Am Samstag, den 17. Oktober, veranstalten die Antifaschistische Jugend
Bochum und Azzoncao, ein Polit-Café eine Demonstration
anlässlich des 12. Todestages von Josef Anton Gera. Wir hatten die
Gelegenheit, der Antifa Jugend ein Paar Fragen zu stellen.
- Ihr mobilisiert für den Samstag dieser Woche nach Bochum. Erzählt bitte kurz, worum es geht.
Am
14. Oktober vor 12 Jahren wurde der Homosexuelle Josef Gera von zwei
Neonazis ermordet. Er feierte an jenem Abend mit Obdachlosen auf dem
alten Krupp-Gelände Unter ihnen waren auch zwei Rechtsradikale. Im
Laufe des Abends schrien diese rechte Parolen und zeigten mehrmals den
Hitler-Gruß. Auch ihre Hütten waren mit SS-Runen und
Hakenkreuzen
beschmiert. Nach den Angaben der Mörder machte
Gera den beiden sexuelle Avancen. Daraufhin griffen sie zu Eisenstangen
und fügten dem 59jährigen immense Verletzungen zu. Gera ist
ein paar Tage darauf an diesen Verletzunen im Krankenhaus verstorben.
- Wie hat die Presse und die Staatsanwaltschaft auf diesen Mordfall reagiert?
Die
Staatsanwaltschaft negierte dreist das politische Hassmotiv der Tat.
Sie leugneten die Homosexualität Geras, als auch die
rechtsradikale Einstellung der Mörder. Dass diese am nächsten
Tag noch sich bei ihren Familien gerühmt haben, „es einem
Schwulen richtig gezeigt zu haben“, ignorierte der Staatsanwalt
prompt. Der Mord sei „aus niederen Beweggründen“
begangen worden, wo „Alkohol und eine Menge Frustration eine
tragende Rolle gespielt haben“, so der Staatsanwalt Dieter
Justinsky.
Auch die Presse übernahm selbstverständlich
diese Ansicht der Dinge. Die Stadt Bochum erkennt das Motiv der Tat bis
zum heutigen Tag nicht an. Warum auch, keine Stadt möchte sich mit
rechtsradikalen Mordtaten ihr Image versauen. Deswegen fordern wir
nicht nur die Anerkennung der politisch-motivierten Mordtat, sondern
auch eine Gedenkplakette für Josef Anton Gera.
- Ihr
demonstriert unter dem Motto „Gegen Homophobie, Soziale
Ausgrenzung und Rechte Gewalt“. Inwiefern hängen die Arbeit
der Presse und des Staates eurer Meinung nach mit diesen Faktoren
zusammen?
Rechte Gewalt ist heutzutage genauso aktuell, wie vor 12
Jahren. Der aktuellste Fall in unserer Region ist wohl einer aus
Dortmund. Eine Familie aus Dortmund-Dorstfeld erlebt seit Langem den
rechten Terror. In diesem Stadtteil wollen die Nazis eine
national-befreite Zone errichten. Weil sich die Familie gegen Rechts
engagiert, wird sie bedroht und
eingeschüchtert. Die Presse
versucht den Eindruck zu vermitteln, die etablierten Parteien
würden sich um das Schicksal der Familie kümmern. Jedoch ist
es klar, dass es wieder nur einmal eine Kampagne ist, wovon die
Politiker und ihr „tolerantes“ Image profitieren. In
Wirklichkeit engagiert sich kaum ein staatliches Organ gegen Rassismus.
Denn bereits vor einiger Zeit hat sich die Familie an die
städtischen Institutionen gewendet – leider vergeblich.
