Besitzer sperrt Cuvry-Brache nach Großbrand ab

Erstveröffentlicht: 
19.09.2014

Fast zwei Jahre lang lebten etwa 100 Menschen in Hütten und Zelten auf dem Grundstück. Nach dem Großfeuer mussten sie es verlassen. Der Besitzer sperrt die Brache ab - und kommt einer Räumung zuvor.

 

Ein Streit zwischen Bewohnern der Cuvry-Brache in Kreuzberg hätte um Haaresbreite eine Katastrophe ausgelöst. Am Donnerstagabend brannten auf dem Gelände drei Hütten vollständig nieder Nur dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu verdanken, dass das Feuer nicht auf andere der aus Sperrmüll und anderem leicht brennbaren Material zusammengebauten Behausungen übergriff. Am Freitagmorgen rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an und sperrte den Brandort weitgehend ab, alle Bewohner mussten das Gelände verlassen. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen übernommen, die Beamten nahmen fünf Männer zwischen 21 und 45 Jahren fest, gegen sie wurde wegen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung ermittelt. Dieser Verdacht habe sich aber nicht erhärtet, sagte eine Polizeisprecherin am frühen Freitagnachmittag.

Der Brand auf der Cuvry-Brache blieb am Donnerstagabend und in der Nacht zu Freitag nicht der einzige Großeinsatz der Feuerwehr. Ebenfalls in Kreuzberg gingen vier in einem Parkhaus abgestellte Pkw in Flammen auf, in Mitte brannten zwei Busse und in Friedrichsfelde kam ein 45-jähriger Mann bei einem Wohnungsbrand ums Leben. In allem Fällen hat ein Brandkommissariat des Landeskriminalamtes (LKA) die Ermittlungen übernommen. In mehreren Fällen prüfen die Ermittler derzeit einen politischen Hintergrund.

 

Mordkommission ermittelt

 

Was auf der Cuvry-Brache den Streit auslöste, in dessen Gefolge die Baracken in Flammen aufgingen, ist noch unklar. Fest steht nach ersten Erkenntnissen, das sich mehrere Männer eine handfeste Auseinandersetzung lieferten. Wer kurze Zeit später den Brand legte, wird noch geprüft. Die Festgenommenen wurden zu Vernehmungen in die Dienststelle der Mordkommission an der Keithstraße gebracht. Die Verdächtigen stammen allesamt aus Polen und Litauen. Neben den Beamten der Mordkommission sind derzeit auch Brandexperten und Mitarbeiter der Spurensicherung auf dem Gelände. Die Polizei setzte darüber hinaus eine Aufklärungsdrohne und Spürhunde ein. Dass in dem Fall nicht nur wegen Brandstiftung, sondern auch wegen versuchten Mordes ermittelt wird, entspricht gängiger Rechtspraxis, wonach jeder, der ein von Menschen bewohntes Gebäude in Brand setzt, deren Tod "billigend in Kauf nimmt".

 

Das Feuer brach am Donnerstagabend kurz vor 21 Uhr aus, schon nach kurzer Zeit erhellten die 20 bis 30 Meter hoch loderten die Flammen den abendlichen Himmel über Kreuzberg. Anwohner wurden schnell auf das Szenario aufmerksam und alarmierten die Feuerwehr, die mit einem größeren Aufgebot anrückte. Nach etwa einer Stunde hatten die Löschkräfte das Feuer schließlich unter Kontrolle. "Das ganze Gelände ist ein einziger Brandherd, dass das Feuer nicht sofort auf andere der behelfsmäßig errichten Hütten übergriff, ist fast schon ein Wunder", sagte ein eingesetzter Beamter und verwies dabei auf die Tatsache, dass auf der Cuvry-Brache auch Familien mit kleinen Kindern leben.

 

Räumung droht seit Wochen

 

Auf dem brach liegenden Gelände direkt an der Spree leben seit drei Jahren etwa 150 Menschen, Aussteiger, Obdachlose und Roma-Familien. Den Bewohnern droht die Zwangsräumung, der Eigentümer möchte dort Wohnungen und ein Gewerbezentrum bauen, eine entsprechende Baugenehmigung liegt bereits seit längerem vor. Als das starke Polizeiaufgebot am frühen Freitagmorgen anrückte, machte schnell das Gerücht die Runde, die vom Eigentümer des Geländes vor einem Monat beantragte Zwangsräumung stehe unmittelbar bevor. Eine Polizeisprechern stellte allerdings vor Ort klar: "Wir räumen nicht". Die Absperrung des Brandortes erfolge lediglich, um ungestörte Ermittlungen zu gewährleisten.

