONTEX kennt kaum jemand. Die Aufgaben umfassen die Analyse verschiedener Routen der Migration, die Koordinierung der Grenzpolizeien der Mitgliedsstaaten und Unterstützung von Abschiebungen. So trägt die Grenzschutzagentur zur massiven Abschottung Europas gegen jene Menschen bei, die nach Europa kommen, um Schutz und Überleben zu suchen. Dass sie dabei angeblich Menschenleben rettet, ist blanker Hohn: Gerade ein Jahr ist es her, dass im Mittelmeer vor Lampedusa fast 400 Menschen bei dem Versuch das Meer zu überwinden ertrunken sind. Fast täglich geschieht auf den Meeren vor Europa ähnliches.
Warum fliehen Menschen?
Immer mehr Menschen sehen sich genötigt zu fliehen, ihre Heimat, Kultur, Familie, kurz ihr Leben hinter sich zu lassen. Armut, Kriege und Verfolgungen verschiedenster Art sind Gründe. Dazu tragen sogenannte Industriestaaten, auch Deutschland, durch Ausbeutung bei und verursachen durch ihr Streben nach maximalen Profit immer wieder aufs Neue die Krise, die Menschen zwingt zu fliehen. Diese Menschen sind Leidtragende des Systems, sie sind die Opfer einer Spirale aus Grausamkeit.
Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge!
Alles was die EU dagegen unternimmt, ist noch mehr Mauern und Stacheldraht zu errichten und FRONTEX immer größere Zugeständnisse zu machen. Es findet eine Abschottung statt, nicht selten mit tödlichem Ausgang. Sie erfolgt gegen genau die Menschen, deren Länder unter dem „Reichtum“ der EU am meisten leiden. Das ist zynisch. Das ist grausam.
Die Lösung kann nur sein, sich endlich mit den Fluchtursachen auseinanderzusetzen – dem Kapitalismus und seinen Folgen. Die Menschen, die sich auf der Flucht befinden, benötigen unseren Schutz, unsere Unterstützung! Wir stehen zusammen, gegen den Kommerz und für Menschen. Deshalb fordern wir:
Schluss mit rassistischen Polizeikontrollen! Kein Mensch ist illegal! Bleiberecht überall!