Doch
nicht nur Homosexuelle und alternative Jugendliche werden Opfer rechter
Gewalt. Auch MigrantInnen und Menschen mit anderer Hautfarbe erfahren
die Diskriminierung am eigenen Leib. So z.B. Auch Tibor Sturm, ein
Afrodeutscher Musiker, der 2005 von sechs Neonazis angegriffen wurde
und sich erfolgreich gewehrt hatte. Dabei wurde ein Rechter schwer
verletzt, wofür Tibor sieben Monate Haft wegen
„überzogener Notwehr“ über sich ergehen lassen
musste. Am 16. Oktober hält er einen Vortrag über seine
Situation in Bochum. (http://ajb.blogsport.de/?p=194)
Wir
sind der Meinung, dass Staat und die Mehrheit der Presse kein
ernsthaftes Interesse daran haben, rechtsmotivierte Gewalt zu
bekämpfen. Die Politiker wollen sich nicht eingestehen, dass es
Probleme mit Rechtsradikalen gibt. So versucht auch der Staat die Zahl
der Todesopfer rechter Gewalt zu minimieren. Auf eine parlamentarische
Nachfrage einer
Bundestagsabgeordneten wurde angegeben, es seien
„nur“ 40 rechtsmotivierte Morde seit der Wiedervereinigung
verübt worden. Dabei zählten unabhängige Stiftungen
mindestens 142 Tote. Gewaltdelikte sind dabei nicht inbegriffen.
- Sind Nazis, Presse und staatliche Organe denn das einzige Problem im Bezug auf rechte Gewalt?
Nein,
denn es ist nicht zuletzt auch ein großer Teil der sogennanten
Normalbevölkerung, die mit ihren unreflektierten Vorurteilen und
Ressentiments gegen das, aus ihrer Sicht "Andere" oder "Fremde",
rassistischen oder auch homophoben Gewalttaten eine geistige Grundlage
gibt. Diese Vorstellungen werden zweifelsohne auch maßgeblich von
Politik und Presse beeinflußt. Und ebenso wie Letztere schaut
auch diese Bevölkerung dann gern mal weg wenn Rassismus und
Homophobie offen auftreten bzw. übt diese selber aus. Auch die
vorherrschende kapitalistische Verwertungsideolgie nährt
Neofaschistische Tendenzen. So schürt sie beispielsweise den Hass
auf Arbeits- und Obdachlose, da diese, als nicht Mehrwertschaffende und
"wirtschaftlich Überflüssige", nichts beitragen würden
und somit kein Recht auf ein "gutes" Leben hätten.
Hinzugefügt wird dann noch, sie hätten sich ihre Situation
selbst zuzuschreiben; dass das faktisch falsch ist wird übersehen.
So sind Nazis kein isoliertes Problem sondern stehts im Kontext zu
ihrer Umwelt zu sehen, die sie ignoriert und teilweise ideologisch
ähnliche, falsche Vorstellungen hat. Deswegen geht es uns bei
dieser Demo auch darum, unsere Mitmenschen zu sensibilisieren und zum
Nachdenken über eigene Vorstellungen und Paradigmen anzuregen. Der
Fall Gera kann dabei als Denkanstoß dienen.
- Was erwartet ihr von dem Demonstrationszug am Samstag?
Wir
haben letztes Jahr zum ersten Mal im Gedenken an Gera demonstriert.
Dabei ist die Demo friedlich mit ca. 60 Menschen verlaufen. Wir hoffen
dieses Jahr, dass es wesentlich mehr Menschen werden, denn die Thematik
ist hochaktuell und ihre Aufarbeitung sehr wichtig. Wir möchten
jenseits vom eigenen Umfeld darauf aufmerksam und Druck auf die
städtische Regierung machen. Wir wollen nicht länger zusehen,
wie Nazis ungestört ihre rechtsradikale Ideologie praktisch
verwirklichen können und die Gesellschaft und der ach so gute
Staat dabei tatenlos zusehen und die Augen vor dem Problem
verschließen.
Kommt raus auf die Strasse!
- Vielen Dank für das Interview.
Die Demo beginnt am 17. Oktober um 15 Uhr vor dem Bochumer Hbf.
Weitere Infos gibt es hier: http://ajb.blogsport.de/2009/09/12/im-gedenken-an-josef-anton-gera/