 

Am Nachmittag allerdings übergab die Polizei das nun bewohnerfreie Gelände dem Eigentümer. Der wiederum kündigte an, einen Zaun errichten zu lassen, um jeglichen Zugang zu der Brache künftig zu verhindern. Die neue Entwicklung war kaum bekannt geworden, da erschienen nach Aufrufen im Internet mehrere Dutzend Aktivisten, um gegen die polizeilichen Absperrmaßnahmen und eine "verkappte Räumung" zu protestieren. Im Laufe des Nachmittags stieg die Zahl der Demonstranten kontinuierlich an, Zwischenfälle blieben allerdings aus.

 

Das es so friedlich bleibt, halten szenekundige Beamte allerdings für fraglich. "Da könnte sich in den nächsten Tagen noch eine Menge Frust und Wut aufstauen, das könnte für uns eine neue Baustelle werden", sagte ein Ermittler am Freitag.

 

Was aus den bisherigen Bewohnern wird, blieb zunächst offen. Bereits am späten Vormittag baute die Polizei massive Absperrgitter auf, niemand kam danach noch auf das Gelände. Die Bewohner durften nur noch einmal kurz zurückkehren, um ihre persönliche Habe zu holen - allerdings mit Polizeibegleitung. Am Mittag erschienen auch Vertreter des Bezirksamtes vor Ort, um den betroffenen Bewohnern Notunterkünfte anzubieten. "Ob sie das auch annehmen, ist ihre Entscheidung", sagte Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach am Freitagmittag. Bis zum späten Nachmittag gab es beim Bezirksamt keine Anfragen, die meisten Bewohner zogen mitsamt ihrer Habe mit unbekanntem Ziel davon.

 

Pkw und Busse in Flammen

 

Etwa eine Stunde, bevor die Flammen auf der Cuvry-Brache in den Himmel loderten, brannte es bereits in einem Parkhaus an der Ritterstraße. Dabei wurden fünf dort abgestellte Pkw weitgehend zerstört. Ein gerade in dem Parkhaus eintreffender Fahrzeughalter versuchte vergeblich, seinen brennenden Pkw selbst zu löschen. Dabei zog er sich eine schwere Rauchgasvergiftung zu, die in einem Krankenhaus behandelt werden musste. 50 Feuerwehrleute brauchten knapp zwei Stunden, um den Brand zu löschen. Da die betroffenen Fahrzeuge auf zwei Etagen verteilt waren, geht die Polizei auch hier von Brandstiftung aus, ein politischer Hintergrund wird geprüft.

 

Gleiches gilt auch für zwei brennende Reisebusse an der Köpenicker Straße in Mitte, zu denen die Feuerwehr gegen 3.20 Uhr gerufen wurde. Ein nahe dem Verdi-Gewerkschaftsgebäude abgestellter Bus brannte beim Eintreffen der Löschkräfte bereits lichterloh und wurde vollständig zerstört. Übergreifende Flammen beschädigten auch einen zweiten, direkt dahinter geparkten Bus schwer. Die Ermittler des Landeskriminalamtes prüfen derzeit einen möglichen Zusammenhang der beiden Taten.

 

Besonders tragische Folgen hatte ein weiteres Feuer, dass gegen 2 Uhr früh in einem Mehrfamilienhaus an der Paul-Gesche-Straße in Friedrichsfelde ausbrach. Ein 45-jähriger Mieter konnte von den Löschkräften in einer Wohnung in der dritten Etage nur noch tot geborgen werden. Eine Frau und zwei kleine Kinder konnten die Einsatzkräfte dagegen aus der brennenden Wohnung retten und unverletzt ins Freie bringen. Sechs weitere Bewohner brachten sich selbstständig vor den Flammen in Sicherheit. Die Brandursache ist noch unklar, die Ermittlungen führt ein Brandkommissariat des Landeskriminalamtes.