So schnell können sich die Dinge ändern: Am Freitag, den 17. Oktober 2014, gab Claus Schmiedel, der Chef der SPD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, bekannt, dass die SPD einen Untersuchungsausschuss zu den Morden des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) beantragen werde. Bisher hatten die baden-württembergischen Sozialdemokraten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema abgelehnt und die im April 2014 eingerichtete "Enquete-Kommission" verteidigt.
Noch am 5. September 2014 hatte das Innenministerium von Reinhold Gall (SPD) Forderungen nach der Aufklärung des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn 2007 zurückgewiesen und verkündet, es gebe "keine neuen Ansatzpunkte für weitere politische Aufklärung" (Pressemitteilung Innenministerium Baden-Württemberg, 05.09.2014). Claus Schmiedel hatte sich ebenfalls gegen jede Kritik verwahrt und zum Mord an Kiesewetter erklärt: "Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. Deshalb könnte ein Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg nicht mehr erreichen, als der Bundestags-Untersuchungsausschuss erreicht hat.“ (Stuttgarter Zeitung, 04.09.2014).
Dass sich der Wind jetzt 
gedreht hat, hängt vor allem mit dem Scheitern der 
"NSU-Enquete-Kommission" im Stuttgarter Landtag zusammen. Am 16. Oktober
 2014 erklärte die CDU um ihren Obmann Matthias Pröfrock, die Mitarbeit 
in der Enquete-Kommission vorerst einzustellen und forderte den 
Grünen-Politiker Daniel Andreas Lede Abal dazu auf, sich aus dem Gremium
 zurückzuziehen.
 Damit reagierte die CDU auf einen Eklat um den 
grünen Enquete-Vorsitzenden Wilhelm Halder. Recherchen der "Stuttgarter 
Nachrichten" hatten zu Tage gefördert, dass Halder ein juristisches 
Gutachten über die Möglichkeiten der Enquete-Kommission an grüne 
PolitikerInnen weiter geleitet, das Papier aber den anderen Beteiligten 
der Enquete vorenthalten hatte.
 Das Gutachten sollte vor allem die Frage klären, ob Ermittlungsbeamte vor der Enquete-Kommission aussagen dürfen.
 Der Grüne Lede Abal behauptete zunächst, das Papier nicht bekommen zu 
haben und musste sich dafür am Mittwoch, den 15. Oktober 2014, 
schriftlich entschuldigen. Der Enquete-Vorsitzende Halder erklärte am 
selben Tag seinen Rücktritt. Der stellvertretende Enquete-Vorsitzende 
Karl Zimmermann (CDU) kündigte zwar an, vorübergehend den Vorsitz der 
Kommission zu übernehmen und die für den 10. November 2014 geplante 
nächste Sitzung zu leiten. Ob es dazu kommen wird, ist allerdings 
fraglich.
Die Enquete-Kommission ist damit nach nur 4 Sitzungstagen gescheitert und der längst überfällige Untersuchungsausschuss zu den zahlreichen Verstrickungen des NSU-Netzwerks im Südwesten und dem rätselhaften Heilbronner Polizistenmord sicher. Nach den desaströs vorbereiteten und inhaltlich wenig gehaltvollen Sitzungen der Enquete-Kommission bleibt aber abzuwarten, wie effektiv der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg arbeiten wird. Eine kritische antifaschistische Begleitung, Beobachtung und Kommentierung ist deshalb umso notwendiger.

