Der Verfassungsschutz gerät angesichts neuer Details über die Arbeit des V-Manns „Corelli“ weiter unter Druck.
Im Fall des unter mysteriösen Umständen verstorbenen V-Manns „Corelli“ erhöhen neue Details den Druck auf das Bundesamt für Verfassungsschutz. So hatte der amtsintern als Spitzenquelle eingestufte Spitzel bereits 2002 dem BfV ein erstes Dokument besorgt, in dem die rechte Terrororganisation NSU namentlich erwähnt wird.
Am vergangenen Mittwoch erst war bekannt geworden, dass „Corelli“ im Jahr 2005 dem BfV eine CD mit Bildmaterial übergeben hatte, die er seinerzeit unter dem Label „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in der rechten Szene vertrieben hatte. Trotz dieser beiden Informationslieferungen des V-Manns beharrt das BfV weiter darauf, vor dem Auffliegen der rechten Terrorgruppe im November 2011 keine Kenntnis vom NSU gehabt zu haben. Die beiden von dem V-Mann gelieferten Hinweise seien übersehen worden.
Den ersten Hinweis auf den NSU lieferte „Corelli“, hinter dem sich der bundesweit führende Neonazi Thomas R. verbarg, im Oktober 2002. Damals übergab er seinem Verbindungsführer im BfV ein Exemplar des Nazi-Fanzines „Der Weisse Wolf“. Die Macher des Magazins hatten vom NSU-Trio eine Geldspende von 2500 Euro erhalten. Auf der Seite 2 des von „Corelli“ beschafften Heftes tauchte an herausgehobener Stelle eine Notiz für den Spender auf: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter…“, heißt es dort.
Über die NSU-Spende und die Danksagung in dem Nazi-Magazin war bereits im Juni 2012 in den Medien berichtet worden. Weitgehend unbekannt war bislang allerdings, dass „Corelli“ das Heft mit dem Dank an den NSU für das BfV beschafft hatte – und zwar im Auftrag des Amtes. So hatte es ein BfV-Beamter in einer als „Geheim“ eingestuften Zeugenvernehmung vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages bestätigt. Allerdings sei bei der Auswertung des Magazins der Hinweis auf den NSU übersehen worden, sagte der Beamte weiter. Man habe dieser eher ironisch gehaltenen Danksagung an den NSU keine „inhaltliche Relevanz“ beigemessen.
Auch in der drei Jahre später vom gleichen V-Mann an das BfV übergebenen CD mit dem Aufdruck „NSU/NSDAP“ wurde im Bundesamt angeblich keine inhaltliche Relevanz entdeckt. So stellt es BfV-Chef Hans-Georg Maaßen jetzt zumindest dar. Vergangenen Dienstag hatte er Mitglieder des Bundestags-Innenausschusses telefonisch in Kenntnis gesetzt, dass seine Behörde die CD 2005 von „Corelli“ erhalten habe. Dass sich hinter dem in einem Begleittext der CD erwähnten „Nationalsozialistischen Untergrund“ eine Organisation verberge, habe man daraus aber nicht erkennen können, sagte er.
Nicht mehr nachprüfbar
Ob „Corelli“ seinen Auftraggebern weitere Hinweise auf die Terroristen lieferte, lässt sich nicht mehr nachprüfen. Der V-Mann starb vor einem halben Jahr nach offizieller Darstellung an den Folgen einer nicht erkannten Diabetes. Zwar hat ein Ermittler des Untersuchungsausschusses 2013 mehrere, vom BfV zur Verfügung gestellte Ordner mit Berichten des V-Manns ausgewertet und nach eigenen Angaben keine Hinweise auf den NSU entdeckt. Dass er darin aber nicht auf die Übergabe der NSU-CD durch „Corelli“ an das BfV stieß, nährt den Verdacht, dass die Akten nicht vollständig waren.
Auffällig ist auch, wie sehr das BfV noch 2012 bemüht war, die Verbindungen von „Corelli“ alias Thomas R. auch gegenüber dem Bundeskriminalamt zu verheimlichen. Das BKA hatte auf einer Telefonliste des Trios die Kontaktdaten von Thomas R. gefunden. Zwar empfahl eine BfV-interne Fachprüfgruppe im Februar 2012 der Amtsleitung, dem BKA die V-Mann-Tätigkeit von „Corelli“ zu offenbaren.
Zwar empfahl eine BfV-interne Fachprüfgruppe am 27. Februar 2012, dem BKA die V-Mann-Tätigkeit von „Corelli“ zu offenbaren. Die damalige Amtsspitze stellte sich aber gegen diese Empfehlung. Zudem ordnete sie an, dass „Corelli“ erst durch die eigenen Leute intensiv befragt werden solle, bevor man auf das Auskunftsersuchen des BKA reagiere. Bevor Thomas R. dann im Frühsommer von BKA-Beamten vernommen wurde, wies ihn sein Verbindungsführer an, seine VM-Tätigkeit den Ermittlern gegenüber unbedingt zu verschweigen. So flog „Corelli“ erst im September 2012 durch Medienberichte auf.